Jobcenter muss Kosten einer Untätigkeitsklage tragen – keine Pflicht, sich vor Erhebung einer Untätigkeitsklage noch einmal an das Jobcenter zu wenden

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Kostengrundentscheidung eines Sozialgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt. Das Sozialgericht hat § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet.

Die im Bezug von Arbeitslosengeld II stehende Beschwerdeführerin erhob – nachdem das Jobcenter einen Kostenerstattungsantrag nicht beschieden hatte – nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG Untätigkeitsklage zum Sozialgericht. Nach Erledigung des Rechtsstreits lehnte das Sozialgericht ihren auf Erstattung außergerichtlicher Kosten gerichteten Antrag, ohne dass ein zureichender Grund für die verspätete Bescheidung bestanden hätte, ab und begründete dies im Wesentlichen damit, die Beschwerdeführerin habe es pflichtwidrig versäumt, sich vor Einreichung der Klage nochmals an das Jobcenter zu wenden.

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Keine Anrechnung der hälftigen Beratungshilfegebühr für ein Überprüfungsverfahren auf ein sozialgerichtliches Eilverfahren

Denn das gerichtliche Antragsverfahren hat sich dem außergerichtlichen Überprüfungsverfahren nicht „angeschlossen“ im Sinne von Nr. 2503 Abs. 2 Satz VV RVG: Gegenstand der Beratungshilfeangelegenheit war ein Überprüfungsantrag betreffend eine in der Vergangenheit liegende Entscheidung, Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens jedoch die vorläufige Leistungsgewährung für die Zukunft.

Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 19.02.2021, S 45 SF 69/18 E

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


SG Kiel: 150 € netto für eine durchschnittliche Untätigkeitsklage

SG Kiel, Kostenbeschluss vom 09.10.2020, S 31 AS 201/20

Nach der Gebührenreform zum 01.01.2021 180,00 € (50 % der Mittelgebühr von 360,00 €) für ab dem 01.01.2021 erhobene Untätigkeitsklagen.


Beratungshilfe: Erledigungsgebühr für einen erfolgreichen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X!

Amtsgericht Kiel (Photo: Helge Hildebrandt)

Das LG Kiel hat mit Beschluss vom 24.01.2020 zum Aktenzeichen 5 T 53/19 die Entscheidung des AG Kiel bestätigt, wonach für ein erfolgreiches Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG i.V.m. Nr. 2508 (1) VV RVG zur Entstehung gelangt.

Zum Thema siehe auch schon: Beratungshilfe: Erledigungsgebühr für einen erfolgreichen Überprüfungsantrag?

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


„Kieler Kostenkästchen“ eine „zu pauschale Betrachtungsweise“

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Der Kostenprüfungsbeamte am Schleswig-Holsteinschen Landessozialgericht hat die auf dem sog. „Kieler Kostenkästchen“ fußende Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am Sozialgericht Kiel erneut beanstandet und dabei grundsätzliche Kritik an der „Kieler Kostenkästchen-Rechtsprechung“ der 21. Kammer am SG Kiel geübt. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme:

„Die Anwendung des von der 21. Kammer des Sozialgerichts Kiel entwickelten „Kieler Kostenkästchens“ halte ich aus der Sicht der Landeskasse für nicht geboten, da die darin enthaltenen Einzelbewertungen eine zu pauschale Betrachtungsweise bietet und insoweit der nach § 14 RVG vorzunehmenden Bewertung nicht gerecht wird.“

Klare Worte, die hoffentlich auch das Schleswig-Holsteinsche Landessozialgericht irgendwann einmal dazu bewegen werden, einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der „Kieler Kostenkästchen-Rechtsprechung“ der 21. Kammer am SG Kiel nicht weiter auszuweichen.

Mehr zum Thema:

„Kieler Kostenkästchen“ ade?

Anwaltsgebühren: Selbst der Kostenprüfungsbeamte am Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht folgt der Kostenrechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel nicht mehr

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Anwaltsgebühren: Selbst der Kostenprüfungsbeamte am Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht folgt der Kostenrechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel nicht mehr

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Bereits mehrfach habe ich an dieser Stelle über die höchst eigentümliche Kosten(drückungs)rechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel berichtet. Nun zeichnet sich ab, dass selbst der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht der Kosten(drückungs)rechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel nicht mehr zu folgen gedenkt. In einem Eilverfahren hatte ich die Festsetzung meiner Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 300,00 € zuzüglich Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer, zusammen 380,80 €, beantragt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am SG Kiel setzte meinen Gebühren auf 217,00 € zuzüglich Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer, zusammen 282,03 €, fest. Hiergegen legte ich Erinnerung ein und führte aus:

Begründung der Gebühr, § 14 RVG: Bedeutung aufgrund der erheblichen monatlichen Bedarfsunterdeckung von 96,50 € durch Zuzahlung zur Miete durch überdurchschnittlich hoch. Umfang mit 9 Schriftsätzen und einer 7seitigen Antragsschrift für ein ER-Verfahren ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Schwierigkeit der Rechtsmaterie aufgrund neuer noch ungeklärter Rechtsfragen überdurchschnittlich. Geringe Einkommens- und Vermögensverhältnisse führen weder zu einer Herab- noch Heraufsetzung: BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, Rz. 38: “In den allermeisten Fällen werden jedoch, wie hier, schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit einhergehen, sodass eine Kompensation dieser Kriterien [Anm: der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse] eintritt (vgl. hierzu OLG Thüringen, Beschluss vom 2. 2. 2005 – 9 Verg 6/ 04 = JurBüro 2005, 303, 305 f; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 72 mwN).“ Das besondere Haftungsrisiko kann die Gebühren lediglich erhöhen, aber nicht herabmessen (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, in Rn. 20 und 39). Die von mir gewählte Mittelgebühr ist mithin eher niedrig gegriffen.“

In seiner Stellungnahme vom 23.11.2017 beantragte der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht, meiner Erinnerung stattzugeben, weil diese begründet sei. Zur Begründung hat der Kostenprüfungsbeamte ausgeführt:

„Unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG stellt sich vorliegend der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als zumindest durchschnittlich dar. Es ist ein mit einer Be­gründung versehener Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Schriftsatz vom 13. September 2017 gestellt sowie sechs weitere Schriftsätze mit Sachvortrag vorgelegt worden. Ein Schriftwechsel zwischen den Beteiligten hat stattgefunden. Beweis wurde nicht erhoben. Der dokumentierte Zeitaufwand hat dem entsprochen, was in einem sozialgerichtlichen Verfahren üblicherweise anfällt.

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit entspricht ebenfalls dem Durchschnitt. In dem Verfahren wurde Über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gestritten. Derartige Rechtsstreitigkeiten sind den sozialgerichtlichen Durch­schnittsfällen zuzurechnen. Anhaltspunkte, die auf vom Durchschnittsfall abweichende Besonderheiten schließen lassen, sind nicht ersichtlich.

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin ist grundsätzlich überdurch­schnittlich, da existenzielle Leistungen begehrt werden, aber wegen der regelmäßigen Vorläufigkeit des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz lediglich durchschnittlich.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin liegen unter dem Durchschnitt.

Bei Betrachtung aller Kriterien des § 14 RVG erscheint die Festsetzung der Verfah­rensgebühr in Höhe der Mittelgebühr als angemessen.“

Meinen Kollegen kann ich nur raten, sich gegen die Kosten(drückungs)rechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel konsequent zur Wehr zu setzen. Wo es möglich ist, sollte über Prozesskostenhilfe abgerechnet werden, um gegen Beschlüsse der 21. Kammer am SG Kiel in die Beschwerde gehen zu können. Dass selbst der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht der Kosten(drückungs)rechtsprechung der 21. Kammer am SG Kiel nicht mehr folgt, zeigt, wie weit sich die 21. Kammer am SG Kiel mit ihrer schematischen Anwendung des sog. Kieler Kostenkästchens von einer dem Einzelfall gerecht werdenden, der höchstrichterlichen Rechtsprechung Rechnung tragenden und die anwaltliche Arbeit angemessen honorierenden Rechtsprechung entfernt hat.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


„Kieler Kostenkästchen“ ade?

Sozialgericht Kiel

Jeder Kieler Rechtsanwalt kann ein Lied davon singen und sich dabei der mitfühlenden Anteilnahme seiner auswertigen Kollegen sicher sein: Die Rede ist vom sog. „Kieler Kostenkästchen“ (böse Zungen sprechen auch vom „Kieler Käsekästchen“), dem Versuche eines Kieler Sozialrichters, die Anwaltsgebühren im Sozialrecht auf den Cent genau zu bestimmen und festzusetzen. Dabei sollte der Gebrauch des Diminutivs nicht den Blick darauf verstellen, dass dieser „kleine Kasten“ mit schönster Regelmäßigkeit auf 10 bis 20 bedruckten Seiten Raum zu greifen pflegt – was für sich genommen schon ein Ärgernis ist (hier ein eher harmloses Beispiel mit „nur“ neun Seiten). In rechtlicher Hinsicht gravierender wiegt, dass diese Kammer-Rechtsprechung in vielfacher Hinsicht mit der Rechtsprechung des BSG zur Ausfüllung des Gebührenrahmens in sozialrechtlichen Angelegenheiten (grundlegend BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R) unvereinbar ist. Insbesondere die Auffassung, die aufgrund der „Kostenkästchen“-Rechtsprechung mutmaßlich mögliche exakten Gebührenbestimmung lasse keinen Platz mehr für den (in allen Rechtsgebieten und von allen Gerichten im Grundsatz anerkannten) Ermessensspielraum (von ungefähr 20 %) des Anwalts, ist – vorsichtig formuliert – selbstbewusst.

Die 45. Kammer am SG Kiel hat es nun etwas strenger formuliert und der „Kieler Kostenkästchen“-Rechtsprechung regelungssystematische und logische Fehler nachgewiesen und sah sich offenbar – erkennbar adressiert an die Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG) des SG Kiel – zu der Feststellung genötigt, dass es sich bei dem „Kieler Kostenkästchen“ „nicht um normatives Recht“ handelt. Zur lesenswerten Begründung, dass mir tatsächlich 17,85 € und damit damit eine um 4,6 % (!) höhere Gebühr zusteht (siehe dazu: Jobcenter Kiel: Zumindest bei den Rechtsanwaltsgebühren sehr „genau“), hat das Gericht ausgeführt:

„Die Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gebühr ist allerdings – wie bereits ausge­führt – gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG vorrangig dem billigen Ermessen des Rechtsanwalts überlassen. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu gelten hat, leicht Streit entstehen kann. Solchen Streit wollte der Gesetzgeber möglichst vermeiden, indem er dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist (vgl. BSG 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R Rz 19 = BSGE 104, 30).

Die Literatur (vgl. nur: Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage 2015, § 14 Rz 12 m. w. N.; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, § 63 Rz 93 Stand V/2017) und ihr folgend die Rechtsprechung (vgl. nur BSG 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R Rz 19 m. w. N. = BSGE 104, 30) ge­stehen dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen von dem Kostenschuldner wie auch von den Gerichten zu beachtenden Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) derjenigen Gebühr zu, die nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG angemes­sen erscheint.

Die aus der Rechtsprechung des Sozialgerichts Kiel (vgl. Beschluss vom 31.05.2011 – S 12 SF 129/10) übernommene Auffassung des Erinnerungsgegners und der UdG, das sog. Kie­ler Kostenkästchen lasse keinen Raum mehr für einen dem Rechtsanwalt einzuräumenden Spielraum, wird von der beschließenden Kammer nicht geteilt. Dabei kann hier dahinstehen, ob das Kieler Kostenkästchen die Feststellung der Billigkeit der Gebühren mit so hoher Ge­nauigkeit zulasst, dass für ein Abweichen der ermittelten Gebühren kein Erfordernis mehr besteht. Denn die genannte Auffassung lässt sich bereits mit dem oben dargestellten rege­lungssystematischen Zusammenhang nicht in Einklang bringen. Danach wird der 20 %ige Spielraum dem Rechtsanwalt im Rahmen seines Beurteilungs- und Entscheidungsvorrechts hinsichtlich der Anwendung der normativen Grundlagen der rechtsanwaltlichen Vergütung, insbesondere des Rechtsrahmens des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG und der Betragsrahmen der VV-RVG, eingeräumt und stellt mithin einen integralen Bestandteil der grundsätzlich dem Rechtsanwalt überlassenen Gesamtabwägung dar. Daraus folgt, dass er der dem UdG im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG bzw. dem Richter im Erinne­rungsverfahren gemäß § 197 Abs. 2 SGG obliegenden Feststellung, ob die getroffene Be­stimmung i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG billig oder aber i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und deshalb nicht verbindlich ist, logisch vorgeht und deshalb auch im Kostenfestsetzungs- bzw. Erinnerungsverfahren nicht außer Acht gelassen werden darf. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dem sog. Kieler Kostenkästchen nicht um normatives Recht, zu dessen Beachtung der Rechtsanwalt bei der Ausübung seines Beurteilungs- und Entschei­dungsvorrechts verpflichtet wäre, sondern um eine richterrechtlich entwickelte Berech­nungsmethode, welche der Rechtsanwalt seiner Gebührenbestimmung zugrundelegen kann, jedoch nicht muss. Tut er es nicht, nimmt er aber gleichwohl – ggf. unter Berücksichtigung des 20 %igen Spielraums – eine gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG billige Bestimmung vor, so kann dem sog. Kieler Kostenkästchen deshalb allenfalls die Funktion eines Prüfinstruments im Rahmen der im Kostenfestsetzungs- bzw. Erinnerungsverfahren anzustellenden Gegen­probe zukommen, nicht aber diejenige eines die rechtsanwaltliche Gesamtabwägung regle­mentierenden Korrektivs. Insbesondere kann es in diesem Prüfungsstadium nicht an die Stelle des 20 %igen Spielraums des Rechtsanwalts treten und diesen nicht obsolet machen. Ein eigenständiger Anwendungsbereich ist vielmehr nur für den Fall denkbar, dass die Ge­bührenbestimmung des Rechtsanwalts mangels Unbilligkeit nicht verbindlich und durch eine Entscheidung des UdG oder des Richters zu ersetzen ist.

Streitig im vorliegenden Fall ist allein, ob die Terminsgebühr i. S. d. Nr. 3106 W-RVG in Hö­he der Mittelgebühr (150,00 €) – wie der Erinnerungsführer meint – oder in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (135,00 €) – wie der Erinnerungsgegner und die UdG meinen – angemessen ist. Dies bedarf indes nach den vorangegangenen Ausführungen keiner inhaltlichen Ent­scheidung. Denn auch wenn die Auffassung des Erinnerungsgegners und der UdG zutreffen sollten, so bleibt der Mehransatz des Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers je­denfalls innerhalb des ihm zuzugestehenden 20 %igen Spielraums und ist deshalb nicht un­billig.“

Nach sage und schreibe acht Jahren kann ich dieses Klageverfahren nun also auch kostenrechtlich abschließen.

SG Kiel, Beschluss vom 21.07.2017, S 45 SF 97/15 E

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Wartezeiten von mehr als 15 Minuten bei der Höhe der Terminsgebühr zu berücksichtigen

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Wartezeiten eines Rechtsanwalts vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung, welche die in der Ladung mitgeteilte Uhrzeit um mehr als 15 Minuten überschreiten und die allein der Sphäre des Gerichts zuzurechnen sind, sind bei der Bestimmung der Terminsgebühr gebührenerhöhend zu berücksichtigen. Bei einer Wartezeit von 1 ½ Stunden ist die Mittelgebühr um 1/3 heraufzusetzen (Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22.11.2016, L 5 SF 91/15 B E).

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Bei Untätigkeitsklage keine Anrechnung der Geschäftsgebühr aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Immer wieder versuchen es Behörden – hier das Justitiariat des Norddeutschen Rundfunks – weswegen es an dieser Stelle noch einmal klar gesagt werden soll:

Die Geschäftsgebühr aus einem Verwaltungs- oder Vorverfahren ist auf die Gebühren in einem Untätigkeitsklageverfahren auch im Verwaltungsrecht nicht anzurechnen. Zu beachten ist nämlich, dass Voraussetzung für eine Anrechung ist, dass der Streitgegenstand derselbe ist. Im Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren ist der Anwalt in der Hauptsache tätig. Im Verfahren der Untätigkeitsklage geht es bei der verwaltungsgerichtlichen Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ausschließlich um den Anspruch auf Bescheidung, nicht aber um die Sache selbst. Es handelt sich also faktisch um einen eigenen Instanzenzug. Da ein Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren zur isolierten Untätigkeitsklage nicht vorgesehen ist, kann insoweit auch keine Vorbefassung gegeben sein. Daher ist bei einer Untätigkeitsklage keine Anrechnung einer vorangegangen Geschäftsgebühr vorzunehmen.

Dem folgend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 14.09.2016, 4 A 64/16.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Widerspruch gegen Mahngebühren der Bundesagentur für Arbeit: 150,00 € Anwaltskosten sind erstattungsfähig

Bundessozialgericht in Kassel

Bundessozialgericht in Kassel

Legt der Rechtsanwalt für seinen Mandanten erfolgreich Widerspruch gegen einen Mahnung der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf die festgesetzten Mahngebühren ein, ist die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, dem Widerspruchsführer seine Anwaltskosten zu erstatten (BSG, Urteil vom 02.11.2012, B 4 AS 97/11 R).

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das BSG nun auch zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten geäußert und die halbe Schwellengebühr (seit 01.08.2013 150,00 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer) für erstattungsfähig erachtet. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt:

„Die Revision der Klägerin ist begründet, die Anschlussrevision der beklagten BA unbegründet. Zutreffend hat das SG entschieden, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin für das Widerspruchsverfahren innerhalb des Betragsrahmens von 40 bis 520 Euro eine Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV RVG [Anm: Ab 01.08.2013 2302 VV RVG] zwar nicht in Höhe von 240 Euro [Anm.: Ab 01.08.2013 300 Euro], aber von 120 Euro zusteht. Zwar ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nur der Mahngebührenbescheid über 7,85 Euro war, weil nur ihm und nicht auch der Mahnung bzw. der Zahlungsaufforderung Verwaltungsaktqualität zukam. Bei der Gebührenbemessung hat das SG unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin im Ergebnis gleichwohl zu Recht berücksichtigt, dass die Beklagte auf den Widerspruch nicht nur den Gebührenbescheid aufgehoben, sondern auch die angedrohte Vollstreckung selbst eingestellt hat. Infolgedessen ist die Klägerin im Verhältnis zu ihrem Anwalt gemäß § 15 Abs 2 RVG einem einheitlichem Vergütungsanspruch ausgesetzt, in dessen Bemessung in diesem Verhältnis auch das Interesse der Klägerin an der Abwendung der Zwangsvollstreckung über den Mahnbetrag von 1512,78 Euro eingeht. Das gebietet es, im kostenerstattungsrechtlichen Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten auch diese Wirkungen des erfolgreichen Widerspruchs gegen den Mahngebührenbescheid als von seinen Folgen umfasst („Soweit der Widerspruch erfolgreich ist“ <§ 63 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGB X>) zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen hat das SG nach den Kriterien des § 14 Abs 1 RVG zu Recht eine Geschäftsgebühr nach Nr 2400 des VV zum RVG aF in Höhe von 120 Euro für angemessen erachtet und der Klägerin deshalb einen weiteren Erstattungsanspruch über 109,48 Euro zuerkannt.“

BSG, Urteil vom 09.03.2016, B 14 AS 5/15 R (Terminbericht)

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Wann ein Widerspruchsverfahren „erfolgreich“ ist

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, aus welchen Gründen ein Widerspruch erfolgreich gewesen ist. Erfolgreich ist ein Widerspruch im Sinne des § 63 SGB X jedoch regelmäßig nur dann, wenn er auch ursächlich für die abhelfende Entscheidung ist. Dies ist nach der Rechtsprechung in der Regel dann nicht der Fall, wenn die abhelfende Entscheidung etwa auf der Nachholung von Mitwirkungspflichten oder veränderten Tatsachen beruht.

Mitwirkungspflicht muss überhaupt bestehen

Die die Kostenfolge des § 63 SGB X ausschließende Nachholung einer Mitwirkungshandlung setzt zunächst voraus, dass eine entsprechende Mitwirkungsverpflichtung überhaupt besteht.

Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I

Welche Mitwirkungspflichten bestehen, ergibt sich im Wesentlichen aus § 60 SGB I. Danach besteht insbesondere die Pflicht, alle leistungserheblichen Tatsachen und alle diesbezüglich erfolgenden Änderungen mitzuteilen. Die leistungserheblichen Angaben sind dabei grundsätzlich mit den in den entsprechenden Antragsformularen abgefragten Sachverhalten identisch.

Weitergehende Mitwirkungspflichten nur nach ausdrücklicher Aufforderung

Weitergehende Mitwirkungspflichten bestehen nur insoweit, als die Behörde den Leistungsbezieher hierzu ausdrücklich auffordert. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde das Fortbestehen bestimmter Umstände – etwa gesundheitlicher Einschränkungen – überprüfen will, denn ohne eine solche Aufforderung sieht das Gesetz keine Verpflichtung vor, unveränderte Tatsachen in bestimmten Abständen erneut durch entsprechende Nachweise zu belegen. Es besteht dann ein Spannungsfeld zwischen Mitwirkung (§§ 60 ff. SGB 1) und Amtsermittlung (§ 20 SGB X). Will die Behörde eine grundsätzlich bekannte und in der Vergangenheit bereits belegte Tatsache auf ihr Fortbestehen überprüfen, muss sie dies von Amts wegen selbst ermitteln. Benötigt sie dafür die Mitwirkung des Betroffenen (z.B. weil sie aus Gründen der Schweigepflicht keinen Zugang zu medizinischen Unterlagen erhält), muss sie diesen individuell und konkret hierzu auffordern.

Kostensenkungsaufforderung ist im Einzelfall individuell zu formulieren

Kostensenkungsaufforderungen des Jobcenters Kiel enthalten zwar alle für den Standardfall erforderlichen Angaben. Sie forderte die Kläger im konkreten Fall aber nicht auf, neue Nachweise über ihre gesundheitliche Situation vorzulegen. Dies wäre jedoch aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalles erforderlich gewesen, da gerade hierauf das bisherige Absehen von einer Kostensenkung beruhte. Insofern reicht auch der allgemeine Hinweis auf die Benennung von Gründen für eine Unzumutbarkeit des Umzugs nicht aus, wenn konkrete Gründe bislang für eine Unzumutbarkeit als ausreichend angesehen worden sind. Denn wenn der Behörde ein derart konkreter Sachverhalt bekannt ist, muss sie diesen auch konkret im Rahmen der bestehenden Pflicht zur Amtsermittlung überprüfen und kann dies nicht durch einen pauschalen Hinweis auf den Leistungsbezieher abwälzen. Ein solcher allgemeiner Hinweis ist allenfalls dann ausreichend, wenn für die Behörde nach Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit des Umzuges bestehen.

Ergebnis

Da die Klägerin in diesem Fall schon keine Mitwirkungspflichten trafen, konnten diese auch nicht erst im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden mit der Folge, dass das Widerspruchsverfahren aufgrund des Widerspruches erfolgreich war und das Jobcenter Kiel die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen hatte.

SG Kiel, Urteil vom 30.04.2015, S 36 AS 1459/13

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Jobcenter Kiel: Zumindest bei den Rechtsanwaltsgebühren sehr „genau“

Logo Jobcenter KielDen Streit mit den Jobcentern um Leistungen für seine Mandanten ist der Rechtsanwalt gewöhnt, den Streit mit den Behörden um seine Vergütung auch. Trotzdem gibt es immer wieder Fälle, die selbst einen leidgeprüften Rechtsanwalt um Fassung ringen lassen. So flatterte mir heute vom Sozialgericht Kiel ein Schriftsatz des Jobcenters Kiel mit der Bitte um Stellungnahme auf den Tisch, der selbst einen um Ernsthaftigkeit stets bemühten Rechtsanwalt gefährlich auf die Probe stellte. Das Jobcenter Kiel legt darin auf nicht weniger als 5 Seiten (!) dar, warum es für ein verlorenes Klageverfahren gerne nur Anwaltskosten in Höhe von 386,75 € übernehmen möchte. Besorgt blätterte ich in meiner Handakte nach, welch unerhört hohen Gebühren ich wohl beantragt hatte – und musste feststellen: Die sogenannte Mittelgebühr in Höhe von 404,60 €, das heißt 17,85 € und damit 4,6 % mehr, als das Jobcenter anerkennen möchte.

Nun handelt es sich bei der von mir beantragten Gebühr um eine sogenannte „Betragsrahmengebühr“ und wer über zumindest rudimentäre Kenntnisse des anwaltlichen Gebührenrechts verfügt weiß, dass die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung dem Rechtsanwalt bei der Gebührenbestimmung einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zugesteht, der von Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, Rn. 19 m.w. Rechtsprechungsnachweisen). Anders jedoch gewisse Mitarbeiter des Jobcenters Kiel, die augenscheinlich die notwendige Rechtsunkenntnis und offenbar auch die erforderliche Arbeitszeit dafür mitbringen, Anwälte und Gerichte mit 17,85-€-Fragen zu beschäftigen.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Keine Prozesskostenhilfe, wenn Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens zumutbar

Schleswig-Holsteinisches LSG

Schleswig-Holsteinisches LSG

Die gerichtliche Rechtsverfolgung ist mutwillig und Prozesskostenhilfe deswegen nicht zu gewähren, wenn das Jobcenter anbietet, ein Widerspruchsverfahren ruhend zu stellen, um eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts in dort bereits anhängigen Rechtsstreitigkeiten – hier wegen der Mietobergrenze der Landeshauptstadt Kiel – abzuwarten, sowie die Zusicherung ausspricht, seine Entscheidung im Widerspruchsverfahren sodann an der Entscheidung des Landessozialgerichts ausrichten zu wollen (Beispielschreiben). Denn die Fortsetzung des eigenen Verfahrens bietet gegenüber dieser Verfahrensweise keine erkennbaren tatsächlichen oder rechtlichen Vorteile. Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht mit Beschluss vom 26.11.2014 im Verfahren L 6 AS 271/14 B PKH. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt:

Die Entscheidungsgründe

„Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T zu gewähren, zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass die Rechtsverfolgung mutwillig ist. Nach eigener Prüfung der Sach– und Rechtslage nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen im Wesentlichen auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Nicht zuletzt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist allerdings auf Folgendes hinzuweisen: Der Senat hat bereits im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten über die Höhe der Regelbedarfe entschieden, dass es Empfängern von Grundsicherungsleistungen grundsätzlich zugemutet werden kann, ihr Verfahren im Widerspruchsverfahren nicht (weiter) zu betreiben, wenn der Ausgang dieses Verfahrens wesentlich von der Beantwortung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage abhängig ist, die bereits in anderen Verfahren in der Revisionsinstanz oder beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Juli 2012 – L 6 AS 12/12 B PKH – SchlHA 2012, 478).

Diese Grundsätze können auf Verfahren, die die abstrakte Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) betreffen, zumindest dann zu übertragen werden, wenn ein rechtlich gleichartiges Verfahren, das eine Beantwortung der streitigen Rechtsfrage erwarten lässt, beim Landessozialgericht anhängig ist und der jeweilige Träger der Grundsicherungsleistungen der leistungsberechtigten Person neben der Ruhendstellung zusichert, die Höhe ihrer Leistungen an der rechtskräftigen Entscheidung im anhängigen „Musterverfahren“ auszurichten.

Vorliegend fehlt es entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts zwar an einer solchen Zusicherung. Im Schreiben vom 23. Mai 2013 jedenfalls hat der Beklagte nicht verbindlich zugesagt, die Unterkunftskosten des Klägers im streitigen Zeitraum nach Maßgabe der rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren L 6 AS 10/13 ZVW zu bestimmen, sondern lediglich auf die Möglichkeit der Übertragung der dortigen Ergebnisse auf das ruhend gestellte Widerspruchsverfahren hingewiesen. Dies jedoch reicht nach Auffassung des erkennenden Senats im vorliegenden Fall aus, das weitere prozessuale Vorgehen des Klägers als mutwillig erscheinen zu lassen, weil sich der Kläger nicht gegen die Bewilligungsentscheidung selbst, sondern gegen die Ablehnung der Überprüfung bestandskräftiger Bewilligungsentscheidungen nach § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wendet. Je weniger es um die Deckung des aktuellen Bedarfs geht, desto eher ist es dem Rechtsschutzsuchenden grundsätzlich zuzumuten, die Entscheidung in einem gleichgelagerten Parallelverfahren auch ohne die konkrete Zusicherung der Übernahme des dortigen Verfahrensergebnisses abzuwarten.

Im vorliegenden Fall sind keine ausreichenden Gesichtspunkte erkennbar, die dagegen sprechen würden, der Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens zuzustimmen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass ein bemittelter Prozessbeteiligter, der seine Prozessaussichten vernünftig abgewogen und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt hätte, von der Klageerhebung vorerst abgesehen hätte. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Zustimmung zum Ruhen des Widerspruchsverfahrens seine Erfolgsaussichten in einem möglichen (aber offenbar ohnehin nicht betriebenen) Eilverfahren geschmälert hätte, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Aussichten angesichts der Bestandskraft der zugrunde liegenden Bewilligungsentscheidungen von vornherein sehr gering gewesen sind. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, an den in dieser besonderen Situation hohe Anforderungen zu stellen sind, ist jedenfalls nichts vorgetragen. Soweit er ferner geltend macht, dass im Zeitpunkt der Ausschlagung der angebotenen Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens nicht sicher gewesen sei, ob das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht im Verfahren L 6 AS 10/13 ZVW überhaupt allgemeingültige Aussagen zur abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten treffen würde, ist dies zwar angesichts der Besonderheiten des dortigen Falls nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Dem Bevollmächtigten des Klägers war jedoch bekannt, dass zu der Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten im Frühjahr 2013 bereits mehrere andere Berufungsverfahren anhängig waren, die eine obergerichtliche Klärung der zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens streitigen Rechtsfragen erwarten ließen. Entsprechende obergerichtliche Entscheidungen sind zwischenzeitlich ergangen (LSG Schleswig-Holstein, Urteile vom 19. Mai 2014 – L 6 AS 18/13 und L 6 AS 146/13 – zit. n. juris).“

Anmerkungen

Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ist nachvollziehbar. Denn es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Erhebung vieler Klagen trotz Ruhendstellungsoption gerade in Kieler Mietobergrenzenverfahren ab dem Zeitpunkt einer erneuten Beschäftigung des Landessozialgerichts mit dieser Frage eher im monetären Interesse der mandatierten Rechtsanwälte als der von ihnen vertretenen Kläger lag. In Fällen erheblicher Bedarfsunterdeckung schließt zudem eine Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens die Stellung eines Eilantrages nicht aus.

Allerdings sind auch Konstellationen denkbar, in denen die Fortführung des Widerspruchs- oder Klageverfahrens nicht mutwillig erscheint. Gerade bei einem Landessozialgericht wie dem Schleswig-Holsteinischen, das für seine restriktive und rational nicht immer leicht nachvollziehbare Praxis der Nichtzulassung von Revisionen bekannt ist, kann etwa – trotz Anhängigkeit der streibestimmenden Rechtsfragen in Berufungsverfahren – ein berechtigtes Klägerinteresse daran bestehen, zu versuchen, sein rechtliches Anliegen im Wege der Sprungrevision (§ 161 SGG) unter Umgehung der Berufungsinstanz dem Bundessozialgericht zur Entscheidung vorzulegen. Ein solches Rechtsschutzziel ist nachvollziehbar und wäre nicht mutwillig.

Nicht unerwähnt sollte in diesem Zusammenhang zudem bleiben, dass insbesondere auch bei der Bestimmung der Kieler Mietobergrenzen die entscheidenden Impulse gerade nicht vom – bisweilen mehr als unglücklich agierenden – Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht, sondern von Kammern an den Sozialgerichten ausgingen. Eine Fokussierung auf Judikate der zweiten Instanz – auch wenn sie in Schleswig-Holstein bedauerlicher Weise zugleich regelmäßig die letzte ist – erscheint daher weder zwingend noch besonders naheliegend.

Zuletzt könnten auch die Gerichte selbst durch kürzere Verfahrenszeiten dazu beitragen, die Bereitschaft zur Ruhendstellung von Verfahren bei der Rechtsanwaltschaft zu fördern. So werde ich im Jahre 2015 vor dem Sozialgericht Schleswig über Klagen in Mietobergrenzenverfahren verhandeln müssen, die ich im Jahre 2008 anhängig gemacht habe. Die Frage zu stellen, ob bei derartigen Verfahrenszeiten der effektive Rechtsschutz noch gewahrt ist (dazu hier), heißt, sie zu beantworten. Sorgen des Rechtsanwalts, Verfahrenszeiten durch die Ruhendstellung von Widerspruchsverfahren weiter zu verlängern, sind daher nicht ganz von der Hand zu weisen. Teilweise haben meine Klagen zudem zahlreiche Kammerwechsel erlebt und wurden wiederholt ruhend gestellt, weil in den Jahren immer mal wieder vom Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht über die Kieler Mietobergrenzen verhandelt wurde. Die von den verschiedenen Richtern in einigen Klageverfahren unterbreiteten Erledigungsvorschläge umfassten dabei nicht selten das Spektrum von der Anregung zur Klagerücknahme bis hin zu der an das beklagte Jobcenter adressierten Empfehlung, ein vollständiges Klageanerkenntnis abzugeben. Auch diese Erfahrungen haben die anwaltliche Entscheidung darüber, was zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sinnvoll und erforderlich ist, nicht gerade erleichtert.

Hinweis für Betroffene

Insbesondere anwaltlich vertretenen Widerspruchsführern ist zu raten, der Ruhendstellung von Widerspruchsverfahren zuzustimmen, wenn Rechtsfragen, welche auch für das Widerspruchsverfahren entscheidungserheblich sind, kurz vor einer obergerichtlichen Klärung stehen. Andernfalls droht in einem sich dem Widerspruchsverfahren anschließenden Klageverfahren die Gefahr, die Anwaltskosten selbst tragen zu müssen.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Jobcenter muss Rechtsanwaltskosten auch dann erstatten, wenn dieser Mandanten keine Kostenrechnung gestellt hat

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Nach wohl überwiegender Auffassung der Kammern am SG Kiel (etwa SG Kiel, Urteil vom 26.03.2013, S 38 AS 278/10) können im Falle eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens die durch die Mandatierung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X erst geltend gemacht werden, nachdem dem Mandanten die Kosten von seinem Rechtsanwalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG tatsächlich in Rechnung gestellt worden sind (unter Hinweis auf LSG NRW, Beschluss vom 20.04.2012, L 19 AS 26/12 B). Dies soll auch für den Fall geltend, dass die Mandanten beratungshilfeberechtigt sind und es dem Rechtsanwalt standesrechtlich eigentlich untersagt ist, seinen Mandanten eine Gebührenrechnung zu stellen, § 49a BRAO (zur Kritik hier und hier). Dieser formalistischen Rechtsprechung, die hier immer für unzutreffend erachtet wurde, hat das BSG nun (endlich) einen Riegel vorgeschoben.

Der Sachverhalt

Die Beteiligten stritten über die Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens. Der Kläger, der von dem Beklagten laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeit­suchende nach dem SGB II bezog, machte die Übernahme von Energieschulden bei dem Beklagten geltend und schaltete zur Interessenwahrnehmung einen Rechtsanwalt ein. Im Ergebnis wurde dem Widerspruch des Klägers vollständig abgeholfen. Anschließend übersandte der Klägerbevollmächtigte an den Beklagten eine Gebührenrechnung, in der unter Nennung der Angelegenheit und der Aufschlüsselung der Gebühren nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) eine Gesamtsumme von 309,40 Euro berechnet wurde. Der Beklagte ergänzte den Widerspruchsabhilfebescheid dahingehend, dass er die Zuzie­hung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärte und setzte sodann die zu erstatten­den Kosten auf 0,00 Euro fest. Zur Begründung heißt es, es sei nicht nachgewiesen, dass erstattungsfähige Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstanden seien, da keine Kostenrechnung des Rechtsanwalts vorliege, die dieser gegenüber seinem Mandanten erstellt habe. Die Klage hatte in den beiden Instanzen Erfolg. Das LSG hat das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Erstattung der Anwaltskosten durch das Beklagte Jobcenter bejaht. Der Beklagte habe auch bereits die Entscheidung getroffen, dass die Kosten dem Grunde nach erstattungsfähig seien. Die Höhe der geltend gemachten Kosten sei aufgrund der qualifizierten Abrechnung des Klägerbevollmächtigten zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig. Zur Entscheidung stehe allein die Frage, ob dem Kläger wegen des Fehlens der formalen Voraussetzun­gen nach § 10 RVG Kosten nicht entstanden seien. Dies sei zu verneinen, denn der Schutzzweck des § 10 RVG betreffe nur das Innenverhältnis zwi­schen Mandant und Rechtsanwalt, nicht jedoch das Außenverhältnis gegenüber einem erstattungspflichtigen Dritten.

Die Entscheidung des BSG

Die Revision des beklagten Jobcenters gegen die Entscheidung LSG NRW war nicht erfolgreich. Der Kläger hat einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 309,40 Euro gegen das beklagte Jobcenter. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig, soweit dort die zu erstattenden Kosten auf 0,00 Euro festgesetzt wurden. Das Rechtsschutzbedürfnis für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist gegeben, denn der Kläger ist bereits dadurch beschwert, dass die zu erstattenden Kosten auf 0,00 Euro statt auf 309,40 Euro festgesetzt worden sind, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beklagte bei Vorlage einer an den Kläger gerichteten Gebührenrechnung die Kosten in der beantragten Höhe erstattet hätte. Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 SGB X liegen vor. Das beklagte Jobcenter hatte bereits die Entscheidung getroffen, dass die Zu­ziehung eines Bevollmächtigten notwendig war und dass die Kosten dem Grunde nach erstattungsfähig sind. Die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen ist aufgrund der qualifizierten Abrechnung des Klägerbevollmächtigten in dem an den Beklagten gerichteten Antrag auf Kostenfestsetzung nicht streitig. Über diese aus § 63 Abs 1 und 2 SGB X folgen­den Voraussetzungen hinaus bestehen keine weiteren formalen Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch nach erfolgreichem Widerspruch. Insbesondere kann aus der Tatsache, dass keine an den Kläger gerichtete Berechnung nach § 10 RVG vorliegt, nicht gefolgert werden, dass Kosten nicht entstanden seien. Der Schutzzweck des § 10 RVG betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt, nicht jedoch das Außenverhältnis gegenüber einem erstattungspflichtigen Dritten. Dieser kann somit nicht einwenden, wegen eines Verstoßes gegen § 10 RVG nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein.

Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2014, B 14 AS 60/13 R

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Zur Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X

Thorben Wengert / pixelio.de

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Nach wohl überwiegender Auffassung der Kammern am SG Kiel (etwa SG Kiel, Urteil vom 26.03.2013, S 38 AS 278/10) können im Falle eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens die durch die Mandatierung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X erst geltend gemacht werden, nachdem dem Mandanten die Kosten von seinem Rechtsanwalt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG tatsächlich in Rechnung gestellt worden sind (unter Hinweis auf LSG NRW, Beschluss vom 20.04.2012, L 19 AS 26/12 B). Dies soll auch für den Fall geltend, dass die Mandanten beratungshilfeberechtigt sind und es dem Rechtsanwalt standesrechtlich eigentlich untersagt ist, seinen Mandanten eine Gebührenrechnung zu stellen, § 49a BRAO (zur Kritik hier).

In seinen rechtlichen Hinweisen vom 10.01.2014 hat die 36. Kammer am SG Kiel im Verfahren S 36 AS 1459/13 dargelegt, dass diese Rechtsprechung sich nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts nur auf die Geltendmachung des Gebührenanspruches, nicht jedoch auf die Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X bezieht:

„Da es sich bei der Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X um einen den Sozialleistungsbezieher belastenden Verwaltungsakt handelt, kann dieser auch angegriffen werden, ohne dass eine konkret bestehende Kostenlast nachgewiesen werden muss. Es wäre nach vorläufiger Einschätzung der Kammer allenfalls denkbar, bei nicht bestehender Belastung mit Kosten ein fehlendes allgemeines Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen. Dies wäre aber wohl nur dann gerechtfertigt, wenn eine Zahlungsverpflichtung oder anderweitige Belastung mit Kosten auch in der Zukunft gänzlich auszuschließen wäre. Dies dürfte vorliegend nicht der Fall sein.“

Die Mandanten bleiben in einem Rechtsstreit, in dem es um die Kostengrundentscheidung nach § 63 SGB X geht, auch dann aktivlegitimiert, wenn sich der Rechtsanwalt von seinen Mandanten in der Vollmacht „sämtliche Kostenerstattungsansprüche gegen den o.g. Anspruchsgegner“ hat abtreten lassen:

„Diese Abtretung erfasst aber – unabhängig von der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung im Rahmen einer Formularvollmacht – nach vorläufiger Einschätzung nur die Geltendmachung eines (feststehenden) Erstattungsanspruches, gegebenenfalls ein- schließlich des Höhenstreits, nicht jedoch die Kostengrundentscheidung.“

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Keine hälftige Anrechnung der Widerspruchsgebühr auf die Gebühr für ein gerichtliches Eilverfahren

Thorben Wengert / pixelio.de

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Auch nach dem neuen Vergütungsrecht sind für Verfahren ab dem 01.08.2013 Rechtsanwaltsgebühren für ein Widerspruchsverfahren nicht zur Hälfte auf den Vergütungsanspruch für ein anschließendes sozialgerichtliches Antragsverfahren anzurechnen.

In Teil 3 Vorbemerkung 3, dort Abs. 4 VV RVG ist seit 01.08.2013 geregelt:

(4) Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 {außergerichtliches Verfahren, Widerspruchsverfahren} entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 175,00 €. Sind mehrere Gebühren entstanden, ist für die Anrechnung die zuletzt entstandene Gebühr maßgebend. Bei einer Betragsrahmengebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren infolge der vorangegangenen Tätigkeit geringer ist. Bei einer wertabhängigen Gebühr erfolgt die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.

Das Jobcenter Kiel hatte die Auffassung vertreten, dass im neuen Kostenrecht bei der Festsetzung von Kosten in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch Kosten eines Widerspruchsverfahrens zu berücksichtigen seien, welches in „derselben Angelegenheit“ geführt worden sei.

Dem bin ich mit Schriftsatz vom 13.11.2013 (Az. 209/13) entgegengetreten und habe u.a. ausgeführt:

Bei dem Antragsverfahren S 34 AS 284/13 ER dürfte es sich bereits nicht um denselben Gegenstand wie bei dem Widerspruchsverfahren W 2613/13 handeln, denn bei einem Eilverfahren ist neben der materiellen Rechtslage stets auch das besondere Erfordernis der Eilbedürftigkeit zu prüfen. Ein Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt damit eine Rechtsschutzform dar, die eigenen Entscheidungsmaßstäben folgt und somit nicht auf ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren aufbaut (SG Schleswig, Beschluss vom 28.02.2012, S 4 SF 67/09 E). Mit dieser Begründung hat auch die Kostenkammer am SG Kiel in gefestigter Rechtsprechung Nr. 3102 VV RVG anstatt Nr. 3103 VV RVG a.F. für anwendbar erklärt. (…)

Für dieses Ergebnis spricht weiter, dass die Gebühr für ein außergerichtliches Verfahren nicht auf zwei (mögliche) gerichtliche Verfahren – ein Antrags- und ein Hauptsacheverfahren – angerechnet werden kann.

Dieser Auffassung hat sich das SG Kiel mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.12.2013, S 34 AS 284/13 ER angeschlossen und ausgeführt:

Die Rechtsauffassung hinsichtlich der Nichtanrechnung der Geschäftsgebühr wird auch vom Kostenbeamten geteilt. Für die weitere Begründung wird auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 13.11.2013 verwiesen.

Weiter war die Gebühr in diesem Fall nicht die „zuletzt entstandene Gebühr“, denn das Widerspruchsverfahren wurde (wenngleich nur kurze Zeit) nach dem Eilverfahren aufgenommen.

Fraglich – allerdings für dieses Verfahren rechtlich unerheblich – war die Frage, ob die „zuletzt entstandene Gebühr“ vor einem gerichtlichen Verfahren nicht stets die Beratungshilfegebühr ist, welche für die Beratung über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels – hier also eines sozialgerichtlichen Verfahrens – entsteht.

Wie hier auch SG Kiel, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.02.2014, S 38 AS 372/13 ER (hiesiges Az. 198/13).

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Zur Kostenerstattung bei erfolgreichen Widerspruchsverfahren, Teil 2

Thorben Wengert / pixelio.de

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In einer aktuellen Entscheidung vom 23.04.2013 hat das SG Kiel, Urteil vom 23.04.2013, S 38 AS 1418/10, zur Bemessung der Betragsrahmengebühr nach Nr. 2400 VV RVG ausgeführt:

„Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Be­stimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dies ist vor­liegend jedoch nicht ersichtlich. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind zumindest als durchschnittlich anzusehen. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist danach die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tat­bestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Be­weiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. In einer Anfechtungssituation wäre dies die vergleichbare Begründung, warum die Vorausset­zungen der Rechtsgrundlage, auf die sich der Leistungsträger stutzt, nicht vorliegen (BSG, a.a.O.= BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R). Die ausführliche Widerspruchsbegründung vom 21. Juli 2010 erfüllt diese Voraus­setzungen. Die Kläger haben hierin dargelegt, weshalb die Voraussetzungen für die Entzie­hung der zuvor bewilligten Leistungen nach § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht vorlagen. Entgegen der Ansicht des Beklagten waren diese Ausführungen auch not­wendig. Der Umstand, ob der Vermieter die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 bereits erstellt hatte oder nicht, war ohne Belang für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Ent­ziehungsentscheidung. Es lagen keinerlei Anhaltspunkte vor, die den Schluss, dass die Betriebskostenabrechnung gerade Einfluss auf die Höhe der für August 2010 bewilligten Leistungen haben würde. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger sind weit unterdurchschnittlich. Insofern tritt jedoch auf Grund der für sie Überdurchschnittlichen Be­deutung der Angelegenheit eine Kompensation beider Kriterien ein.“

Interessant sind die Ausführungen zur Kostenentscheidung:

„Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Obwohl die Kläger in der Hauptsache voll obsiegt haben, entspricht es billigem Ermessen, dass der Beklagte ihnen keine Kosten zu erstatten hat. Den Klägern sind erst durch die Rechnungsstellung ihres Prozessbevollmächtig­ten mit Schreiben vom 22. April 2013 Kosten für das isolierte Widerspruchsverfahren ent­standen, die nach § 63 Abs. 1 und 2 SGB X erstattungsfähig sind. Der Bescheid vom 3. Au­gust 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2010 war danach bis zu diesem Zeitpunkt, insbesondere bis zur letzten behördlichen Entscheidung, nicht in die Kläger belastender Weise rechtswidrig, da den Klägern vor der Rechnungsstellung keine Auf­wendungen entstanden waren, die der Beklagte zu ersetzen gehabt hätte.“

Die späte Rechnungsstellung ist in diesem Verfahren auf die Rechtsauffassung des Verfassers dieses Beitrages zurückzuführen, dergemäß ein Rechtsanwalt seinem beratungshilfeberechtigten Mandanten eigentlich keine Rechnung stellen darf, § 49 a BRAO (ausführlich dazu hier). In diesem Verfahren wurde die Gebührenrechnung nach Bekanntwerden der Rechtsauffassung einiger Kammern am SG Kiel zur Notwenigkeit der Rechnungsstellung kurz vor der Verhandlung auch noch an den beratungshilfeberechtigten Mandanten gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 RVG „mitgeteilt“. Für das Klageverfahren wurde PKH bewilligt.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Zur Kostenerstattung bei erfolgreichen Widerspruchsverfahren

Thorben Wengert / pixelio.de

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Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Nach dieser Regelung steht der Aufwendungserstattungsanspruch dem Widerspruchsführer zu. Aufwendungen hat der Widerspruchsführer, der einen Rechtsanwalt beauftragt hat, möglicherweise in Gestalt von Rechtsanwaltskosten. Rechtsanwaltskosten entstehen dem Widerspruchsführer aber nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erst, nachdem der Rechtsanwalt ihm seine Gebühren in Rechnung gestellt hat, § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG.

Liegen – wie im Sozialrecht regelmäßig der Fall – bei dem Mandanten die Beratungshilfevoraussetzungen vor, ist der Rechtsanwalt (standesrechtlich) nach § 49a BRAO allerdings verpflichtet, zu den Bedingungen der Beratungshilfe zu arbeiten. Mit anderen Worten: Er darf von seinem Mandanten die gesetzliche Vergütung gar nicht einfordern und also ihm grundsätzlich auch keine entsprechende Rechnung stellen.

Eine Lösung bietet hier die Regelung in § 9 BerHG. Danach hat die Behörde, soweit sie (nach § 63 SGB X) verpflichtet ist, dem Rechtssuchenden die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, die gesetzliche Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu erstatten. Dieser Zahlungsanspruch geht dabei nach § 9 Satz 2 BerHG auf den Rechtsanwalt über. Der gesetzliche Forderungsübergang erfolgt im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kostengrundentscheidung der Behörde nach § 63 SGB X.

Dies hat zur Folge, dass der Rechtsanwalt gegenüber der Behörde einen eigenen Anspruch aus § 63 SGB X geltend macht. Er muss deswegen seinen beratungshilfeberechtigten Mandanten keine Rechnung stellen. Bei Streit über die Höhe der Gebühren legt der Rechtsanwalt in eigenem Namen Widerspruch gegen den Kostenfestsetzungsbescheid ein und kann im Erfolgsfall auch Kostenerstattung für seinen Aufwand im Widerspruchsverfahren über die Kostenentscheidung verlangen (BSG, Urteil vom 20. 11. 2001 – B 1 KR 21/00 R). Klagt der Rechtsanwalt seine Kosten gerichtlich ein, so handelt es sich für diesen um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren.

Ein anderer Ansatz bestünde darin, bei Vorliegen der Beratungshilfevoraussetzungen wegen § 49a BRAO auf eine Rechnungsstellung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG zu verzichten. Die Rechtsfrage, ob die Erstattung von Rechtsanwaltskosten (ggf. auch bei bei beratungshilfeberechtigten Widerspruchsführern) für ein isoliertes Widerspruchsverfahren die Übersendung der Kostennote durch den Rechtsanwalt nicht nur an den Widerspruchsgegner, sondern zunächst an den Auftraggeber erfordert, ist bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, weswegen das SG Kiel in seinem Urteil vom 26.03.2013 im Verfahren S 38 AS 278/10 die Berufung zugelassen hat. Ob der Rechtsanwalt dann einen eigenen Anspruch geltend macht oder einen Anspruch des von ihm vertretenen Mandanten, hängt maßgeblich von der Frage ab, zu welchem Zeitpunkt der Forderungsübergang nach § 9 Satz 2 BerHG eintritt und ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind: Bereits bei Vorliegen der Beratungshilfevoraussetzungen, bei Unterschrift unter den Beratungshilfeantrag, bei Vorliegen eines Berechtigungsscheins des Amtsgerichts oder erst bei Abrechnung der Beratungshilfe. Auch diese Frage dürfte bisher nicht als geklärt gelten.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Von Hamburger Kaufleuten und schleswig-holsteinischen Kostenprüfungsbeamten

SG Schleswig / Foto: Bubo

Nach § 195 BGB verjähren auch Ansprüche auf Prozesskostenhilfe des beigeordneten Rechtsanwaltes innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungseinrede muss allerdings erhoben werden. Ob sich der Anspruchsgegner – hier die Staatskasse in Gestalt des Kostenprüfungsbeamten – auf Verjährung beruft oder – etwa, weil er dies für unehrenhaft hält, zumal der Inhaber des verjährten Anspruches schließlich die volle Gegenleistung erbracht hat – hierauf verzichtet, muss dieser selbst entscheiden.

Unter Hamburger Kaufleuten gilt bis heute: Ein standesbewusster Kaufmann beruft sich nicht auf Verjährung. Es ist eine Frage der Ehre und des eigenen Rufes, ob man sich auf Verjährung beruft oder nicht. Ein redlicher Kaufmann überlegt sich stets sehr genau, ob er die Einrede der Verjährung erhebt und seinen Kunden über die Klinge barbiert.

Schleswig-Holsteinische Kostenprüfungsbeamte sind leider keine Hamburger Kaufleute und die Staatskasse legt augenscheinlich eher weniger Wert auf Ruf und Ehre, und so sei jedem Kollegen empfohlen, auch bei Vergütungsansprüchen gegen die Staatskasse sorgsam die Verjährungsfristen im Blick zu behalten.

SG Schleswig, Beschluss vom 19.07.2012, S 25 AS 95/08 ER

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Keine Gebührenreduzierung wegen Mittellosigkeit des Mandanten

Bundessozialgericht in Kassel

Bundessozialgericht in Kassel

Im Sozialrecht sind die Betragsrahmengebühren nach § 14 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisses des Auftraggebers zu bestimmen.

Unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse

Entgegen der ständigen Spruchpraxis am SG Kiel vermögen die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers eine Herabbemessung der Mittelgebühr nicht zu rechtfertigen. Sind die Einkommensverhältnisse so schlecht, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungs- und Prozesskostenhilfe erfüllt sind, wird aus diesem Umstand zurecht gefolgert, dass diese außer Betracht zu bleiben haben (vgl. Römermann in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 38 m.w.N.), weil in solchen Verfahren bei ansonsten durchschnittlichen Anforderungen die Mittelgebühr nie erreicht werden könnte (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 16.08.2006 – L 10 B 7/06 SB und Urteil v. 23.04.2007 – L 19 AS 54/06; Thüringer LSG Beschl. v. 05.04.2005 – L 6 B 8/05 SF).

BSG, Urt. vom 1.7.2009, B 4 AS 21/09 R

Im Ergebnis kommt das BSG (Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R, Rz. 38 = BSGE 104, 30) zu demselben Ergebnis, wenn es ausführt: “In den allermeisten Fällen werden jedoch, wie hier, schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit einhergehen, sodass eine Kompensation dieser Kriterien [Anm: der unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse] eintritt (vgl. hierzu OLG Thüringen, Beschluss vom 2. 2. 2005 – 9 Verg 6/ 04 = JurBüro 2005, 303, 305 f; Jungbauer in Bischof, RVG, 2. Aufl 2007, RdNr 72 mwN).“ Diese Rechtsprechung – welcher die Kostenkammer am SG Kiel anders als die Kostenkammer am SG Schleswig (zuletzt etwa SG Schleswig, Beschluss vom 03.05.2012, S 8 SF 64/10 E, hiesiges Az. 016/09) derzeit leider nicht folgt – ist vernünftig, denn die Bedeutung der Angelegenheit (die zumeist ohne größeres Nachdenken rein materiell bestimmt wird) steht in der Tat im Verhältnis der gegenläufigen Proportionalität bzw. negativen Korrelation zu den Einkommensverhältnissen.

Grundsätzliche Einwände gegen Einkommensberücksichtigung

Im Übrigen ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Bestimmung des § 14 RVG betrifft – soweit „Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ in Bezug genommen werden – ausschließlich das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Rechtsanwalt. Grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind deswegen die wirtschaftlichen Verhältnisse eines erstattungspflichtigen Gegners (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 14 Rn.18 m.w.N.). Wird mithin die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten gegen die Gegenseite beantragt, sind Ausführungen zu den „Einkommens- und Vermögensverhältnissen“ richtigerweise gar nicht anzustellen. Der tiefere Grund dafür, dass im Rahmen der anwaltlichen Gebührenfestsetzung bei Rahmengebühren auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des kostenschuldenden Mandanten im Blick behalten werden sollen, liegt in der Sozialpflichtigkeit anwaltlicher Tätigkeit, die etwa auch in der Verpflichtung, auf Beratungs- oder Prozesskostenhilfebasis tätig zu werden, ihren Ausdruck findet.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Anwaltskosten in Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung sozialgerichtlicher Beschlüsse

Sozialgericht Kiel

Beschlüsse in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes müssen nach ständiger Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts  innerhalb eines Monats nach Zustellung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 929 ZPO vollstreckt werden (etwa Beschluss vom 04.01.2007, L 11 B 509/06 AS ER, a.A. zu Recht etwa Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.07.2010, L 8 SO 139/10 B ER zu Rz. 29 ff. m.w.N.). Geht die Behörde gegen den Beschluss des Sozialgerichts in die Beschwerde, so wird sie regelmäßig zugleich einen Antrag aus Aussetzung der Vollstreckung der im sozialgerichtlichen Beschluss ausgesprochenen Verpflichtung stellen, dem sodann entgegenzutreten ist.

Keine eindeutige Gebührenregelung

Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht auf Aussetzung der Vollstreckung enthält das Vergütungsverzeichnis keine eindeutige Gebührenbestimmung. Von den Kostenbeamten der schleswig-holsteinischen Sozialgerichte wurden Kosten sowohl nach Nr. 3102 VV-RVG als auch nach Nr. 3501 VV-RVG festgesetzt. Das Sozialgericht Kiel hat u.a. mit Beschluss vom 17.02.2012 zum Aktenzeichen S 21 SF 137/11 E nun entschieden, dass der Betragsrahmen dem Gebührentatbestand der Nr. 3501 VV-RVG zu entnehmen ist und zur Begründung ausgeführt:

„Das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung der im sozialgerichtlichen Beschluss ausgesprochenen Verpflichtung stellt nach dem Wortlaut keine Beschwerde oder Erinnerung dar, sodass allein aus dem Wortlaut der Nr. 3501 VV-RVG die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nicht abzuleiten ist. Eine eigenständige Vorschrift für Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, sieht das VV-RVG nicht vor. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung gebührenrechtlich gar nicht zusätzlich zu be­rücksichtigen ist. Da es sich bei dem Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG im Verhältnis zu dem in der Hauptsache anhängigen Verfahren um ein selbständiges Verfahren handelt, auf das grundsätzlich alle Vorschriften und Rechtsgrundsätze Anwendung finden, die für selb­ständige Verfahren gelten, ist über die Kosten eines solchen Verfahrens gesondert zu ent­scheiden (BSG vom 26.11.1991,1 RR 10/91, Rdnr.16, veröffentlicht in juris). Wenn das Ver­fahren auf Aussetzung der Vollstreckung aber gebührenrechtlich gesondert zu berücksichti­gen ist, kommt als einschlägige Vorschrift nur die Nr. 3501 VV-RVG als Auffangvorschrift in Betracht, weil die eine höhere Vergütung vorsehenden Vorschriften der Nrn. 3102 bzw. 3204 VV-RVG – wie oben dargelegt — nicht anwendbar sind. Dieses Ergebnis wird durch den Ver­gleich mit der Gebührenvorschrift für Vollstreckung und Vollziehung in nach dem Gegen­standswert abzurechnenden Verfahren bestätigt. Nach der Nr. 3309 VV-RVG beträgt die Verfahrensgebühr für Vollstreckung und Vollziehung 0,3, die Verfahrensgebühr für das erst­instanzliche Erkenntnisverfahren nach der Nr. 3100VV-RVG dagegen 1,3. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass Vollstreckungsverfahren gebührenrechtlich deutlich geringer zu honorieren sind als erstinstanzliche Erkenntnisverfahren.“

Der – sicher nur für meine Kollegen interessante – Beschluss findet sich im Volltext hier:

SG Kiel, Beschluss v. 17.2.2012, S 21 SF 137/11 E

Weitere gleichlautende Beschlüsse: SG Kiel v. 17.02.2012, S 21 SF 153/11 E und S 21 SF 145/11 E.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Zur Kostentragungspflicht des „Veranlassers“ eines Gerichtsverfahrens

Sozialgericht Kiel

Erlässt das Jobcenter einen Änderungsbescheid, aus dem sich die Minderung des Leistungsanspruches ergibt, sind aber die Sanktions- bzw. Minderungsbescheide mangels Zuganges beim Leistungsberechtigten nicht wirksam geworden und wird deswegen gegen den Änderungsbescheid Widerspruch erhoben und weist das Jobcenter den Widerspruch allein mit der Begründung zurück, der Änderungsbescheid enthalte keine „Verfügung“, ohne auf die nicht versandten Sanktionsbescheide hinzuweisen, so hat das Jobcenter nach dem „Veranlasserprinzip“ die Kosten eines sich anschließenden sozialgerichtlichen Eilverfahrens zu tragen.

SG Kiel, Beschluss vom 27.03.2012, S 37 AS 77/12 ER

Hinweis: Voraussetzung der Meldepflicht nach § 59 SGB II i.V.m. §§ 309, 310 SGB III ist eine entsprechende Aufforderung des Trägers der Grundsicherung, vgl. § 309 Abs. 2 SGB III. Die Aufforderung ist ein Verwaltungsakt (Birk in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 59 Rn. 2) und muss dem Aufzufordernden zu dessen Wirksamkeit bekanntgegeben werden, §§ 37, 39 Abs. 1 SGB X. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang nachzuweisen, § 37 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz SGB X.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Kostenübernahmepflicht des Jobcenters bei Veranlassung des Widerspruches!

Sozialgericht Kiel

Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2011 hat das SG Kiel entschieden, dass das beklagte Jobcenter Kiel einem Widerspruchsführer die Kosten eines Widerspruchsverfahrens auch dann zu erstatten hat, wenn ein Widerspruch zwar – hier wegen Erledigung durch Zeitablauf – nicht erfolgreich im Sinne des § 63 SGB X war, aber die Behörde die Einlegung des Widerspruches veranlasst hat.

Der Gerichtsbescheid im Volltext findet sich hier:

SG Kiel, Gerichtsbescheid vom 08.11.2011, S 37 AS 147/09

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt