Hartz IV: Nicht mehr als drei Sanktionen nach Meldepflichtsverletzungen

Bundessozialgericht in Kassel

Bundessozialgericht in Kassel

Nach drei aufeinander folgenden gleichlautenden Meldeaufforderungen mit demselben Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins darf ein Jobcenter keine weiteren Sanktionen aussprechen. Die auf weiteren Meldeaufforderungen beruhenden Bescheide über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung sind rechtswidrig, entschied das BSG in einem aktuellen Urteil.

Das beklagte Jobcenter hatte die Klägerin in sieben Meldeaufforderungen innerhalb von acht Wochen zu Besprechungen ihres Bewerberangebots bzw. ihrer beruflichen Situation in seine Dienststelle eingeladen, denen die Klägerin nicht gefolgt war. Das Jobcenter stellte daraufhin sieben Meldepflichtsverstöße fest und senkte die Regelleistungen für jeden Meldepflichtsverstoß um 10 % der maßgeblichen Regelleistungen ab.

Rechtswidrig, entschied nun das BSG. Auch wenn eine solche „Einladungsdichte“ nicht grundsätzlich rechtswidrig sei, so sei doch zu beachten, dass eine Meldeaufforderung und ihre Ausgestaltung im Ermessen des Jobcenters stünden. Mit den Meldeaufforderungen müsse das Jobcenter das Ziel verfolgen, die eingeladene Person bei ihrer Eingliederung in das Erwerbsleben zu unterstützen. Diesem Ziel würden sieben gleichlautende Meldeaufforderungen indes nicht gerecht. Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit demselben Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte das Jobcenter nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Die auf diesen weiteren Meldeaufforderungen beruhenden Sanktionsentscheidungen seien deswegen rechtswidrig.

BSG, Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R (Terminbericht)

Erstveröffentlichung in HEMPELS 07/2015

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


One Comment on “Hartz IV: Nicht mehr als drei Sanktionen nach Meldepflichtsverletzungen”

  1. Willy Voigt sagt:

    Eine Besprechung dieses BSG-Urteils auf der Basis der Pressemitteilung, die vollständige Entscheidung liegt noch nicht vor, ist in der SoSi plus (Rechtsprechungsdienst Soziale Sicherheit) 7/2015 Seite 5 f. mit dem Titel „Kettensanktionen ohne erneute Prüfung sind unzulässig.“ zu lesen.
    „Das Jobcenter begeht einen Ermessensfehler, wenn es nach drei Meldeversäumnissen und sanktionsweisen Kürzungen der Regelleistung die Situation des Betroffenen nicht neu überprüft, sondern stattdessen die »Einladungen« und Kürzungen fortsetzt.“

    Zum Schluss steht als Hinweis für die Praxis (auf Seite 6):

    Zitat:
    „Der kurze Hinweis des BSG in der Pressemitteilung – die vollständigen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor – liest sich wie eine vorweggenommene Antwort auf den Vorlagebeschluss des SG Gotha vom 26.05.2015, Az.: S 15 AS 5157/14. Das SG Gotha geht auf die Position des 14. Senats des BSG, die immerhin drei Wochen vor Verkündung des Vorlageschlusses in Form einer Pressemitteilung vorlag, nicht ein. Die von den Kasseler Bundesrichtern hervorgehobene Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Grundsicherung für erwerbsfähige Menschen kommt in dem Vorlagebeschluss aus Gotha nur ganz beiläufig vor. Es spricht indessen alles dafür, dass sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Sanktionensystems des SGB II genau daran entscheidet, wie weit der Gesetzgeber die Grundsicherung für Menschen, die arbeiten können und eine nach allen denkbaren Maßstäben zumutbare, nicht ausbeuterische oder gesundheitsschädliche Arbeit aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen, letztlich auf Sachleistungen zur Sicherung des Überlebens (§ 31a Abs. 3 SGB II) absenken darf. Das BSG hat sich – jedenfalls für Kürzungen um 30 % der Regelleistung – klar positioniert.“


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