Für 628 Euro durch Europa

Weil ihr Monatslohn beim lettischen Logistik-Unternehmen „Dinotrans” wechselkursbedingt auf gerade einmal 628 Euro pro Monat gesunken war, legten am 21. Februar 2014 mehrere Dutzend philippinische Fahrer in Lübeck die Arbeit nieder. Hier hatte Dinotrans 2009 eine Niederlassung aufgemacht. Über den Fall berichtet die Monatszeitschrift Gegenwind in ihrer April-Ausgabe.


Jobcenter Kiel: Von Dumpinglöhnen keine Kenntnis

Logo Jobcenter KielWie berichtet, klagen Jobcenter in einigen Kommunen vorenthaltenes Arbeitsentgelt aus übergegangenem Recht von Arbeitgebern ein, die sittenwidrige Löhne gezahlt haben. Die Kieler Ratsfraktion DIE LINKE hat dies zum Anlass genommen, beim Jobcenter Kiel nachzufragen:

1. Hat das Jobcenter Kiel Kenntnis von gezahlten Dumpinglöhnen an Kieler Leistungsberechtigte nach dem SGB II?
2. Wird die Frage zu 1. bejaht, bitte ich um Beantwortung nachstehender Fragen:
a) In wie vielen Fällen ist das Jobcenter straf- bzw. arbeitsrechtlich gegen in Kiel ansässige Arbeitgeber vorgegangen (Angaben bitte differenziert nach Jahren)?
b) Ab welchem Stundenlohn geht das Jobcenter Kiel von einem sittenwidrigen Lohn aus?
c) Wie hoch waren die gezahlten Löhne in den vom Jobcenter Kiel beanstandeten Fällen?

Auf die Fragen hat das Jobcenter Kiel mit Schreiben vom 06.01.2014 nun mitgeteilt:

Zu Ihren Fragen können wir folgende Auskünfte geben:
1. Nein.
2. b) Es gelten die gesetzlichen Regelungen.
Ergänzend möchten wir lhnen erläutern, dass das Jobcenter Kiel bei jeder Antragstellung von Aufstockern seit 2005 grundsätzlich auf die Einhaltung der ortsüblichen Löhne der Branchen achtet, um die tatsächliche Hilfebedürftigkeit und vorrangige Leistungen festzustellen. Zudem werden in der Erstberatung durch die lntegrationsfachkräfte bereits bestehende Arbeitsverhältnisse auf ihre Substanz, Tragfähigkeit und Ausbaufähigkeit überprüft. Seit 2005 gab es im Jobcenter Kiel weniger als 10 Verdachtsfälle. Nach interner Prüfung der Bereiche Ordnungswidrigkeiten oder Arbeitsgeberservice lag hierbei keine Sittenwidrigkeit vor.

Soweit das Jobcenter Kiel auf die Frage, ab welchem Stundenlohn es von einem sittenwidrigen Lohn ausgeht, auf die „gesetzlichen Regelungen“ verweist, ist darauf hinzuweisen, dass es „gesetzliche Regelungen“ darüber, ab wann ein Lohn sittenwidrig ist, gar nicht gibt. Vor dem Hintergrund dieser unzutreffenden rechtlichen Annahme darf angezweifelt werden, dass eine sorgfältig Prüfung durch das Kieler Jobcenter derzeit in jedem Fall erfolgt. Unklar ist auch, inwieweit das Jobcenter Kiel „bestehende Arbeitsverhältnisse auf ihre Substanz, Tragfähigkeit und Ausbaufähigkeit“ überprüfen will. Ein Arbeitsverhältnis ist tragfähig, solange das Unternehmen den vereinbarten oder tarifvertraglichen Lohn bezahlen kann. Auf die „Substanz“ des Arbeitsverhältnisses – was immer damit gemeint sein mag – kommt es jedenfalls nicht an, solange der Arbeitgeber den Lohn zahlt und ob eine Arbeitsverhältnis „ausbaufähig“ ist, wird sich nicht an den Wünschen einer Behörde festmachen lassen, sondern an der Auftragslage des jeweiligen Unternehmens.

Von einer sittenwidrigen Vergütung wird im Allgemeinen gesprochen, wenn das gezahlte Entgelt nicht einmal 2/3 der üblichen tariflichen Vergütung erreicht. Liegt eine vertragliche Lohnvereinbarung unterhalb der so ermittelten Grenze und klagt der Arbeitnehmer hiergegen vor dem Arbeitsgericht, wird der Arbeitgeber im Regelfall verurteilt, die tarifliche Vergütung zu bezahlen. Das Vorenthalten von Arbeitsentgelt ist gemäß § 266a StGB strafbar. Betroffene Geringverdiener aus Kiel, die meinen, das ihnen gezahlte Gehalt könnte sittenwidrig sein und ihren Lohn mit ALG II aufstocken, werden gebeten, sich an die Ratsfraktion DIE LINKE in Kiel, Rathaus, Fleethörn 9 – 13, 24099 Kiel, Telefon: (0431) 901 – 2542, Email: post@linksfraktion-kiel.de zu wenden oder die Kommentarfunktion in diesem Blog zu nutzen.

RA Helge Hildebrandt / Florian Jansen, Geschäftsführer der Kieler Ratsfraktion DIE LINKE


Jobcenter klagen vorenthaltenes Arbeitsentgelt ein

GesaD  / pixelio.de

(c) GesaD / pixelio.de

Klagen der Jobcenter Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster beschäftigen derzeit das Arbeitgericht Cottbus. Es geht um sittenwidrige Löhne. Die Jobcenter machen Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer nach § 115 SGB X aus übergegangenem Recht geltend. Die Arbeitnehmer hatten neben ihrem geringen Entgelt Sozialleistungen bezogen. Das Arbeitsgericht hat zu entscheiden, ob das Arbeitsentgelt so gering war, dass von einem sittenwidrigen Lohn gesprochen werden muss und die Jobcenter daher den Arbeitgeber „subventionierten“.

Von einer sittenwidrigen Vergütung wird im Allgemeinen gesprochen, wenn das gezahlte Entgelt nicht einmal 2/3 der üblichen tariflichen Vergütung erreicht. Das Vorenthalten von Arbeitsentgelt ist gemäß § 266a StGB strafbar. Die Staatsanwaltschaft Cottbus wurde daher vom Arbeitsgericht über die anhängigen Klagen informiert.

In 3 Fällen ist ein öffentlicher Arbeitgeber, das Amt Plessa, betroffen. Dort soll ein kalkulatorischer Stundenlohn von 1,92 € gezahlt worden sein, so das Jobcenter Elbe-Elster. Dies entspräche gerade einmal 22,3 % der geringsten tariflichen Vergütung. Die betroffenen Arbeitnehmer waren im Jahr 2012 befristet für die anfallenden Pflege- und Erhaltungsarbeiten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in der Gemeinde Hohenleipisch für 3 Tage in der Woche mit je 4 Stunden angestellt.

Auch das Arbeitsgericht Eberswalde hatte bereits die auffallend niedrigen Löhne von 1,59 €, 1,65 € und 2,72 € eines uckermärkischen Pizza-Lieferservice für sittenwidrig erklärt. Damit war eine Klage des Jobcenters Uckermark erfolgreich. Der Arbeitgeber wurde verurteilt, rund 11.000 Euro Aufstockungsleistungen an das Jobcenter zurückzuzahlen (2 Ca 428/13, Kurzmitteilung).

Quellen:

Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Cottbus vom 06.09.2013

Badische Zeitung: Jobcenter gegen Minilöhne

Berliner Morgenpost: 165 Euro Monatslohn – Jobcenter verklagt Firma im Spreewald

rbb-online: Jobcenter klagt erfolgreich gegen Lohndumping

Süddeutsche.de: Jobcenter klagen gegen sittenwidrige Niedriglöhne

Thomé Newsletter 30.10.2013

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt