Kürzung von Asylbewerberleistungen auf das „unabweisbar Gebotene“ verfassungsrechtlich unbedenklich

Bundessozialgericht in Kassel

Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht in § 1a Nr 2 in seiner früheren Fassung (wie in der derzeit gültigen Normfassung) die Kürzung der Leistungen auf das „unabweisbar Gebotene“ vor und erfasst damit unter anderem Fälle, in denen ein ausreisepflichtiger Leistungsberechtigter bei der Beschaffung eines Passes als Voraussetzung für seine Abschiebung nicht mitwirkt. Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat am heutigen Tag entschieden, dass diese Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Zugrunde lag der Fall eines aus Kamerun stammenden Klägers, dessen Asylantrag bereits im Jahr 2004 abgelehnt worden war, der aber seitdem an der Beschaffung von Passpapieren nicht mitwirkt, obwohl er dazu ausländerrechtlich verpflichtet ist. Allein deshalb konnte die Abschiebung des Klägers noch nicht vollzogen werden. Er hat daher nur Sachleistungen zur Sicherung der physischen Existenz (Unterkunft, Kleidung, Ernährung) erhalten, nicht aber Geldleistungen (bis zu 137 Euro monatlich) zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens, also etwa Kosten für Telekommunikation oder öffentlichen Nahverkehr oder auch Freizeitaktivitäten (sogenanntes soziokulturelles Existenzminimum).

Das Bundessozialgericht hält diese Regelung für verfassungsgemäß. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums hindert den Gesetzgeber nicht, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums die uneingeschränkte Gewährung existenzsichernder Leistungen an die Einhaltung gesetzlicher – hier ausländerrechtlicher – Mitwirkungspflichten zu knüpfen. § 1a Nr 2 Asylbewerberleistungsgesetz füllt diesen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum in verfassungsrechtlich zulässiger Weise aus. Die Regelung knüpft die Absenkung der Leistungen an ein Verhalten, das der Betreffende jederzeit ändern kann. Die Vorschrift sieht weiter vor, dass die Bedürfnisse des konkreten Einzelfalls maßgeblich sind. Auch dass der Kläger hier über Jahre nur abgesenkte Leistungen erhalten hat, war verfassungsrechtlich unbedenklich, denn er war sich der Möglichkeiten zur Beendigung der Leistungsabsenkung bewusst. Er war regelmäßig und unter Hinweis auf zumutbare Handlungsmöglichkeiten zur Mitwirkung aufgefordert und auch mehrfach der kamerunischen Botschaft vorgeführt worden. Der Erhalt ungekürzter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz setzt damit zwar voraus, dass der Ausländer aktiv daran mitwirkt, seinen Aufenthalt im Inland zu beenden. Diese Verknüpfung des Leistungs- mit dem Ausländerrecht ist bei bestehender Ausreisepflicht nicht zu beanstanden.

Pressemitteilung des BSG, Nummer 23 vom 12.05.2017

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Kosten der Unterkunft für Asylbewerber

Aus gegebenem Anlass weise ich an dieser Stelle auf eine Stellungnahme des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein vom 07.02.2014 zum Thema Kosten der Unterkunft nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hin:

Erstattung von Aufwendungen für Leistungsberechtigte Personen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG);

Kosten für angemessenen Wohnraum, Wohnraumbeschaffung und Schönheitsreparaturen

Infolge des starken Zugangs an Asylsuchenden in den letzten Monaten ist auch die Anmietung von bezahlbarem Wohnraum vor allem in den kreisfreien Städten; aber auch im Hamburger Randgebiet zunehmend schwieriger geworden. In diesem Zusammenhang sind Anfragen an das Innenministerium gerichtet worden, ob auch Wohnraum angemietet werden könne, dessen Bruttokaltmiete die örtlich geltenden Mietobergrenzen (MOG) übersteigt. Dazu und zu anderen Erstattungsfragen im Zuge der Anmietung von Wohnraum nehme ich wie folgt Stellung:

Erstattet werden die aufgrund der Bestimmungen des AsylbLG erbrachten notwendigen Leistungen. Damit gelten auch für die Anmietung von Wohnraum bei Leistungsempfängern nach dem AsylbLG vergleichbare Regelungen, wie sie das Gesetz für Leistungsempfänger nach den Sozialgesetzbüchern II und XII vorsieht. Danach werden grundsätzlich nur angemessene Unterkunftskosten übernommen. Für die Bestimmung des unbestimmten Begriffes „angemessen“ gelten in Abhängigkeit von der jeweiligen Personenzahl des Haushalts bestimmte örtliche MOG. Diese jeweiligen MOG gelten grundsätzlich auch für die Leistungsempfänger nach dem AsylbLG. Eine Ausnahme davon und damit eine Überschreitung der MOG halte ich zum Beispiel im Zuge der Neuzuweisung von Asylsuchenden für einen kurzfristigen Zeitraum für akzeptabel, wenn im Zeitpunkt der Zuweisung angemessener Wohnraum noch nicht verfügbar ist (z. B. Unterbringung in Hotel/Pension, bis Wohnung bezogen werden kann).

Die Übernahme einer Mietkaution (§ 551 BGB) ist möglich, wenn anderenfalls keine Anmietung der Wohnung möglich ist und anderweitiger angemessener Wohnraum kurzfristig nicht zur Verfügung steht. Die Kaution sollte nicht mehr als drei Monatsmieten betragen und grundsätzlich als Darlehen gewährt werden. Der Rückzahlungsanspruch des Mieters sollte bis zur Tilgung des Darlehens an die Leistungsbehörde abgetreten werden.

Die Übernahme einer Maklercourtage ist möglich, wenn anderenfalls keine Anmietung der Wohnung möglich ist und anderweitiger angemessener Wohnraum kurzfristig nicht zur Verfügung steht. Die Courtage darf maximal zwei Monatsmieten zuzüglich Mehrwertsteuer betragen. Ich bitte in jedem Fall die weitere gesetzliche Entwicklung in Sachen „Maklercourtage“ im Auge zu behalten. Ihnen dürfte bekannt sein, dass es Überlegungen gibt, den Makler zukünftig vom jeweiligen Auftraggeber der Leistung bezahlen zu lassen.

Anmerkung: Mit Inkrafttreten der sog. „Mietpreisbremse“ zum 01.06.2015 ist die Neuregelung in § 2 Abs. 1 a WoVermRG zu beachten: „Der Wohnungsvermittler darf vom Wohnungssuchenden für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, es sei denn, der Wohnungsvermittler holt ausschließlich wegen des Vermittlungsvertrags mit dem Wohnungssuchenden vom Vermieter oder von einem anderen Berechtigten den Auftrag ein, die Wohnung anzubieten (§ 6 Absatz 1).

Kosten für Schönheitsreparaturen können ebenfalls übernommen werden, wenn der Mietvertrag eine entsprechende wirksame Regelung enthält. Starre Fristenpläne für Schönheitsreparaturen sind laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unwirksam.

Eine Übernahme von Kosten für eine Beseitigung von Beschädigungen an der Mietsache, die der Leistungsempfänger in seiner Wohnung verursacht hat, ist dagegen grundsätzlich ausgeschlossen. Hier besteht für den Wohnungseigentümer ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegenüber dem Verursacher. Ist jedoch infolge des verursachten Schadens ein Verlust der Unterkunft zu erwarten und liegt der Erhalt der Wohnung im Interesse der Leistungsbehörde, kann eine Übernahme der Schuld ausnahmsweise in Betracht kommen.

Bei anderen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Anmietung von Wohnraum sollte sich die Leistungsbehörde bei der Frage der Übernahme von Kosten an den Grundsätzen für Leistungsempfänger nach dem SGB II / SGB XII orientieren.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt