Zur Beratungshilfe für die Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch einen Rechtsanwalt

Neben anerkannten Schuldnerberatungsstellen können auch Rechtsanwälte als sogenannte „geeignete Personen“ im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO außergerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren durchführen (für Schleswig-Holstein siehe § 1 Nr. 1 AG InsO SH). Der außergerichtliche Einigungsversuch ist Voraussetzung für den Antrag auf Privatinsolvenz.

Gemäß Nr. 2504 VV RVG kann vom zuständigen Amtsgericht Beratungshilfe für die anwaltliche „Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)“ gewährt werden.

Regelfall: Schuldnerberatungsstellen

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHiG besteht ein Anspruch auf Beratungshilfe auch in diesem Fall allerdings nur dann, wenn „keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist“.

Diese „anderen Hilfemöglichkeiten“ bieten die steuerfinanzierten Schuldnerberatungsstellen der großen Sozialverbände (in Kiel die Schuldnerberatung des DRK, die katholische Kirche mit ihrem „Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Kiel“ sowie der Verein Lichtblick Kiel e.V. mit seinem „Schulden- und Insolvenzberatungszentrums Kiel“, der eng mit der Diakonie des evangelischen Kirche verbunden ist).

Mit einer Ablehnung von Beratungshilfe für einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch verstößt ein Amtsgericht im Regelfall nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, Art 103 Abs. 1 GG, weil diese Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHiG „einfachrechtlich gut vertretbar“ ist (BVerfG, Beschluss vom 04.09.2006, 1 BvR 1911/06).

Ausnahmefall: Anwaltliche Schuldnerberatung

Unter bestimmten Voraussetzungen kann jedoch auch bei einem bestehenden Angebot an Schuldnerberatungsstellen Beratungshilfe für eine anwaltliche Beratung und Vertretung bewilligt werden:

  • Der Rechtsanwalt ist in der Angelegenheit bereits vorbefasst.
  • Es sind Forderungen strittig.
  • Die Wartezeiten bei den Schuldnerberatungsstellen sind unzumutbar lang (circa mehr als 6 Monate).

Vorbefassung des anwaltlichen Betreuers?

In einer aktuellen Entscheidung hat sich nun das Amtsgericht Kiel zu der Frage geäußert, ob das Merkmal der „Vorbefassung“ in der Person des anwaltlichen Betreuers erfüllt ist. Es hat eine Vorbefassung in diesem Fall abgelehnt, weil eine Vorbefassung als Rechtsanwalt Voraussetzung sei:

„Der Antragstellervertreter ist als gesetzlicher Betreuer des Antragstellers auch für den Bereich der Vermögenssorge bestellt. Er ist damit in sämtlichen Fällen der Vermögenssorge automatisch vorbefasst, was indes nicht Grundlage der Vorbefassung als Rechtsanwalt ist.“

Schuldnerberatungsstellen bieten auch Hausbesuche an!

Nach Ansicht des Amtsgerichts Kiel führen auch körperliche Einschränkungen wie etwa die Wegeunfähigkeit der verschuldeten Person nicht zu einer Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme einer Schuldnerberatungsstelle, denn diese böten – was gerichtsbekannt sei – auch Hausbesuche an:

„Der weiter vorgetragene Umstand, dass eine Inanspruchnahme der Schuldnerberatungsstelle eine persönliche Vorsprache des Schuldners selbst erfordere, steht einer Inanspruchnahme der Schuldnerberatung nicht im Wege. Es ist amtsbekannt, dass die hiesigen Schuldnerberatungsstellen bei Notwendigkeit und Geeignetheit auch Hausbesuche durchführen, um die persönliche Vorsprache zu ermöglichen.“

Amtsgericht Kiel, Beschluss vom 20.03.2024, 7 XI 387/24

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Altersvorsorgevermögen aus tatsächlich geförderten Riester-Renten ist unpfändbar

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Der unter anderem für Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass das in einem Riester-Vertrag angesparte Guthaben nicht pfändbar ist, soweit die vom Schuldner erbrachten Altersvorsorgebeiträge tatsächlich gefördert werden und den Höchstbetrag nicht übersteigen.

Dem Insolvenzverwalter steht ein Kündigungsrecht nur zu, wenn der Rentenversicherungsvertrag dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Ob das in einem Riester-Vertrag angesparte Guthaben pfändbar ist und damit der Zwangsvollstreckung unterliegt, richtet sich nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 97 Satz 1 EStG. Da diese Ansprüche kraft gesetzlicher Anordnung nicht übertragbar sind, sind sie auch nicht pfändbar.

§ 851c ZPO ist durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26. März 2007 (BGBl I 2007, 368) eingeführt worden. Damit hat der Gesetzgeber jedoch keine zusätzlichen Anforderungen an die Unpfändbarkeit von Ansprüchen aus Riester-Renten geschaffen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Riester-Vertrag unkündbar ist (§ 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Soweit danach § 851c ZPO für die Unpfändbarkeit von Ansprüchen aus Verträgen Anforderungen an die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen stellt, die von Riester-Verträgen nicht eingehalten werden müssen, handelt es sich um eine unterschiedliche gesetzgeberische Wertentscheidung. Der Gesetzgeber wollte durch § 851c ZPO den Schutz von Altersvorsorgeansprüchen verbessern. Daher kann dem Gesetz nichts dafür entnommen werden, dass die Unpfändbarkeit von Ansprüchen aus Riester-Renten gegenüber der Rechtslage nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 97 Satz 1 EStG zukünftig erschwert werden sollte.

Allerdings hängt der Pfändungsschutz für das in einem Riester-Vertrag angesparte Kapital davon ab, ob die Altersvorsorgebeiträge tatsächlich durch eine Zulage gefördert worden sind. Ausreichend für die Unpfändbarkeit ist, wenn der Altersvorsorgevertrag im Zeitpunkt der Pfändung förderfähig war, der Schuldner bereits einen Zulagenantrag für die entsprechenden Beitragsjahre gestellt hatte und die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage vorlagen. Nachdem zwischen den Parteien streitig ist, ob die Schuldnerin einen Zulageantrag gestellt und eine staatliche Zulage erhalten hat, hat der Senat den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückverwiesen.

BGH, Versäumnisurteil vom 16.11.2017, IX ZR 21/17