Persönlicher Schulbedarf auch bei Besuch einer Volkshochschule

Sozialgericht Kiel

Auch Schüler im Leistungsbezug nach dem SGB II (oder Bezug von Wohngeld, Kinderzuschlag oder Asylbewerberleistungen), die an einer Volkshochschule einen Vorbereitungskurs zur Erlangung der mittleren Reife besuchen, haben einen Anspruch auf Geldleistungen für den persönlichen Schulbedarf gemäß § 28 Abs. 3 SGB II in Höhe von derzeit 150 € pro Schuljahr.

Der im Leistungsbezug beim Jobcenter Kiel stehende Kläger besuchte an der Volkshochschule Kiel (VHS) einen Kurs zur Vorbereitung auf den Erwerb des Realschulabschlusses. Seinen Antrag auf Gewährung des persönlichen Schulbedarfs lehnte das Jobcenter Kiel mit der Begründung ab, dass es sich bei der VHS um keine „allgemeinbildende Schule“ im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II handele. Denn das Schleswig-Holsteinische Schulgesetz zähle hierzu nur Grundschulen, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien.

Rechtswidrig, entschied das Sozialgericht Kiel. Denn wann eine Schule „allgemeinbildend“ ist, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BSG nicht nach landesrechtlichen, sondern nach bundesrechtlichen Regelungen. Danach ist der Begriff der „allgemeinbildenden Schule“ weit auszulegen: Allgemeinbildend ist danach jede Schule, an der ein allgemeiner Schulabschluss – wie hier der Realschulabschluss – angestrebt wird. Deswegen waren dem Kläger, der einen Vorbereitungskurs an der VHS zwecks Erwerbs seines Realschulabschlusses besuchte, Leistungen für seinen persönlichen Schuldbedarf zu bewilligen.

Sozialgericht Kiel, Gerichtsbescheid vom 30.09.2020, S 42 AS 773/17

Erstveröffentlichung in HEMPELS 12/2020

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Geld für Schulbücher vom Jobcenter

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Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat erstmals obergerichtlich entschieden, dass Kosten für Schulbücher als Mehrbedarfsleistungen vom Jobcenter zu übernehmen sind.

Geklagt hat eine Schülerin der gymnasialen Oberstufe, die im Bezug von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) stand. Sie hatte Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern (135,65 €) sowie eines grafikfähigen Taschenrechners (76,94 €) als Zusatzleistungen zum Regelbedarf beim Jobcenter geltend gemacht. Das Jobcenter bewilligte ihr mit dem sog. Schulbedarfspaket pauschal 100,00 € pro Schuljahr. Für eine konkrete Bedarfsermittlung fehle eine Rechtsgrundlage.

Das LSG hat die Schulbuchkosten als Mehrbedarfsleistungen in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt. Bücher würden nach der Gesetzesbegründung nicht von der Schulbedarfspauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II umfasst, sondern müssten grundsätzlich aus dem Regelbedarf bestritten werden. Da dieser jedoch für Bücher jeglicher Art lediglich etwa 3 € im Monat vorsehe, seien hierdurch die Schulbuchkosten nicht gedeckt. Dies stelle eine unbeabsichtigte Regelungslücke dar, die über eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 Abs. 6 SGB II durch die Gerichte zu schließen sei.

Demgegenüber seien die Kosten für grafikfähige Taschenrechner von der Schulbedarfspauschale abgedeckt, denn ein solcher Taschenrechner müsse nicht für jedes Schuljahr erneut angeschafft werden.

(LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11. Dezember 2017, L 11 AS 349/17)

Erstveröffentlichung in HEMPELS 05/2018

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Jobcenter muss Fahrtkosten zur Waldorfschule übernehmen

(c) Kurt F. Domnik / pixelio.de

Schulpflichtige Kinder, deren Eltern von ALG II leben und die für den Besuch der „nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs“ auf einen Schuldbus angewiesen sind, erhalten vom Jobcenter ihre tatsächlichen Fahrtkosten abzüglich eines Eigenanteils von 5 € erstattet. Einer Schülerin aus Husum, die die Grundschule einer privaten Waldorfschule in Flensburg besuchte, lehnte das Jobcenter die Übernahme ihrer Buskosten mit der Begründung ab, sie könne auch in Husum eine Grundschule besuchen, die sie zu Fuß erreichen könne. Das Sozialgericht Schleswig und das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht bestätigten die Entscheidung des Jobcenters. Das Bundessozialgericht gab nun der Schülerin Recht.

Die Waldorfschule in Flensburg nämlich war für die Schülerin die „nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs“. Denn die Waldorfschule in Flensburg weist gegenüber den näher gelegenen öffentlichen Grundschulen in Husum einen „eigenständigen Bildungsgang“ auf. Zur Ausfüllung des Begriffs des „Bildungsgangs“ kann nämlich nicht allein auf die Schulart „Grundschule“ zurückgegriffen werden. Vielmehr ist auf das Profil der Grundschule abzustellen, soweit hieraus eine besondere inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts folgt, die nicht der näher gelegenen Schule entspricht. Diese besondere Profilbildung belegen im Hinblick auf die von der Schülerin besuchten Waldorfschule schon die besonderen Anforderungen, die für den Erwerb der allgemeinbildenden Schulabschlüsse an Waldorfschulen nach Schleswig-Holsteinischem Landesrecht gelten.

(BSG, Urteil vom 05.07.2017, B 14 AS 29/16 R)

Erstveröffentlichung in HEMPELS 11/2017

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Hartz IV: Anspruch auf außerschulische Lerntherapie bei Dyskalkulie

Das Sozialgericht Schleswig hat mit Beschluss vom 11.12.2013 (S 22 AS 177/13 ER) einem 9jährigen Schüler mit festgestellter Dyskalkulie Leistungen für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II zugesprochen. Auch die Kosten einer nicht nur vorübergehenden Lerntherapie sind demzufolge nach dem Bildungs- und Teilhabepaket übernahmefähig. Das Gericht hat hierzu ausgeführt:

„Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Sache ist eilbedürftig, da die Gefahr besteht, dass der Antragsteller das Klassenziel nicht erreicht. Die Tatsache, dass eine automatische Versetzung in die nächsthöhere Jahrgangsstufe erfolgt,  steht dem nicht entgegen, da die Diskrepanz zwischen den geforderten und den vom Antragsteller tatsächlich erbrachten Leistungen ohne entsprechende Lernunterstützung durch den nicht therapiebegleitet erfolgenden Wechsel in die nächsthöhere Klasse nur noch weiter wachsen wird. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass bei ihm eine Dyskalkulie besteht, wodurch für ihn der mathematische Lernvorgang erheblich erschwert wird. Laut psychodiagnostischem Befundbericht der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und – psychotherapie des HELIOS Klinikum Schleswig vom 17. Oktober 2013 bedarf der Antragsteller zur Verbesserung seiner Rechenfertigkeiten der besonderen individuellen Förderung. Eilbedürftigkeit besteht auch deshalb, weil sich die bei dem Antragsteller bestehende schulische Situation bereits so auswirkt, dass er z.B. bei Mathearbeiten unter Bauchschmerzen leidet. (…)

Die Lernförderung ist geeignet und erforderlich im Sinne des § 28 Abs. 5 SGB II, da schulische Angebote nach der Einschätzung des Gerichts nicht ausreichen, dem Antragsteller die Chance zu vermitteln, das Lernziel der dritten Klasse zu erreichen. Hierfür reicht der reguläre Förderunterricht nicht aus. Es bedarf vielmehr hier einer Lernförderung durch Übernahme der Kosten für außerschulische Lerntherapie im Bereich der Dyskalkulie. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die von der Therapeutin Frau H. angebotene Lerntherapie mit Hilfe der Kieler Zahlenbilder Wege zur Behandlung der Dyskalkulie und damit für den Antragsteller die Chance eröffnet, wieder Anschluss an den schulischen Mathematikunterricht zu bekommen.

Der Eignung und Erforderlichkeit der Lernförderung steht hier nicht entgegen, dass der Förderbedarf des Antragstellers nicht nur vorübergehend besteht. Zwar soll nach der Gesetzesbegründung Lernförderung in der Regel nur kurzfristig notwendig sein, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. In Ausnahmefällen kann jedoch eine nur vorübergehende Lernschwäche zumindest auch dann angenommen werden, wenn der Förderbedarf das gesamte Schuljahr oder darüber hinaus besteht (so jedenfalls das Sozialgericht Itzehoe, Beschluss vom 3. April 2012, S 11 AS 50/12 ER und das Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 22. August 2013, S 10 AS 156/13 ER).“

Wie hier auch:
Sozialgericht Stade, Beschluss vom 22.11.2012, S 28 AS 781/12 ER
Sozialgericht Braunschweig, Urteil vom 08.08.2013, S 17 AS 4125/12
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.03.2014, L 6 AS 31/14 B

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten nur 5 €

Günter Havlena  / pixelio.de

(c) Günter Havlena / pixelio.de

Der zuständige Leistungsträger (zu den Zuständigkeiten in Kiel mehr hier) übernimmt unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für Schülermonatsfahrkarten. Weil man diese nicht nur für den Schulweg, sondern auch für andere Fahrten etwa in der Freizeit nutzen kann, wurde von vielen Leistungsträgern ein „zumutbarer Eigenanteil“ angerechnet. In Kiel betrug dieser für Schüler bis 17 Jahren 10 € und ab 18 Jahren 15 € monatlich (vgl. die Arbeitshinweise der Stadt Kiel). Ab 01.08.2013 werden bundesweit einheitlich pauschal 5 € angerechnet (§ 28 Abs. 4 Satz 2 SGB II n.F.). Im begründeten Einzelfall kann ein anderer Betrag festgesetzt werden.

Für den Zeitraum vor dem 01.08.2013 hat die 30. Kammer am SG Kiel mit Urteil vom 06.08.2013, S 30 AS 1532/11 entschieden, dass der von der Stadt Kiel je nach Alter des Schülers auf 10 € bzw. 15 € festgesetzte Eigenbeitrag zu hoch bemessen war und eine Kostenbeteiligung von lediglich 5 € für rechtmäßig erachtet. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt:

„Nach einer Wortlautauslegung und auch nach einer Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung des § 28 Abs. 4 SGB II ist davon auszugehen, dass die Berücksichtigung einer Eigenbeteiligung der Leistungsberechtigten an sich nicht zu beanstanden ist. § 28 Abs. 4 SGB II formuliert, dass ein Anspruch besteht, soweit es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Dass der Gesetzgeber diese Formulierung wählte, spricht dagegen, dass er eine Regelung derge­stalt treffen wollte, dass Rechtsfolge nur entweder die volle Übernahme der Beförderungs­kosten oder gar keine Übernahme der Beförderungskosten sein könne. Für den Fall, dass entweder gar kein Anspruch bestehe oder nur eine Übernahme der kompletten Beförderungskosten hätte erfolgen sollen, hätte er nicht die Formulierung „soweit“ sondern eine Be­dingungsformulierung wie „falls“ oder „wenn“ wählen können. Die Formulierung „soweit“ er­möglicht zumindest nach dem Wortlaut auch eine anteilige Kostenbeteiligung des Leistungs­berechtigten Diese Auslegung der Norm wird durch die Novellierung der Regelung § 28 Abs. 4 SGB II mit Gültigkeit ab dem 01.08.2013 gestützt. Ab dem 01.08.2013 ist der Regelung des § 28 Abs. 4 SGB II ein Satz 2 eingefügt. Dieser wird lauten, dass als zumutbare Eigen­leistungen in der Regel ein Betrag in Höhe von 5,00 EUR monatlich anzusetzen ist. Ohne Umformulierung der Norm im Übrigen wird also eine zumutbare Eigenleistung der Höhe nach bestimmt. Der Gesetzgeber unterstreicht durch die Änderung, dass die Regelung des § 28 Abs. 4 SGB II (ab dem 01.08.2013: § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB II) auch einen Anspruch auf eine partielle Kostenübernahme unter Berücksichtigung einer Eigenbeteiligung regelt.

Eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Leistungen nach § 28 Abs. 4 SGB II in Relation zu dem Regelbedarf nach § 20 SGB II ermöglicht ebenfalls eine Anrechnung. Unstreitig profi­tiert ein Leistungsberechtigter auch über den Schulweg hinaus davon, wenn er ein Monatsti­cket erhält, mit dem er auch zu anderen Zeiten und zu anderen Zwecken innerhalb eines bestimmten Bezirkes mobil ist. Insofern gibt es eine partielle Doppeldeckung des Bedarfes an Mobilität. Unstreitig finden sich die Kosten für die Mobilität im Übrigen in dem Regelbedarf wieder. Nach § 20 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1, Nr. 3 (Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind im Jahr 2011 in der Abteilung 7 (Verkehr) Kos­ten in Höhe von monatlich 12,62 EUR regelbedarfsrelevant. Die Kammer hatte nunmehr zu klären, in welcher Höhe eine Eigenbeteiligung angemessen ,ist, um auf der einen Seite eine partielle Doppeldeckung des Bedarfes an Mobilität zu vermeiden, und auf der anderen Seite der Pauschalierung des Systems des Regelbedarfes gerecht zu werden. Anknüpfungspunkt für die Festlegung der Höhe der Eigenbeteiligung ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „Zumutbarkeit“, der in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Ein Betrag in Höhe von monatlich 10,00 EUR ist bei einem Regelbetragsanteil von monatlich 12,62 EUR zu hoch bemessen sein. Dies folgt insbesondere aus dem Gesichtspunkt, dass das System der Pauschalierung des Regelbedarfes den Leistungsberechtigten eine Dispositionsmöglich­keit einräumt. Es muss sichergestellt werden, dass Leistungsberechtigte nicht nahezu gänz­lich ihrer Dispositionsbefugnis enthoben werden. Dies ist bei einer Eigenbeteiligung in Höhe von monatlich 10,00 EUR jedoch der Fall. Mit monatlich 2,62 EUR verbliebe den Kläger ein zu geringer Betrag für alle Verkehrsausgaben jenseits von Busfahrten im Stadtgebiet Kiel — wie zum Beispiel Kosten für Fernfahrten oder aber auch Kosten für das Vorhalten eines Fahrrades — um noch von einer Dispositionsmöglichkeit sprechen zu können. Insofern war der Betrag der Eigenbeteiligung niedriger festzusetzen. Zur genauen Bestimmung der Hohe hielt es die Kammer für angezeigt, auf die gesetzgeberische Entscheidung, die mit Wirkung ab dem 01.08.2013 in Kraft tritt, abzustellen. Ab dem 01.08.2013 ist der Regelung des § 28 Abs. 4 SGB II ein Satz 2 eingefügt. Dieser wird lauten, dass als zumutbare Eigenleistungen in der Regel ein Betrag in Höhe von 5,00 EUR monatlich anzusetzen ist. Im Gesetzesentwurf des Bundesrates ist zur Begründung ausgeführt:

In der Praxis erweist sich der Verwaltungsaufwand für die Ermittlung des von den Schülerinnen und Schülern zumutbar zu tragenden Eigenanteils an der Schülerbeför­derung als außergewöhnlich kompliziert. Ausgangspunkt für die Ermittlung der Höhe der Eigenbeteiligung sind die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 nach § 28 SGB XII (EVS 2008), dort die regelbedarfsrelevanten Verbrauchs­ausgaben nach der Abteilung 7 (Verkehr). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die korrespondierenden Anteile der Regelleistung auch die Mobilitätsbedarfe befriedigen sollen, die neben den Aufwendungen für den Weg zur Schule bestehen (persönliche Kontakte, Besuche von Angehörigen, Wahrnehmung von Freizeitangeboten). Die Schwierigkeit bei der Ermittlung des zumutbaren Eigenanteils bei der Schülerbeförderung nach § 28 Absatz 4 SGB II liegt darin, dass zum einen zu berücksichtigen ist, ob nur die Kosten für die Schülerbeförderung entstehen oder das Angebot des Perso­nennahverkehrs nur eine Fahrkarte vorsieht, die auch für andere Zwecke verwendet werden kann. Im zweitgenannten Fall kommt es weiter darauf an, wie weit das da­durch erschlossene Mobilitätsfeld reicht. Neben diesen objektiven Gegebenheiten kommt aber auch noch die subjektive Bedarfslage zum Tragen, nämlich die Frage, in welchem Umfang die Leistungsberechtigten davon nicht abgedeckte Mobilitätsbedar­fe haben. Da es an normativen Vorgaben fehlt und auch die EVS 2008 hier nicht weiter hilft, ist es ein Gebot der verwaltungspraktischen Handhabbarkeit, für den Regel­fall einen Wert ansetzen zu können, der eine gleichmäßige Handhabung sichert und dem Kriterium der Zumutbarkeit in angemessenem, aber auch ausreichendem Maße Rechnung trägt. Aus der Erfahrung der Verwaltungspraxis der kommunalen Träger ergibt sich dabei ein Durchschnittswert von 5 Euro monatlich, der regelmäßig als zu­mutbar gelten kann und bei der Rechtsanwendung zu Grunde zu legen ist. Dem Ge­sichtspunkt besonderer örtlicher oder persönlicher Verhältnisse wird dadurch Rech­nung getragen, dass in Fallen, die von der Regel abweichen, eine andere Festset­zung des Eigenanteils möglich.“ (BT-Drs. 17/12036, S. 7 f)

Der Betrag in Höhe von 5,00 EUR monatlich ist im Einzelfall des Klägers zumutbar. Dem Kläger ist durch den Erwerb der Monatskarte der Preisstufe II eine Mobilität praktisch im gesamten Stadtgebiet der Landeshauptstadt Kiel ermöglicht. Besonderheiten im Mobilitätsbe­darf zeigten sich im Fall des Klägers nicht. Der Betrag ist Hohe von monatlich 5,00 EUR ist daher angemessen, um auf der einen Seite die durch das Monatsticket entstehende Mobilität des Klägers über die Schülerbeförderung hinaus zu berücksichtigen und auf der anderen Seite eine gewisse Dispositionsbefugnis, die das System des pauschalierten Regelbedarfes gewähren soll, zu erhalten.“

Hinweise für Betroffene

Eltern, deren Kinder bis zum 01.08.2013 10 € bzw. 15 € monatlich zu den Schülerbeförderungskosten zuzahlen mussten, können noch bis zum 31.12.2013 eine Überprüfungsantrag für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.07.2013 stellen und für diesen Zeitraum von 19 Monaten eine Nachzahlung von 190 € bzw. 95 € einfordern.

Anderer Ansicht:

SG Kassel, Urteil vom 03.08.2012, S 10 AS 958/11: Eine Reduzierung der erstattungsfähigen Kosten der Schülerbeförderung um einen im Regelsatz enthaltenen Teilbetrag scheidet so lange aus, bis der Gesetzgeber einen solchen konkreten Absatzbetrag festgelegt hat.

LSG Westfalen, Beschluss vom 10.10.2012, L 12 AS 172/12: Die Anrechnung der im Regelbedarf angesetzten Verbrauchsausgaben für Verkehr auf einen etwaigen Anspruch gem. § 28 Abs. 4 SGB II ist rechtmäßig.

SG Chemnitz, Urteil vom 30.03.2012, S 22 AS 5853/11: Das Gericht geht dabei nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) davon aus, dass bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 50 v. H. und ab Beginn des 15. Lebensjahres 75 v.H. der nach § 6 RBEG bedarfsrelevanten Anteile der Gruppe 7 (Verkehr) als zumutbarer Eigenanteil nach § 28 Absatz 4 SGB II bei auch privat zu nutzender Monatskarte zu berücksichtigen sind.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Änderungen im Bildungs- und Teilhabepaket ab 1.8.2013

Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

(c) Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Ab dem 01.08.2013 können manche Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets einfacher und schneller beantragt werden. Ein Teil der Änderungen betreffen zwar nur die Verwaltung, von einigen Änderungen profitieren indes auch die Leistungsberechtigten – allerdings in geringem Umfange:

Schülermonatsfahrkarte

Der zuständige Leistungsträger (zu den Zuständigkeiten in Kiel mehr hier) übernimmt die Kosten für die Schülermonatsfahrkarte. Weil man diese nicht nur für den Schulweg, sondern auch für andere Fahrten etwa in der Freizeit nutzen kann, wurde von vielen Leistungsträgern ein „zumutbarer Eigenanteil“ angerechnet. In Kiel betrug dieser für Schüler bis 17 Jahren 10 € und ab dem 18 Jahren 15 € monatlich. Zukünftig werden bundesweit einheitlich pauschal 5 € angerechnet (§ 28 Abs. 4 Satz 2 SGB II n.F.). Im begründeten Einzelfall kann ein anderer Betrag festgesetzt werden.

Bei Klassenfahrt und Schulausflug auch Geldleistung

Bisher durfte der Leistungsträger dem leistungsberechtigten Kind für Klassenfahrten und Schulausflüge nicht einfach den erforderlichen Geldbetrag zur Verfügung stellen, sondern musste mit dem „Anbieter“ – etwa dem Busunternehmen oder der Jugendherberge – direkt abrechnen. Wenn es aber gar keinen solchen Anbieter gab (etwa wenn Fahrten von den Eltern organisiert wurden), gestaltete sich eine Kostenübernahme häufig schwierig. Um das zu verhindern und sicherzustellen, dass die Kinder auch wirklich teilnehmen können, kann der Bedarf in diesen Fällen nun auch durch eine Geldleistung gedeckt werden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F.)

Antragsrückwirkung bei Leistungen nach § 27 Abs. 7 SGB II

Für die Teilhabe an bestimmten Aktivitäten erhalten Kinder aus einkommensschwachen Familien 10 € monatlich (§ 28 Abs. 7 SGB II). Da Leistungen nach nach § 28 Abs. 2, Abs. 4 bis 7 SG II gemäß § 37 Abs. 1 SGB II gesondert zu beantragen sind, wurden die Leistungen erst ab dem Monat der Antragstellung erbracht. Ab 01.08.2013 wirkt der Antrag auf Leistungen nach § 27 Abs. 7 SGB II nun auf den Beginn des aktuellen ALG-II-Bewilligungszeitraumes zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB II n.F.).

10 € dürfen auch für Anschaffungen verwendet werden

Bisher konnte der Teilhabe-Betrag von 10 € monatlich nur für den Mitgliedsbeitrag in Vereinen, Musikschulen usw. verwendet werden. Häufig scheiterte die Teilhabe von Kindern aus Einkommensschwachen Familien aber daran, dass zum Fußballspielen auch Sportschuhe und zum Musizieren ein Instrument gehört. Diese notwendige Ausstattung, die Kinder zum Mitmachen brauchen, kann jetzt auch mit den 10 € monatlich finanziert werden (§ 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II). Dabei geht der Gesetzgeber von der Annahme aus, dass „die Teilnahme an solchen Aktivitäten (…) häufig so organisiert ist, dass durch ehrenamtliches Engagement die Unterrichtung kostenfrei angeboten werden kann“ (BT-Drucksache 17/12036, Seite 7 zu Buchstabe b (Absatz 7)).

Bei Vorleistung nachträgliche Kostenerstattung möglich

Für die Bildungs- und Teilhabeleistungen gilt nach § 30 SGB II n.F. nunmehr: Verweigerte der Leistungsträger die Bewilligung rechtswidrig oder ist säumig und geht der Leistungsberechtigte deswegen durch Selbstzahlung in Vorleistung, ist der Leistungsträger zur nachträglichen Kostenerstattung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung zur Deckung der Bedarfe im Zeitpunkt der Selbsthilfe vorlagen und die Teilhabeleistungen als Sach- und Dienstleistungen nicht zu erreichen waren. War es dem Leistungsberechtigen nicht möglich, rechtzeitig einen Antrag zu stellen, gilt dieser als im Zeitpunkt der Selbstvornahme gestellt.

Bewertung

Hatte sich der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. bei den Schülerbeförderungskosten noch ganz gegen einen Eigenbeitrag ausgesprochen (dazu mehr hier), so sieht die Neuregelung jetzt eine pauschale Eigenbeteiligung von 5 € vor. Das ist vertretbar – indes auch gewohnt kleinlich, fast möchte man sagen: Peinlich.

Ungelöst bleibt das Problem, dass mit 10 € monatlich eine Teilhabe am „sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft“ kaum möglich ist. Dass der Gesetzgeber nun generös erlaubt, die 10 € monatlich anstatt für den Musikunterricht alternativ auch für den Erwerb einer Geige oder eines Klaviers ansparen zu dürfen, wenn – wie angeblich „häufig so organisiert“ – der Musikunterricht „durch ehrenamtliches Engagement (…) kostenfrei angeboten werden kann“, bedeutet nichts anderes als einen Offenbarungseid des Sozialstaates, der auf das ehrenamtliche Engagement einzelner verweist, anstatt seinem genuinen Bildungsauftrag gerecht zu werden. Und es zeigt einmal mehr, welchen Stellenwert Kinder und Bildung in diesem Land haben. Das Kunst- Musik- und Sportlehrer natürlich nicht bezahlt werden, sondern ehrenamtlich arbeiten – für den Gesetzgeber offenbar eine Selbstverständlichkeit.

Weitere Informationen:

BT-Drucksache 17/12036

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Schülerbeförderungskosten: Richtlinien der Stadt Kiel bestätigt!

Sozialgericht Kiel

In einer aktuellen Entscheidung vom 05.04.2012 hat die 40. Kammer am SG Kiel die Richtlinien der Stadt Kiel zur Übernahme von Schülerbeförderungskosten (u.a.) nach § 28 Abs. 4 SGB II bestätigt.

Im Streit stand die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes des „Angewiesenseins“ auf die Schülerbeförderung. Nach Auffassung der 40. Kammer ist ein Schüler ab der 5. Klasse jedenfalls dann nicht mehr auf eine Schülerbeförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln angewiesen, wenn der Schüler seinen Schulweg zu Fuß je Wegstrecke in einer Stunde und mit dem Rad in einer halben Stunde zurücklegen kann.

SG Kiel: 8 Kilometer Fußweg am Tag ab der 5. Klasse zumutbar

Damit bestätigt das Gericht die Regelungen der Landeshauptstadt Kiel. Zwar orientieren sich diese zur Bestimmung der „Zumutbarkeit“ des Schulweges nicht an dem Zeitaufwand für den Schulweg sondern an der Entfernung zwischen Wohnung und Schule. Die Zurücklegung des Schulwegs ohne ein Verkehrsmittel soll danach erst dann nicht mehr „zumutbar“ sein, wenn der Schulweg der kürzesten Wegstrecke für Schüler bis zur Jahrgangsstufe vier 2 Kilometer und für Schüler ab der Jahrgangsstufe fünf 4 Kilometer überschreitet. Jedoch lassen sich 4 Kilometer auch zu Fuß in einer Stunde zurücklegen.

Die Begründung der 40. Kammer

„Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes sind nach Auffassung der Kammer vorrangig § 114 SchulG, der die Übernahme von Schülerbeförderungskosten durch Schulträger regelt, und die Schülerbeförderungssatzungen der Kreise heranzuziehen. Dies gilt nach Auf­fassung der Kammer bereits deshalb, weil vorrangiges Ziel des Gesetzgebers die Sicherstellung der Schülerbeförderung in der Sekundarstufe II war (vgl. BT-Drucks. 17/4095, S. 30). Nach § 114 Abs. 2 SchulG bestimmen die Kreise durch Satzung, welche Kosten für die Schülerbeförderung als notwendig anerkannt werden. Für die Frage, ob die Schülerbeförde­rungskosten als notwendig im Sinne des § 114 Abs. 2 SchulG anzuerkennen sind, ist mithin verwaltungsrechtlich auf die in der Satzung festgelegten Entfernungen abzustellen. So sieht etwa § 3 Abs. 3 der entsprechenden Satzung des Kreises Rendsburg-Eckernförde vor, dass Schülerbeförderungskosten für Schüler der Klassen 5 und 6 ab einem Schulweg über 4 Kilometer übernommen werden können, ebenso im Kreis Schleswig-Flensburg (vgl. unter www.schleswig-flensburg.de), Kreis Plön (vgl. http://www. kreis-ploen.de). Im Kreis Pinneberg liegt in Jahr­gangsstufe 5 die entsprechende Grenze bei 4 Kilometern in den Monaten November bis ein­schließlich März, in den anderen Monaten bei 5 Kilometern (§ 3 Abs. 3 Schülerbeförde­rungssatzung). Die Landeshauptstadt Kiel als kreisfreie Stadt übernimmt grundsätzlich keine Schülerbeförderungskosten für Schülerinnen und Schülern des Stadtgebietes; Ausnahmen gelten bei Behinderungen. Diese Regelungen dienen nach Auffassung der Kammer als maßgeblicher Anhaltspunkt bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Ange­wiesenheit auf Schülerbeförderung im Sinne des § 28 Abs. 4 SGB II. Denn eine Besserstellung von grundsicherungsleistungsberechtigten Schülerinnen bzw. Schülern im Hinblick auf die Übernahme von Schülerbeförderungskosten gegenüber denen, die keine Grundsiche­rungsleistungen beziehen, dürfte nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen.

Anhand dessen ist der Antragsteller nach Auffassung der Kammer nicht auf eine Schülerbe­förderung angewiesen, mithin die Regelung des Antragsgegners in Punkt 2.3.3 der Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel für die Erbringung von Leistungen für Bildung- und Teil­habe nicht zu beanstanden. Es ist nämlich dem 12-jahrigen Antragsteller – wie auch allen anderen Schülerinnen und Schülern seines Alters – zuzumuten, an den Schultagen die Stre­cke zwischen seiner Wohnung und seiner Schule zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Dies gilt selbst dann, wenn man, wie offensichtlich der Antragsgegner, die Mindestent­fernungen für die Obernahme von Schülerbeförderungskosten aus den (Flächen-)Kreisen zugrundelegt. Die einfache kürzeste Strecke beträgt 3,5 Kilometer (so der Vortrag des An­tragstellers) oder 3,78 Kilometer (so der Antragsgegner), also weniger als 4 Kilometer. Die Kammer knüpft insoweit an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung an, wonach sich der Zeitaufwand für Schüler des Sekundarbereichs I für den Schulweg im Rahmen des Zumutba­ren hält, soweit er die Dauer von 60 Minuten je Wegstrecke nicht überschreitet, was gleich­zeitig bedeutet, dass Schüler des Sekundarbereichs I in dieser genannten Zeitspanne einen Schulweg bis zu 4 km Länge zurücklegen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2009, Az. 6 B 78.08 bestätigt OVG Lüneburg, Urteil vom 4. Juni 2008, Az. 2 LB 5/07; Sächsisches OVG, Beschluss vom 16. April 2009, Az. 2 B 305/08; OVG Lüneburg, Urteil vom 5. Januar 2011, Az. 2 LB 318/09 — alle zitiert nach JURIS). Die Kammer sieht hierin auch keine Abweichung von dem Beschluss der 29. Kammer des Sozialgerichts Kiel. Dort ist eine Fahr­radwegstrecke von maximal 30 Minuten Dauer sowie alternativ eine Wegstrecke zu Fuß von maximal 60 Minuten Dauer je Richtung für zulässig erachtet worden.“

Der Beschluss des SG Kiel findet sich im Volltext hier:

SG Kiel, Beschluss vom 05.04.2012, S 40 AS 40/12 ER

Beurteilung der Entscheidung

Entgegen der Darstellung in der Beschlussbegründung verschärft die 40. Kammer die Zumutbarkeitsvoraussetzungen: Hatte die 29. Kammer am SG Kiel im Verfahren S 29 AS 512/11 ER noch entschieden, dass jedenfalls einem „fast Achtzehnjährigen“ auch ein Schulweg von einer Dauer von 60 Minuten je Richtung und damit die Zurücklegung einer Strecke von 4 Kilometern – also insgesamt 8 Kilometer pro Schultag – zumutbar sei, so geht die 40. Kammer nun davon aus, Schülern ab der 5. Klasse – d.h. i.d.R. ab 10 Jahren – sei ein Fuß-Schulweg von 60 Minuten oder 4 Kilometern je Richtung (d.h. 2 Stunden bzw. 8 Kilometer am Tag) zumutbar. Zur Kritik siehe hier.

Das Kernargument der 40. Kammer – keine Besserstellung von grundsicherungsleistungsberechtigten Schülerinnen bzw. Schülern im Hinblick auf die Übernahme von Schülerbeförderungskosten gegenüber denen, die keine Grundsiche­rungsleistungen beziehen – überzeugt schon deswegen nicht, weil Kinder von Eltern aus begüterten Elternhäusern finanziell ohne Probleme in der Lage sind, eine Schülermonatskarte zu bezahlen. Das gesetzgeberische Anliegen, Bildungschancen von Kindern aus einkommensschwachen Haushalten (die ALG II, Kinderzuschlag, Wohngeld usw. beziehen) zu erhöhen, wird durch diese Rechtsprechung konterkariert.

Im Übrigen hat sich die 40. Kammer weder mit den tragenden Erwägungen noch mit der von Antragstellerseite zitierten Rechtsprechung und Kommentarliteratur auseinandergesetzt, so das viele Rechtsfragen des Antragstellers unbeantwortet blieben. Natürlich lässt sich eine Entscheidung unter Außerachtlassung der Gegenargumente sehr viel leichter begründen.

Hinweise für Betroffene

Nach hiesiger Einschätzung muss davon ausgegangen werden, dass auch andere Kammern am Sozialgericht Kiel die Rechtmäßigkeit der Richtlinien der Landeshauptstadt Kiel in Bezug auf die Wegstreckenfestlegungen „halten“ werden. Klagen oder einstweilige Rechtsschutzverfahren, die allein darauf gestützt werden, die Zurücklegung von Schulwegen von 2 bzw. 4 Kilometern (ab der 5. Klasse) zu Fuß oder mit dem Rad seien ihren Kindern nicht zumutbar, dürften – auch vor anderen Kammern am SG Kiel – vermutlich eher wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Einige weitere Beiträge zum Thema:

Geld für den Schulbus i.d.R. bei mehr als 30 Minuten Schulweg!

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. spricht sich gegen Eigenbeteiligung bei den Kosten der Schülerbeförderung aus!

Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel für das Bildungs- und Teilhabepaket veröffentlicht!

TAZ-Nord: Kiel sackt Scheine ein!

Licht und Schatten bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Kiel!

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Geld für den Schulbus i.d.R. bei mehr als 30 Minuten Schulweg!

(c) Günter Havlena / pixelio.de

Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Schulbesuch der nächstgelegenen Schule „auf Schülerbeförderung angewiesen“ sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen auf Antrag erstattet, soweit die Familie ALG II, Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt, Kinderzuschlag, Wohngeld oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält. Voraussetzung ist, dass der Schüler auf eine Schülerbeförderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) „angewiesen“ ist. Es muss dem Schüler mithin objektiv „unzumutbar“ sein, den Schulweg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen.

Landeshauptstadt Kiel: Entfernung entscheidend

Die Regelungen der Landeshauptstadt Kiel orientieren sich bisher zur Bestimmung der „Zumutbarkeit“ an der Entfernung zwischen Wohnung und Schule. Die Zurücklegung des Schulwegs ohne ein Verkehrsmittel soll danach erst dann nicht mehr „zumutbar“ sein, wenn der Schulweg der kürzesten Wegstrecke für Schülerinnen und Schüler bis zur Jahrgangsstufe vier 2 Kilometer und für Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe fünf 4 Kilometer überschreitet.

29. Kammer am SG Kiel: Es kommt auf den Zeitaufwand an

In einer aktuellen Entscheidung hat die 29. Kammer am Sozialgericht Kiel (S 29 AS 512/11 ER) nun die „Unzumutbarkeit“ und damit das „Angewiesensein“ auf öffentliche Verkehrsmittel nach dem Zeitaufwand für den Schulweg bestimmt: Eine „Angewiesenheit“ auf Schülerbeförderung ist danach gegeben, „wenn der Schulweg mit dem Fahrrad unter Berücksichtigung der kürzesten verkehrssicheren Wegstrecke, dem Alter sowie der körperlichen Konstitution der Schülerin oder des Schülers länger als 30 Minuten in Anspruch nehmen würde“. Da ein Schulweg von vier Kilometern mit dem Fahrrad in der Regel innerhalb einer halben Stunde zurückzulegen sein dürfte, nicht jedoch zu Fuß, kommt es nach dieser Rechtsprechung entscheidend darauf an, ob die Schülerin oder der Schüler Rad fahren kann und auch ein Fahrrad besitzt.

Bei älteren Schülern einstündiger Schulweg zumutbar?

Allerdings soll nach Auffassung der Kammer einem „fast Achtzehnjährigen“ auch ein Schulweg von einer Dauer von 60 Minuten je Richtung und damit die Zurücklegung einer Strecke von 4 Kilometern – also insgesamt 8 Kilometer pro Schultag – zumutbar sein. Diese – vom Gericht nicht näher begründete – Rechtsmeinung, mit welcher sich das Gericht zudem in Widerspruch zu seiner gerade zuvor noch aufgestellten These, ein zumutbarer Schulweg müsse auch und gerade unter Berücksichtigung des Alters des Schülers in 30 Minuten zurückgelegt werden können, setzt, vermag nicht zu überzeugen. Ein täglicher Schulweg von 2 Stunden – zurückzulegen zu Fuß gegebenfalls bei Schnee und Regen – ist nicht mehr zumutbar.

Bei einer zeit- und realitätsgerechten Würdigung der aktuellen Gegebenheiten der Schülerbeförderung ist davon auszugehen, dass Schulwege von einer Stunde je Richtung – anders als früher – in der Regel auch von Schülern aus einkommensschwächeren Bevölkerungskreisen nicht mehr zu Fuß bewältigt werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Schulweg nicht nur ein- oder zweimal wöchentlich, sondern an den Schultagen regelmäßig zurückgelegt werden muss. Auf ihrem Schulweg sind die Kinder deshalb in verstärktem Maße Witterungseinflüssen ausgesetzt, ohne dass sie ihnen entgehen könnten, denn der Unterricht beginnt und endet zu festgelegten Zeiten. Die mit der Witterung – gerade in der Winterzeit – als auch die mit dem Fußweg oder der Fahrradfahrt verbundenen Belastungen sind geeignet, sich – neben hiermit einhergehenden gesundheitlichen Gefährdungen – auch negativ auf den schulischen Erfolg der Kinder auszuwirken und damit deren Teilhabechancen am Bildungserfolg zu verringern. Gerade dies zu verhindern ist jedoch der genuine gesetzgeberische Zweck des Bildungs- und Teilhabepaketes (i.E. wie hier SG Detmold, Urteil vom 09.04.2010, S 12 AS 126/07).

Erstveröffentlichung in HEMPELS 2012/02

Einige weitere Beiträge zum Thema:

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. spricht sich gegen Eigenbeteiligung bei den Kosten der Schülerbeförderung aus!

Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel für das Bildungs- und Teilhabepaket veröffentlicht!

TAZ-Nord: Kiel sackt Scheine ein!

Licht und Schatten bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Kiel!

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. spricht sich gegen Eigenbeteiligung bei den Kosten der Schülerbeförderung aus!

Wie bereits an anderer Stelle angemerkt (Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel für das Bildungs- und Teilhabepaket veröffentlicht!), sieht sich die Kieler Regelung zu den Schülerbeförderungskosten, nach welcher eine Eigenbeteiligung zu den Beförderungskosten zwischen 10 € und 15 € aus dem Regelsatz zu bestreiten ist, erheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Diese Bedenken werden nunmehr auch vom Deutschen Verein für öffentlich und private Fürsorge e.V. geteilt. In den ersten Empfehlungen zur Auslegung der neuen Regelungen für die Leistungen zur Bildung und Teilhabe im SGB II und SGB XII sowie im Bundeskindergeldgesetz führt der DV auf Seite 21 im 4. Absatz aus (Volltext als PDF hier):

„Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 erkannt, dass bei der Regelbedarfsbemessung „Abschläge“ nur zulässig sind, wenn sie empirisch begründet sind. Da der Gesamtaufwand für öffentlichen Nahverkehr im Regelbedarf nicht exakt zu bestimmen ist, empfiehlt der Deutsche Verein, einen „Abschlag“ für den Freizeitanteil derzeit nicht zu berücksichtigen.“

Kieler, die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket für die Schülerbeförderung unter Anrechnung eines Eigenbeteiligungsbeitrages erhalten, ist zu raten, gegen ihre Bewilligungsbescheide Widerspruch einzulegen. Rechtsprechung des SG Kiel zu dieser Frage ist hier bisher allerdings nicht bekannt.

Weiterführende Links:

Geld für den Schulbus i.d.R. bei mehr als 30 Minuten Schulweg!

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. spricht sich gegen Eigenbeteiligung bei den Kosten der Schülerbeförderung aus!

Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel für das Bildungs- und Teilhabepaket veröffentlicht!

TAZ-Nord: Kiel sackt Scheine ein!

Licht und Schatten bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Kiel!

Gesetzliche Regelungen:

§ 28 SGB II, § 34 SGB XII, § 6b BKGG

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel für das Bildungs- und Teilhabepaket veröffentlicht!

Für alle Interessierten stelle ich auf dieser Seite die Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel für die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe nach §§ 28, 29 SGB II und §§ 34, 34a SGB XII sowie § 6b BKGG ein. Sie finden sich als PDF hier bzw. rechts in den Kategorien „Jobcenter Kiel“ und „Landeshauptstadt Kiel“ unter „Arbeitshinweise BuT-Paket Kiel“. Zu den „Arbeitshinweisen“ sind einige kritische Anmerkungen geboten.

Eigenbeteiligung zu hoch bemessen

Deutlich zu kritisieren ist die von der Landeshauptstadt Kiel vorgesehene Eigenbeteiligung an den Kosten der Schülerbeförderung, die nun über das Bildungs- und Teilhabepaket übernommen werden. Nach Vorstellung der Stadt Kiel sollen sich Schüler und Schülerinnen bis 17 Jahren mit 10,00 € und Schüler ab 18 Jahren mit 15,00 € an den Monatskarten beteiligen (siehe Seite 10 unter 2.3.7.). Das klingt zunächst nachvollziehbar, denn die Monatskarten lassen sich auch für private Fahrten in der Freizeit benutzen. Zu beachten ist indessen, dass in den Regelsätzen nur sehr geringe sog. Bedarfspositionen für „Verkehr“ vorgesehen sind. Aus §§ 5 ff. des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) folgen nachfolgende Beträge (Abteilung 7: Verkehr):

alleinstehende oder alleinerziehende Leistungsberechtigte

22,78 €

Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres

11,79 €

Kinder von Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

14,00 €

Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

12,62 €

18 bis 25jährige im Haushalt der Eltern (80 % der Verbrauchsausgaben alleinstehender Leistungsberechtigter)

18,22 €

Aus diesen monatlichen Beträgen sind neben sämtlichen Verkehrskosten – also auch den Kosten für Bus- und Bahn bzw. Beteiligung an Benzinkosten für andere Fahrten als Fahrten zur Schule (z.B. Fahrten mir Freunden nach Hamburg etc.) – auch die Anschaffungs- und Reparaturkosten für Fahrräder und deren Zubehör zu bestreiten.

Kinder bis zur Vollendung ihres 14. Lebensjahres müssen nach der „Kieler Regelung“ allerdings bereits fast ihren ganzen Regelbedarfssatz für „Verkehr“ als Eigenanteil zur Monatskarte hinzuzahlen. Geld für Freizeitfahren und Fahrradkosten bleibt Kindern bis 6 Jahren in Höhe von ganzen 1,79 € monatlich, Kindern von 7 bis 14 Jahren in Höhe von nur 4,00 €, Jugendlichen von 15 bis 18 Jahren in Höhe von 2,62 € und Schülern ab 18 Jahren in Höhe von 3,22 €. Das kann nicht richtig sein.

Zwar ist der Ausschuss für Arbeit uns Soziales (BT-Drucks 17/4095 vom 02.12.2010, S. 30) davon ausgegangen, die genannten Verbrauchsausgaben der jeweiligen Referenzgruppen für Verkehr (s. Tabelle) könnten „im Regelfall auf die zu übernehmenden Kosten für Schülermonatsfahrkarte angerechnet werden, wenn diese Karte auch privat nutzbar ist, um soziale Bindungen aufrechtzuerhalten und Freizeitaktivitäten nachzugehen.“

In ihrer schriftlichen Antwort vom 08.08.2011, BT-Drucks. 17/6790 (Seite 25 zu Frage 34) hat die Bundesregierung dann allerdings präzisiert: „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Mobilitätsbedarfe, die nicht im Leistungskatalog eines Schülertickets enthalten sind, aus den im Regelbedarf enthaltenen Verkehrsleistungen gedeckt werden müssen. Dabei ist zu beachten, dass der Betrag für Verkehr in der Abteilung 7 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nicht nur die Kosten für Fahrten mit dem ÖPNV bzw. mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln in Form des Schienenverkehrs beinhaltet, sondern auch den Erwerb alternativer Verkehrsmittel (z. B. Fahrrad) berücksichtigt.“ Mit anderen Worten: Der Anspruch auf Leistungen für die Schülerbeförderung darf auch dann, wenn Leistungen in Höhe der Kosten einer Monatsfahrkarte für den ÖPNV erbracht werden, nicht um den vollen Betrag der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für Verkehr gemindert werden. In Kiel ist dies praktisch der Fall, denn es verbleiben lediglich zwischen 1,79 € und 4,00 € für Mobilität außerhalb des ÖPNV.

Siehe jetzt auch: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. spricht sich gegen Eigenbeteiligung bei den Kosten der Schülerbeförderung aus!

Bei Leistungen nach dem § 6b BKGG sind die Verbrauchsausgaben für Verkehr gemäß § 6 Abs. 1 RBEG indes zwingend anzurechnen, vgl. § 6b Abs. 2 Satz 3 BKGG. Dies dürfte wegen des Wahlrechts gemäß § 12a Satz 2 SGB II verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein (wie hier Klerks, info also 4/2011, S. 147, 153 in Fn. 61 mwN, der das Bundeskindergeldgesetz so konsequent wie fehlerhaft mit BKKG abkürzt und sich im Übrigen für den Regelungsbereich des SGB II dafür ausspricht, die Position „Fremde Verkehrsdienstleistungen“ als  Obergrenze für die Bildung des „Eigenanteils“ zu wählen, die angesichts der gesetzlichen Vorgaben „deutlich unterschritten“ werden müsse).

Schulwege bis zu 4 Kilometern zu Fuß zumutbar?

Nach § 28 Abs. 4 SGB II müssen Schüler auf Schülerbeförderung „angewiesen“ sein. Bestimmte Strecken müssen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Nach den landesrechtlichen Vorschriften zur Übernahme von Schülerbeförderungskosten werden Kosten in der Regel nur ab einer bestimmten Entfernung, gestaffelt nach dem Alter der Schüler, übernommen. Älteren Schülern werden dabei längere Wegstrecken zugemutet als jüngeren Schülern. Vor dem Hintergrund, dass der Schulweg auch bei schlechten Witterungsbedingungen und gegebenenfalls mit einem schweren Schulranzen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden muss, wird ab einer Schulwegstrecke von 3 Kilometern daher überwiegend von einem Anspruch auf Fahrtkostenübernahme gemäß § 28 Abs. 4 SGB II ausgegangen (Lenze in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 28 Rn. 17; Zimmermann in NJ 2011, S. 265 ff. (269) unter Hinweis auf SG Detmold, Urt. v. 9.4.2010, S 12 AS 126/07; VG Braunschweig, Urt. v. 28.2.2008, 6 A 252/06; VG München,
Urt. vom 14.11.2011 – M 3 K 11.670, zitiert nach LSG NRW, Beschluss v. 02.04.2012, L 19 AS 178/12 B). Die Arbeitshinweise der Landeshauptstadt Kiel sehen demgegenüber vor, dass die Zurücklegung des Schulwegs ohne ein Verkehrsmittel erst dann nicht mehr zumutbar ist, wenn der Schulweg in der einfachen Entfernung  für Schülerinnen und Schüler bis zur Jahrgangsstufe vier 2 Kilometer und  für Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe fünf 4 Kilometer überschreitet. Ob diese Festlegung einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird, bleibt abzuwarten.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7


TAZ-Nord: Kiel sackt Scheine ein!

Die hiesige Kritik an der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Kiel, durch die Bildung und Teilhabe auf Leistungen städtischer Anbieter beschränkt und damit die Wahlfreiheit betroffener Familien stark eingeschränkt und vor allem kleine Anbieter von Bildungsleistungen – etwa private Musiklehrer, Studenten, die Nachhilfeunterricht erteilen usw. – von einer Teilnahme an dem Förderprogramm ausgeschlossen werden, hat die TAZ-Nord in dem Artikel „Kiel sackt Scheine ein“ bestätigt.

Thomas Riechert vom Büro der Bürgerbeauftragten formuliert seine Bedenken in der TAZ recht deutlich: „Man hat fast den Eindruck eines Konjunkturprogramms für die eigenen Einrichtungen.“ Dem lässt sich wenig hinzufügen.

Leider ging die Kritik der Opposition im Kieler Rathaus an den Problemen des „Kieler Weges“ vollkommen vorbei. „Copy and paste“ ist eben nicht nur bei der Abfassung von Dissertationen wenig förderlich, sondern empfiehlt sich auch nicht bei der Formulierung von Ratsanträgen. Es besteht dann nämlich die Gefahr, aus Versehen in Kiel die Probleme anderer Städte lösen zu wollen.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7


Bildungspaket im Migrantenforum – Dienstag, 5. Juli, um 17 Uhr!

Vor der Sommerpause trifft sich das Kieler Forum für Migrantinnen und Migranten noch einmal am Dienstag, 5. Juli, um 17 Uhr im Magistratssaal des Rathauses. Im Mittelpunkt der Sitzung steht das Bildungs- und Teilhabepaket. Laut aktuellen Medienberichten werden die Unterstützungsangebote für Familien mit Kindern nicht in dem Maße genutzt, wie es sinnvoll und wünschenswert wäre. Dies trifft auch auf Migrantenfamilien zu, bei denen der Zugang zu Informationen noch schwieriger sein kann oder Unsicherheiten bei der Beantragung die Hürden vergrößern. Caprice Sturm aus dem städtischen Sozialdezernat informiert im Forum unter anderem darüber, um welche Leistungen es geht, wer sie erhalten kann und wo und wie sie zu beantragen sind. Interessierte Gäste sind zur Sitzung herzlich eingeladen. Nach der Sommerpause trifft sich das Forum wieder am 6. September.

Weitere Informationen zum Forum gibt es im Internet unter http://www.migranten-forum-kiel.de oder bei der Geschäftsführung im Referat für Migration, Telefon 901-2433, E-Mail referat-migration@kiel.de.

Für den Terminkalender:

Dienstag, 5. Juli

Kieler Forum für Migrantinnen und Migranten: 17 Uhr Sitzung mit Schwerpunkt Bildungs- und Teilhabepaket; Magistratssaal des Rathauses, Fleethörn 9.

Quelle: Pressedienst der Landeshauptstadt Kiel


Licht und Schatten bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Kiel!

Am 29.03.2011 ist rückwirkend zum 01.01.2011 das „Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII“ in Kraft getreten. In dem neu in das Gesetz eingefügten § 28 SGB II wurden die Sonderbedarfe für Bildung und Teilhabe geregelt. Die Verantwortung für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes in Kiel liegt bei der Landeshauptstadt Kiel (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II).

Wie die Umsetzung in Kiel erfolgt bzw. erfolgen soll, hat der zuständige Stadtrat in einer Geschäftlichen Mitteilung vom 17.06.2011 dargelegt, die sich im Volltext hier finden lässt und nachfolgend auszugsweise wiedergegeben werden soll:

„Grundsätzlich werden die Anspruchsberechtigten durch ihren jeweiligen Sozialleistungsträger zu den Leistungen der Bildung und Teilhabe beraten. Darüber hinaus sind die Informationen zum Bildungs- und Teilhabepaket im Internet unter www.kiel.deabrufbar. Dort sind auch der Antrag, ein Hinweisblatt zum Bildungs- und Teilhabepaket und grafische Darstellungen für die verschiedenen Anspruchsgruppen hinterlegt. In der Landeshauptstadt Kiel kann bei der Umsetzung der Leistungsansprüche des Bildungs- und Teilhabepaketes auf gut ausgebaute, bereits vorhandene Netzwerke zurückgegriffen werden. Für die Mitgliedschaft in einem Sportverein können sich die Familien in Anknüpfung an das bereits erfolgreich laufende Projekt „Kids in die Clubs“ mit ihrem Gutschein beim Amt für Sportförderung melden. Die Einlösung der Gutscheine für alle kulturellen Aktivitäten kann bei der Volkshochschule Kiel und für den Musikunterricht bei der Musikschule Kiel erfolgen. Die Volkshochschule organisiert die Lernförderung in Kleingruppen bis zu drei Kindern und Jugendlichen und übernimmt dann auch die Abrechnung. Hierfür kooperiert sie mit Einrichtungen in den Stadtteilen, mit dem Ziel, die Lernförderung dezentral in den Stadtteilen zu verorten. Es sollen keine weiten Wege für die Kinder und Jugendlichen entstehen.Darüber hinaus können die Leistungen auch bei anderen geeigneten Anbietern in Anspruch genommen werden. Hierfür werden Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern abgeschlossen werden, welche auch Regelungen zur Qualität und dem Kinderschutz beinhalten. Für Leistungsanbieter, die am Gutscheinverfahren teilnehmen wollen, wurde im Internet eine Interessensbekundung (Anlage 2) hinterlegt, die ausgefüllt an das Amt für Schule, Kinder- und Jugendeinrichtungen gesendet werden kann.Das Amt für Schule, Kinder- und Jugendeinrichtungen ist verantwortlich für den Abschluss der Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern, die Administration sowie die Abwicklung des Abrechnungsverfahrens. Das Abrechnungssystem wird derzeit noch entwickelt. In den ersten Monaten wird eine Abrechnung ohne spezielle Software durchgeführt werden müssen. Mit den betreffenden Leistungserbringern wurden und werden sukzessive Gespräche aufgenommen, um die Verfahrenswege zur Abrechnung der Leistungen zu vereinbaren. Vielfach kann dabei auf bereits vorhandene Strukturen und Erfahrungen zurückgegriffen werden. Es ist weiterhin geplant, ein Chipkartensystem einzuführen, um u. a. rationellere Verfahrensabläufe zu erreichen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine Werbekampagne für das Bildungs- und Teilhabepaket initiiert und stellt hierfür verschiedene Materialien zur Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Die Landeshauptstadt Kiel hat diese Initiative aufgegriffen und Materialien bestellt. Außerdem wurden die entsprechenden Mittlergruppen der Anspruchsberechtigten, wie beispielsweise die Schulleitungen und Kindertageseinrichtungen, über die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets informiert. Im Laufe des Juni werden Informationsveranstaltungen bei den Leitungskräften der städtischen Jugend- und Mädchentreffs, in der AG nach § 78 SGB VIII „Kindertagesbetreuung in Kiel“ und Offene Jugendarbeit“ im Amt für Schule, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie auf der Stadtteilkonferenz Gaarden folgen.“

Als positive Aspekt der Umsetzung können gelten:

• Die Stadt Kiel konnte das Bildungs- und Teilhabepaket verhältnismäßig schnell und verhältnismäßig unbürokratisch umsetzen.

• Durch den Rückgriff auf bereits vorhandene Strukturen (Volkshochschule Kiel, Musikschule Kiel, Projekt „Kids in die Clubs“) erübrigt sich bei diesen Anbietern eine Qualitätsprüfung.

• Durch eine weitgehende Beschränkung der Bildungs- und Teilhabeleistungen auf „Inhouse-Produkte“ der Stadt Kiel selbst (Volkshochschule Kiel „für alle kulturellen Aktivitäten“, Musikschule Kiel) leitet die Stadt Kiel Bundesleistungen in die eigenen Kassen um. Dies wird auch recht deutlich formuliert (Geschäftliche Mitteilung, Seite 6):

„Positive Auswirkungen auf den Haushalt werden zum Beispiel durch die Refinanzierung der Mittagessenskosten bei der Kindertagesbetreuung oder bei der Volkshochschule aufgrund höherer Entgeltseinnahmen für die Lernförderung erwartet.“

Damit indessen ist bereits der Übergang zu den kritischen Anmerkungen vollzogen:

• Die Fokussierung auf Angebote der Stadt Kiel selbst reduziert das Bildungs- und Teilhabeangebot erheblich.

• Die Wahlfreiheit der Familien wird stark begrenzt.

• Es liegt die Vermutung nahe, dass fiskalische Motive bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaktes keine gänzlich untergeordnete Rolle gespielt haben dürften. Dies mag den Steuerzahler freuen, sollte aber nicht im Fokus der Umsetzung von Bildungspaketen stehen.

• Nachhilfeunterricht wird vielfach erfolgreich von Kleinstanbietern wie Studenten oder Lehrern, die privat Nachhilfestunden geben, erbracht. Diese können gegenüber der Stadt zwar eine „Interessenbekundung“ (schon die Formulierung schmeckt nach Bittstellerei!) abgeben, unklar bleibt indes, nach welchen Kriterien etwaigen „Interessenbekundungen“ stattgegeben werden soll. Es dürfte zudem auf der Hand liegen, dass ein Student oder Lehrer kaum mit der Stadt Kiel eine Vereinbarung über die „Abwicklung des Abrechnungsverfahrens“ schließen oder die technischen Voraussetzungen für ein „Chipkartensystem“ zu schaffen in der Lage sein wird.

• Bedauerlich ist, dass auch viele sich bereits jetzt abzeichnende Problemfelder nicht antizipiert worden sind. Zu nennen sind etwa folgende Konstellationen, die bereits in der anwaltlichen Praxis zu erörtern waren:

– Ein Kind ist bereits Mitglied in einem Sportverein, der nicht in der Liste der Landeshauptstadt Kiel geführt wird (Sportverein aus einer Nachbargemeinde).

– Ein Kind erhält bereits Musikunterricht, aber nicht an der Musikschule Kiel.

– Ein Kind bekommt bereits von einem Studenten privat Nachhilfeunterricht und eine „Abrechnungsvereinbarung“ kommt aus den o.g. Gründen nicht in Betracht.

Ist in diesen Fällen eine Förderung möglich?

Offene Fragen, bei denen man sich Konkretisierungen gewünscht hätte, bestehen auch bei der Schülerbeförderung (§ 28 Abs. 4 SGB II n.F.):

• Was ist, wenn die gewählte Schule nicht die „nächstgelegene“ Schule ist?

– Werden keine Kosten übernommen?

– Werden nur die fiktiven Kosten zu „nächstgelegenen“ Schule übernommen?

• Schule des „gewählten Bildungsganges“: Was ist der „gewählte Abschluss“ bei einer Gesamtschule? (OVG Thüringen, Urt. v. 10.3.2009 – 1 KO 207/08: Entscheidend sei, ob Regelschule näher; sehr zw.)

• Wann ist ein Schüler auf Schülerbeförderung „angewiesen“?

– Überwiegende Rspr.: Ab Klasse 5 sind bis zu 3 Kilometer Fußweg zumutbar. Ausnahme: Besonders gefährlicher Schulweg! Übliche Risiken des Straßenverkehrs reichen nicht aus, es muss ein „überdurchschnittlich hohes Schadensrisiko“ bestehen (etwa VG Braunschweig, Urt. v. 28.2.2008 – 6 A 252/06 -).

• Wann kann es Schülern „zugemutet werden, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten“?

– Landeshauptstadt Kiel: Es ist grundsätzlich ein Eigenanteil zu zahlen, der in seiner Höhe dem Betrag der Bedarfsposition für „Verkehr“ im Regelsatz entspricht! Diese Regelung ist nicht nachvollziehbar, denn Kosten für Teilnahme am Verkehr entstehen nicht nur für den Schulweg. Für sonstige Teilnahme am Verkehr bleibt nach der Logik der Stadt Kiel kein Geld mehr.

Dieser Beitrag mag einen ersten knappen Überblick über einige Unzulänglichkeiten der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaktes in Kiel geben. Es dürfte deutlich geworden sein: Die Probleme sind in Kiel an anderer Stelle zu verorten als bei etwa fehlenden „verbindlichen Qualitäts- und Vereinbarungsrichtlinien für die Anbieter von Bildungs- und Teilhabeleistungen“ (dazu hier mehr).

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Kieler Ratsversammlung „diskutiert“ die Umsetzung des Bildungspaketes in Kiel!

Der Stadtrat „diskutiert“ die Umsetzung des Bildungspaketes in Kiel. Eigentlich ein wichtiges Thema, bei dem es einiges zu loben, aber auch einiges kritisch anzumerken gäbe. Leider verpasst die Ratsversammlung – und da ist keine Fraktion auszunehmen – diese Chance: Die antragstellende Fraktion scheint thematisch wenig vorbereitet. Der Rest ist politisches Fingerhaken und eine Ansammlung von Ungeschicktheiten. Letztere verhinderten dann offensichtlich auch noch die Überweisung des Antrages in den Sozialausschuss. Unangenehm fallen im Übrigen die schlechten Umgangsformen der Ratsleute untereinander auf (Ausnahme: Ratsherr Schmalz). Man wundert sich kaum, dass das Interesse der Kieler an Kommunalpolitik zusehends im Schwinden begriffen ist. Zu sehen ist das Trauerspiel hier (Video 26).

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7