Die Bürgerbeauftragte informiert: Wichtige Änderungen in der Sozialhilfe ab Juli

Zum 1. Juli 2017 sind zahlreiche Änderungen im SGB XII erfolgt. Die Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni weist darauf hin, dass sich das auf die Bewilligungspraxis bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, bei der Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung auswirken kann. „Die Rechtsänderungen erfüllen mich allerdings mit Sorge, da zahlreiche Regelungen die Rechtslage des Bürgers verschlechtern, die Rechtsanwendung verkomplizieren und der Verwaltungsaufwand höher wird“, sagte El Samadoni heute in Kiel.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Änderungen:

Der neu eingeführte § 37a SGB XII sieht vor, dass Betroffenen auf Antrag ein Darlehen zu gewähren ist, wenn sie ihr anzurechnendes Einkommen – wie zum Beispiel beim erstmaligen Rentenbezug – erst am Monatsende erhalten und ihren Lebensunterhalt bis zum tatsächlichen Zuflusszeitpunkt nicht selber decken können. Das Darlehen wird ab dem Folgemonat mit Raten in Höhe von fünf Prozent des Eckregelsatzes (derzeit 20,45 Euro) mit den laufenden Leistungen aufgerechnet bis zu einem Höchstbetrag von 50 Prozent des Eckregelsatzes (derzeit 204,50 Euro). In der Vergangenheit wurde in diesen Fällen trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage oftmals ebenfalls ein Darlehen gewährt, das dann aber aufgrund finanzieller Überforderung der Betroffenen in eine Beihilfe umgewandelt beziehungsweise niedergeschlagen wurde. Diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr.

Grundsicherungsberechtigte, die sich länger als vier Wochen ununterbrochen im Ausland aufhalten, erhalten nach Ablauf der vierten Woche bis zu ihrer nachgewiesenen Rückkehr ins Inland keine Leistungen mehr (§ 41 a SGB XII). Bislang konnten Grundsicherungsempfänger ohne Verlust des Leistungsanspruchs ins Ausland fahren, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in Deutschland hatten. Hierfür wurde von der Verwaltungspraxis und den Gerichten teilweise ein Auslandsaufenthalt von bis zu sechs Monaten als unschädlich angesehen.

Eine weitere Neuregelung (§ 42a SGB XII) wurde hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung bei Grundsicherungsempfängern, die in der Wohnung von Eltern, Geschwistern oder eines volljährigen Kindes leben und keinen gesonderten Mietvertrag abgeschlossen haben, eingeführt. Für diesen Personenkreis werden die Kosten für Unterkunft und Heizung künftig in pauschalierter Form nach einer Differenzmethode als Bedarf berücksichtigt. Ferner wurde für Leistungsberechtigte in Wohngemeinschaften ohne eigenen Mietvertrag eine Regelung geschaffen, wonach sie Anspruch auf kopfteilige Aufwendungen für Unterkunft und Heizung eines entsprechenden Mehrpersonenhaushaltes haben. Damit ist ausgeschlossen, dass jede Person der Wohngemeinschaft Anspruch auf Unterkunftskosten eines Einpersonenhaushaltes hat. „Das ist nicht nur kompliziert, sondern wird in der Praxis auch zu finanziellen Verschlechterungen für zahlreiche Betroffene führen“, kommentierte die Bürgerbeauftragte.

Schließlich regelt § 44a SGB XII, dass Leistungen der Grundsicherung nur noch vorläufig zu bewilligen sind, wenn bereits bei deren Bewilligung Veränderungen in den Einkommensverhältnissen der Leistungsberechtigten oder bei den anzuerkennenden Bedarfen zu erwarten sind. Hauptsächlich betroffen sind von dieser Änderung Personen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten und schwankendes Arbeitseinkommen (Urlaubs-, Weihnachtsgeld) erhalten. „Auch diese Vorschrift bedeutet aus meiner Sicht eine Verkürzung der Rechte der Betroffenen. Vorläufige Entscheidungen begründen nämlich keinerlei Vertrauensschutz und sind daher mit einer weitgehenden Erstattungspflicht verbunden“, erklärte El Samadoni.


2 Kommentare on “Die Bürgerbeauftragte informiert: Wichtige Änderungen in der Sozialhilfe ab Juli”

  1. […] Sozialberatung Kiel (Rechtsanwalt Helge […]

  2. Einige Fragen zum neuen § 37a SGB XII und meine Antworten dazu:

    Wird bei einem weiteren Leistungsanspruch maximal 50 % des Eckregelsatzes aufgerechnet und bleibt ein etwaiger Restbetrag dann als Forderung stehen?

    Der Restbetrag wird erlassen, vgl. BT-Drucks. 18/10519, Seite 23): „Um eine finanzielle Überforderung leistungsberechtigter Personen zu vermeiden, wird die monatliche Rückzahlungsrateauf fünf Prozent der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgelegt (Absatz 2 Satz 1) und der Rückzahlungshöchstbetrag auf 50 Prozent der maßgebenden Regelbedarfsstufe beschränkt.“

    Ist das Darlehen ohne weiteren Leistungsanspruch zur sofortigen Zahlung fällig?

    Der Gesetzgeber geht davon aus, dass „Voraussetzung für die Darlehensgewährung ist, dass die Person im Bewilligungsmonat leistungsberechtigt ist. Erreicht das am Monatsende fällige, anzurechnende Einkommen eine Höhe, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abzulehnen sind, so kommt ein Darlehen nach § 37a SGB XII nicht in Betracht“ (DT-Drucks. a.a.O.). D.h., dass „ohne weiteren Leistungsanspruch“ in der Regel auch im Erstmonat gar kein Darlehen gewährt werden soll. Aus dem reinen Gesetzeswortlaut ergibt sich dies so freilich nicht. Dann soll § 38 SGB XII abwendbar sein (siehe Drucks.), wo dann (wohl) eine Niederschlagung wieder möglich wäre. Fragen Sie mich bitte (auch hier) nicht nach dem Sinn – vermutlich gibt es nämlich keinen.

    Unklar ist uns, weswegen eine Niederschlagung (beispielsweise bei dauerhafter Pfändungslosigkeit ohne Leistungsbezug) oder Umwandlung (ggf. nach erfolgter Aufrechnung) nicht weiterhin möglich sein soll?

    M.E., weil § 37a SGB XII gegenüber § 37 SGB XII spezieller ist und lex specialis derogat legi generali. Zur Intention des Gesetzgebers heißt es in der Drucks. dann auch recht unverblümt:

    „Das geltende Recht ermöglicht keine Darlehensgewährung zur Überbrückung des ersten Rentenbezugsmonats, eine analoge Anwendung des Regelsatzdarlehens nach § 37 SGB
    XII führt wegen der vom Rentenzahlbetrag abhängigen Darlehenshöhe oftmals zu einer finanziellen Überforderung der Leistungsberechtigten bei der Rückzahlung des Darlehens. Oftmals muss das Darlehen von den ausführenden Trägern deshalb ohne oder ohne volle Rückzahlung niedergeschlagen werden. Auf diese Situation hat der Bundesrechnungshof (sic!) in seinen Prüfmitteilungen hingewiesen.“


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