Kein Alleinstehendenregelsatz bei Zusammenleben mit Asylbewerber

Eine Ehefrau muss den geringeren Sozialleistungssatz für Verheiratete bzw. Paare in einer Wohnung auch dann hinnehmen, wenn ihr Ehemann die niedrigeren Leistungen für Asylbewerber bezieht.

Bundessozialgericht in Kassel

Die erwerbsgeminderte Ehefrau bezog seit August 2015 zusammen mit ihren vier minderjährigen Kindern ALG II (jetzt Bürgergeld). Ende Januar 2017 zog ihr Ehemann in den Haushalt, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von damals 318 € (aktuell 330,00 € für Paare in einer Wohnung) monatlich erhielt. Das Jobcenter bewilligte der Ehefrau daraufhin nur noch die um 10 % abgesenkten Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von monatlich 368 € (jetzt 502 €) anstatt 409 € (jetzt 451 €) nach der Regelbedarfsstufe 1. Aufgrund der gegenüber ALG II/Bürgergeld niedrigeren Asylbewerberleistungen hatte die Familie 50 € weniger zur Verfügung als ein Ehepaar, bei dem beide Partner ALG II/Bürgergeld beziehen. Aus diesem Grunde begehrte die Ehefrau weiterhin Leistungen wie eine Alleinstehende.

Ihre Klage vor dem Bundessozialgericht hatte keinen Erfolg. Da Ehepaare und Partner aus einem gemeinsamen Topf wirtschaften können und so Einsparpotenziale insbesondere im Bereich Lebensmittel, Energie und Wohnungsinstandhaltung sowie Nachrichtenübermittlung haben, kann der höhere Regelbedarf für Alleinstehende nicht mehr beansprucht werden. Dies gilt auch bei sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaften, bei denen unterschiedliche Sozialleistungen – hier Sozialgeld und die um 50 € geringeren Asylbewerberleistungen – gewährt werden. Denn auch für den Bereich Hausrat, der in den Grundleistungsbedarf nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht als Geldleistungsbetrag eingeflossen ist und daher wesentlich zur Differenz des ausgezahlten monatlichen Betrags führt – können im Bedarfsfall gesondert Geld- oder Sachleistungen erbracht werden.

BSG, Urteil vom 15.02.2023, B 4 AS 2/22 R

Erstveröffentlichung in HEMPELS 4/2023

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Keine Hartz IV-Erhöhung zum Inflationsausgleich

1. Bei einer gesetzlich klar bestimmten Regelbedarfshöhe im Grundsicherungsrecht ist es den Fachgerichten verwehrt, im Eilverfahren selbst unmittelbar aus der Verfassung öffentlich-rechtliche Ansprüche zu schöpfen. Eine sich allein auf Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und dem daraus folgenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums stützende Verurteilung zur vorläufigen Bewilligung von höheren Leistungen nach dem SGB II würde gegen das in Art. 100 GG verankerte Verwerfungsmonopol des BVerfG für gesetzliche Normen verstoßen (Anschluss an Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. August 2022 – L 8 SO 56/22 B ER –, juris).

2. Es besteht auch keine Veranlassung, wegen der derzeit hohen Inflationsrate und des damit eintretenden Kaufkraftverlustes das vorliegende Eilverfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, denn die gegenwärtige monatliche Regelbedarfshöhe (für alleinstehende Erwachsene 449 €) ist am Maßstab der Verfassung nicht evident unzureichend. Der Gesetzgeber ist zwar gehalten, bei den periodisch anstehenden Neuermittlungen des Regelbedarfs zwischenzeitlich erkennbare Bedenken aufzugreifen und unzureichende Berechnungsschritte zu korrigieren. Eine solche Reaktion des Gesetzgebers ist jedoch erfolgt, indem nach § 73 SGB II für den Monat Juli 2022 von Amts wegen eine Einmalzahlung auch zum Inflationsausgleich in Höhe von 200 € gewährt wurde. Außerdem ist ein Gesetzgebungsverfahren angestoßen worden, das eine Neuberechnung des Regelbedarfs als Bürgergeld ab dem 1. Januar 2023 mit einer Erhöhung (für alleinstehende Erwachsene) von 53 € (vorgeschlagener Leistungssatz dann 502 €) vorsieht. Durch einen künftig doppelten Dynamisierungsfaktor soll auch schneller auf kurzfristigere Preiserhöhungen reagiert werden können.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 30.09.2022, L 6 AS 87/22 B ER


Höhere Regelsätze ab dem Jahr 2015

Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

(c) Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Die Bundesregierung hat am 17. September 2014 eine Erhöhung der Regelbedarfe für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II (ALG II / Hartz IV) sowie für Bezieher von Leistungen der nach dem SGB XII (vor allem Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung) zum 1. Januar 2015 um gut 2 % beschlossen. Die beschlossene Rechtsverordnung bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.

Die Regelsätze werden jährlich überprüft und fortgeschrieben. Das ist im Gesetz über die Ermittlung von Regelbedarfen (RBEG) und § 20 Abs. 5 SGB II und § 28 SGB XII festgelegt.

Die Fortschreibung der Regelbedarfe wird aus einem Mischindex errechnet. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der regelsatzrelevanten Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammen. Für 2014 liegt die Veränderung des Mischindexes für Juli 2012 bis Juni 2013 gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugrunde.

Das Statistische Bundesamt ermittelt sowohl die Preisentwicklung regelbedarfsrelevanter Güter und Dienstleistungen wie auch die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter.

Nachfolgender Tabelle sind die künftigen Leistungen, die bisherigen Leistungen (zum Vergleich) sowie der Mehrbedarf für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Strom- oder Gasboiler zur Gebrauchswarmwasseraufbereitung, mehr dazu hier) zu entnehmen:

Leistungen bis 31.12.2014

Leistungen ab 01.01.2015

Mehrbedarf für Warmwasser**

Regelbedarfsstufe 1
(alleinstehende oder alleinerziehende Leistungsberechtigte)

391 €

(+ 9 €)*

399 €

(+ 8 €)

2,3 %

= 9,18 €

Regelbedarfsstufe 2
(volljährige PartnerIn innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft)

353 €

(+ 8 €)

360 €

(+ 7 €)

2,3 %

= 8,28 €

Regelbedarfsstufe 3
(18 bis einschließl. 24-jährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft)

313 €

(+ 7 €)

320 €

(+ 7 €)

2,3 %

= 7,36 €

Regelbedarfsstufe 4
(Jugendliche von 14 bis einschließl. 17 Jahre)

296 €

(+ 7 €)

302 €

(+ 6 €)

1,4 %

= 4,23 €

Regelbedarfsstufe 5
(Kinder von 6 bis einschließl. 13 Jahre)

261 €

(+ 6 €)

267 €

(+ 6 €)

1,2 %

= 3,20 €

Regelbedarfsstufe 6
(Kinder unter 6 Jahre)

229 €

(+ 5 €)

234 €

(+ 5 €)

0,8 %

= 1,87 €

Quelle: Bundesregierung

* Veränderungen zum Vorjahr 2013
** Rundung nach § 41 Abs. 2 SGB II

Weitere erhöhte Mehrbedarfe und Barbeträge

Mit der Anhebung der Regelbedarfe steigen zudem die Mehrbedarfe und die Barbeträge für Bewohnerinnen und Bewohner von stationären Einrichtungen. Voll erwerbsgeminderte Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII, deren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „G“ enthält, erhalten einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % ihrer Regelbedarfsstufe. Leistungsbezieher, die Eingliederungshilfe erhalten, bekommen einen Mehrbedarf in Höhe von 35 % ihrer Regelbedarfsstufe. Entsprechend den erhöhten Regelbedarfsstufen steigen auch die Mehrbedarfe für Schwangere, Alleinerziehende sowie für Kranke, die eine kostenaufwändige Ernährung benötigen (vgl. § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II). Auch die Höhe des Barbetrags (sog. Taschengeld in stationären Einrichtungen) verändert sich ab dem 01.01.2015. Er beträgt 27 % des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 von dann 399 €, also 107,73 €.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Höhere Regelsätze ab dem Jahr 2014

Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

(c) Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Die Bundesregierung hat am 4. September 2013 eine Erhöhung der Regelbedarfe für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II (ALG II / Hartz IV) sowie für Bezieher von Leistungen der nach dem SGB XII (vor allem Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung) zum 1. Januar 2014 um 2,27 % beschlossen. Die beschlossene Rechtsverordnung bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.

Die Regelsätze werden jährlich überprüft und fortgeschrieben. Das ist im Gesetz über die Ermittlung von Regelbedarfen (RBEG) und § 20 Abs. 5 SGB II und § 28 SGB XII festgelegt.

Die Fortschreibung der Regelbedarfe wird aus einem Mischindex errechnet. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der regelsatzrelevanten Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammen. Für 2014 liegt die Veränderung des Mischindexes für Juli 2012 bis Juni 2013 gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugrunde.

Das Statistische Bundesamt ermittelt sowohl die Preisentwicklung regelbedarfsrelevanter Güter und Dienstleistungen wie auch die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter.

Nachfolgender Tabelle sind die künftigen Leistungen, die bisherigen Leistungen (zum Vergleich) sowie der Mehrbedarf für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Strom- oder Gasboiler zur Gebrauchswarmwasseraufbereitung, mehr dazu hier) zu entnehmen:

Leistungen bis 31.12.2013

Leistungen ab 01.01.2014

Mehrbedarf für Warmwasser**

Regelbedarfsstufe 1
(alleinstehende oder alleinerziehende Leistungsberechtigte)

382 €

(+ 8 €)*

391 €

(+ 9 €)

2,3 %

= 8,99 €

Regelbedarfsstufe 2
(volljährige PartnerIn innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft)

345 €

(+ 8 €)

353 €

(+ 8 €)

2,3 %

= 8,12 €

Regelbedarfsstufe 3
(18 bis einschließl. 24-jährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft)

306 €

(+ 5 €)

313 €

(+ 7 €)

2,3 %

= 7,20 €

Regelbedarfsstufe 4
(Jugendliche von 14 bis einschließl. 17 Jahre)

289 €

(+ 4 €)

296 €

(+ 7 €)

1,4 %

= 4,14 €

Regelbedarfsstufe 5
(Kinder von 6 bis einschließl. 13 Jahre)

255 €

(+ 4 €)

261 €

(+ 6 €)

1,2 %

= 3,13 €

Regelbedarfsstufe 6
(Kinder unter 6 Jahre)

224 €

(+ 4 €)

229 €

(+ 5 €)

0,8 %

= 1,79 €

Quelle: Bundesregierung

* Veränderungen zum Vorjahr 2012
** Rundung nach § 41 Abs. 2 SGB II

Weitere erhöhte Mehrbedarfe und Barbeträge

Mit der Anhebung der Regelbedarfe steigen zudem die Mehrbedarfe und die Barbeträge für Bewohnerinnen und Bewohner von stationären Einrichtungen. Voll erwerbsgeminderte Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII, deren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „G“ enthält, erhalten einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % ihrer Regelbedarfsstufe. Leistungsbezieher, die Eingliederungshilfe erhalten, bekommen einen Mehrbedarf in Höhe von 35 % ihrer Regelbedarfsstufe. Entsprechend den erhöhten Regelbedarfsstufen steigen auch die Mehrbedarfe für Schwangere, Alleinerziehende sowie für Kranke, die eine kostenaufwändige Ernährung benötigen (vgl. § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II). Auch die Höhe des Barbetrags (sog. Taschengeld in stationären Einrichtungen) verändert sich ab dem 01.01.2014. Er beträgt 27 % des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 von dann 391 €, also 105,57 €.

Weitere Infos:

Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 04.09.2013, Drucks. 673/13

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Höhere Regelsätze ab dem Jahr 2013

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Die Bundesregierung hat am 19. September 2012 eine Erhöhung der Regelbedarfe für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II (ALG II / Hartz IV) sowie für Bezieher von Leistungen der nach dem SGB XII (vor allem Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung) zum 1. Januar 2013 um 2,26% beschlossen. Die beschlossene Rechtsverordnung bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats auf seiner Sitzung am 12.10.2012, welche allerdings als bloße Formsache gilt.

Die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen ist gesetzlich festgeschrieben. Sie erfolgt jährlich und richtet sich nach statistischen Berechnungen. Dabei wird ein sog. Misch-Index zugrunde gelegt. Der Index orientiert sich an der bundesdurchschnittlichen Preisentwicklung und der Nettolohnentwicklung. Ab 2014 soll diese Berechnung durch die „laufende Wirtschaftsrechnung“ als Berechnungsgrundlage für die Regelsätze abgelöst werden.

Nachfolgender Tabelle sind die künftigen Leistungen, die bisherigen Leistungen (zum Vergleich) sowie der Mehrbedarf für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Strom- oder Gasboiler zur Gebrauchswarmwasseraufbereitung, mehr dazu hier) zu entnehmen:

Leistungen bis 31.12.2012

Leistungen ab 01.01.2013

Mehrbedarf für Warmwasser**

Regelbedarfsstufe 1
(alleinstehende oder alleinerziehende Leistungsberechtigte)

374 €

(+ 10 €)*

382 €

(+ 8 €)

2,3 %

= 8,79 €

Regelbedarfsstufe 2
(volljährige PartnerIn innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft)

337 €

(+ 9 €)

345 €

(+ 8 €)

2,3 %

= 7,94 €

Regelbedarfsstufe 3
(18 bis einschließl. 24-jährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft)

299 €

(+ 8 €)

306 €

(+ 5 €)

2,3 %

= 7,04 €

Regelbedarfsstufe 4
(Jugendliche von 14 bis einschließl. 17 Jahre)

287 €

289 €

(+ 4 €)

1,4 %

= 4,05 €

Regelbedarfsstufe 5
(Kinder von 6 bis einschließl. 13 Jahre)

251 €

255 €

(+ 4 €)

1,2 %

= 3,06 €

Regelbedarfsstufe 6
(Kinder unter 6 Jahre)

219 €

(+ 4 €)

224€

(+ 4 €)

0,8 %

= 1,79 €

* Veränderungen zum Vorjahr 2011
** Rundung nach § 41 Abs. 2 SGB II

Weitere erhöhte Mehrbedarfe und Barbeträge

Mit der Anhebung der Regelbedarfe steigen zudem die Mehrbedarfe und die Barbeträge für Bewohnerinnen und Bewohner von stationären Einrichtungen. Voll erwerbsgeminderte Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII, deren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „G“ enthält, erhalten einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % ihrer Regelbedarfsstufe. Leistungsbezieher, die Eingliederungshilfe erhalten, bekommen einen Mehrbedarf in Höhe von 35 % ihrer Regelbedarfsstufe. Entsprechend den erhöhten Regelbedarfsstufen steigen auch die Mehrbedarfe für Schwangere, Alleinerziehende sowie für Kranke, die eine kostenaufwändige Ernährung benötigen (vgl. § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II). Auch die Höhe des Barbetrags (sog. Taschengeld in stationären Einrichtungen) verändert sich ab dem 01.01.2012. Er beträgt 27 % des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 von dann 382 €, also 103,14 €.

Weitere Infos: Höhere Regelsätze ab dem Jahr 2014

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Hartz IV Regelsätze verfassungswidrig?

Sozialgericht Berlin

Nach Auffassung der 55. Kammer des Sozialgerichts Berlin verstoßen die Leistungen des SGB II gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Kammer hat daher dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungswidrigkeit des SGB-II-Regelbedarfs zur Prüfung vorgelegt. Zwar seien die Leistungen nicht evident unzureichend. Der Gesetzgeber habe bei der Festlegung des Regelsatzes jedoch seinen Gestaltungsspielraum verletzt. Die Referenzgruppe (untere 15 % der Alleinstehenden), anhand deren Verbrauchs die Bedarfe für Erwachsene ermittelt worden sind, sei fehlerhaft bestimmt worden. Die im Anschluss an die statistische Bedarfsermittlung vorgenommenen Kürzungen einzelner Positionen (Ausgaben für Verkehr, alkoholische Getränke, Mahlzeiten in Gaststätten und Kantinen, Schnittblumen u.s.w) seien ungerechtfertigt. Insbesondere habe der Gesetzgeber dabei den Aspekt der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unzureichend gewürdigt. Im Ergebnis seien die Leistungen für einen Alleinstehenden um monatlich rund 36 Euro und für eine dreiköpfige Familie (Eltern und 16-jähriger Sohn) um monatlich rund 100 Euro zu niedrig bemessen. (SG Berlin, Beschluss vom 25. April 2012, S 55 AS 9238/12)

Deutschlandweit erster Vorlagebeschluss

Der Beschluss der 55. Kammer ist der deutschlandweit erste Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht, in dem es um die Klärung der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelsatzhöhe geht. Allein das Bundesverfassungsgericht ist befugt, ein Parlamentsgesetz für verfassungswidrig zu erklären.

Quelle: http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/sg/presse/archiv/20120425.1035.369249.html

Tipp für Betroffene

Sollte das BVerfG die Regelsätze erneut für verfassungswidrig erklären, wird es dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Neuberechnung setzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09). Die neuen Regelsätze gelten dann für alle Leistungsberechtigen ab diesem Zeitpunkt. Eine rückwirkende Regelsatzerhöhung wird es – auch für Leistungsberechtigte, die sich mit Widerspruch und Klage gegen ihre Bewilligungsbescheide wenden – nicht geben. Aus diesem Grunde ist von Regelsatzklagen abzuraten. Es gilt, die bereits laufenden Klageverfahren abzuwarten.

Nachtrag 28.04.2012: Der Vorlagebeschluss des SG Berlin findet sich im Volltext jetzt hier:

Sozialgericht Berlin, Beschluss 25.04.2012, S 55 AS 9238/12

Nachtrag 12.07.2012: BSG, Urteil vom 12.07.2012, B 14 AS 153/11 R – Regelsätze nicht verfassungswidrig:

Terminbericht Nr. 40/12 (zur Terminvorschau Nr. 40/12)

3) Die Revision der Klägerin ist nur für die Zeit vom 1.1. bis 30.04.2011 zulässig. Für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2010 ist sie unzulässig, weil das LSG die Revision nur für die Zeit ab 1.1.2011 zugelassen und die Klägerin insoweit keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Der Tenor des angefochtenen Urteils war aus verfahrensrechtlichen Gründen neu zu fassen, weil das LSG über den nach § 96 SGG einbezogenen Verwaltungsakt vom 26.3.2011 auf Klage und nicht auf Berufung hin zu entscheiden hatte.

In der Sache ist die Revision der Klägerin, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Es bestand kein Anlass, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG zur Vereinbarkeit von § 19 Abs 1 Satz 1, § 20 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB II (neue Fassung) mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG einzuholen. Die Höhe des Regelbedarfes für Alleinstehende ist vom Gesetzgeber für die Zeit ab 1.1.2011 nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden. Die in Teilen des Schrifttums sowie im Vorlagebeschluss des SG Berlin vom 25.4.2012 gegen die Verfassungsmäßigkeit vorgebrachten Argumente können nicht überzeugen.

SG Mannheim – S 1 AS 38/11 –
LSG Baden-Württemberg – L 12 AS 1077/11 –
Bundessozialgericht – B 14 AS 153/11 R

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Höhere Regelsätze ab dem Jahr 2012!

Ab dem 01.01.2012 werden die Leistungen der Grundsicherung erhöht. Bezieher von Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II) sowie Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erhalten mit Beginn des neuen Jahres höhere Leistungen.

Die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen ist gesetzlich festgeschrieben. Sie erfolgt jährlich und richtet sich nach statistischen Berechnungen. Dabei wird ein sog. Misch-Index zugrunde gelegt. Der Index orientiert sich an der bundesdurchschnittlichen Preisentwicklung und der Nettolohnentwicklung. Ab 2014 soll diese Berechnung durch die „laufende Wirtschaftsrechnung“ als Berechnungsgrundlage für die Regelsätze abgelöst werden.

Nachfolgender Tabelle sind die künftigen Leistungen, die bisherigen Leistungen (zum Vergleich) sowie der Mehrbedarf für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Strom- oder Gasboiler zur Gebrauchswarmwasseraufbereitung, mehr dazu hier) zu entnehmen:

Leistungen ab 1.1.2012

Leistungen bis 31.12.2011

Mehrbedarf für Warmwasser

Regelbedarfsstufe 1
(alleinstehende oder alleinerziehende Leistungsberechtigte)

374 €

(+ 10 €)

364 €

2,3 %

= 8,60 €

Regelbedarfsstufe 2
(volljährige PartnerIn innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft)

337 €

(+ 9 €)

328 €

2,3 %

= 7,75 €

Regelbedarfsstufe 3
(18 bis einschließl. 24-jährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft)

299 €

(+ 8 €)

291 €

2,3 %

= 6,88 €

Regelbedarfsstufe 4
(Jugendliche von 14 bis einschließl. 17 Jahre)

287 €

287 €

1,4 %

= 4,02 €

Regelbedarfsstufe 5
(Kinder von 6 bis einschließl. 13 Jahre)

251 €

251 €

1,2 %

= 3,01 €

Regelbedarfsstufe 6
(Kinder unter 6 Jahre)

219 €

(+ 4 €)

215 €

0,8 %

= 1,75 €

Weitere erhöhte Mehrbedarfe und Barbeträge

Mit der Anhebung der Regelbedarfe steigen zudem die Mehrbedarfe und die Barbeträge für Bewohnerinnen und Bewohner von stationären Einrichtungen.

Voll erwerbsgeminderte Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII, deren Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „G“ enthält, erhalten zukünftig einen Mehrbedarf in Höhe von 17 % ihrer Regelbedarfsstufe.

Leistungsbezieher, die Eingliederungshilfe erhalten, bekommen einen Mehrbedarf in Höhe von 35 % ihrer Regelbedarfsstufe. Entsprechend den erhöhten Regelbedarfsstufen steigen auch die Mehrbedarfe für Schwangere, Alleinerziehende sowie für Kranke, die eine kostenaufwändige Ernährung benötigen (vgl. § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II).

Auch die Höhe des Barbetrags (sog. Taschengeld in stationären Einrichtungen) verändert sich ab dem 01.01.2012. Er beträgt 27 % des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 von dann 374 €, also 100,98 €.

Regelsätze ab 01.01.2013 siehe hier.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt