Alleinerziehende: Leistungen für die Unterkunft wie Alleinstehende
Veröffentlicht: 1. Juli 2018 Abgelegt unter: Alleinerziehende, Kosten der Unterkunft 8 Kommentare
Bundessozialgericht in Kassel
In einem aktuellen Urteil hat das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt, dass alleinerziehende Eltern im ALG II-Bezug, deren Kinder aufgrund von eigenem bedarfsdeckenden Einkommen nicht hilfebedürftig sind, einen Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft für eine Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft (in Kiel derzeit: 361 € bruttokalt) haben.
Bei alleinerziehenden Eltern im ALG II-Bezug kann es vorkommen, dass die Kinder aufgrund von eigenen Einkünften wie etwa Unterhalt, Kindergeld und Kinderwohngeld keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) haben. In diesem Fall bilden die Kinder mit ihrem Elternteil, bei dem sie leben, keine so genannte „Bedarfsgemeinschaft“ (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Dies wiederum hat zur Folge, dass das Jobcenter Leistungen für die Unterkunft nur dem alleinerziehenden Elternteil erbringt und sich folglich die Angemessenheitsgrenze an der Mietobergrenze für einen Ein-Personen-Haushalt zu orientieren hat. Bei einer alleinerziehenden Mutter sind in Kiel deswegen für die Mutter bis zu 361 € bruttokalt anstatt lediglich die Hälfte der Mietobergrenze für eine Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 411,00 € bruttokalt (also 205,50 € bruttokalt) anzuerkennen. Dem Argument der Vorinstanz, die Einkommensverhältnisse des Kindes könnten sich jederzeit ändern und die tatsächlichen Wohnverhältnisse entsprächen nicht zwei Ein-Personenhaushalten, ist das BSG nicht gefolgt.
(BSG, Urteil vom 25.04.2018, B 14 AS 14/17 R; so schon SG Kiel, Beschlüsse vom 11.08.2016, S 43 AS 185/16 ER und 30.11.2016, S 39 AS 289/16 ER, siehe Hempels 2/2017)
Erstveröffentlichung in HEMPELS 06/2018
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
Hallo Herr Hildebrandt,
klingt ja erstmal positiv. Doch dann ergaben sich doch mehrere Fragen.
1. Wie wird denn jetzt der Bedarf des Kindes berechnet? Welche KdU werden dem Kind zugerechnet?
2. Kann es nicht bei geringerem Bedarf des Kindes zu dem Effekt kommen, dass mehr nicht benötigtes Kindergeld dem Elternteil als Einkommen angerechnet wird?
3. Ab welcher Wohnungsgröße bzw. Miethöhe ist die MOG überschritten?
Könnte es sein, dass sich im Endeffekt gar nichts ändert, nur der Abrechnungsmodus?
Mit bestem Gruß
I. Bittner
Zu 1) Mutter und Kind haben steht jeweils die MOG für eine Person zu.
Zu 2) Nein, denn der (anerkannte) Bedarf auch des Kindes steigt bei (bisherigen) Mietzuzahlern ja.
Zu 3) Bei Mutter und nicht SGB II-hilfebedürftigem Kind gilt eine MOG in Höhe der MOG für eine Person mal zwei.
Was ist aber, wenn bei dem Kind die höheren KdU als Bedarf anerkannt werden und es damit wieder hilfebedürftig werden würde??? Begründet es dann eine eigene BG oder würde es aufgrund der wieder eintretenden BG wieder zur Mutter gehören? Was im Umkehrschluss ergeben müsste, dass wieder die MOG für einen 2-Personen-Haushalt zu berücksichtigen wären????
Viele Grüße
MP
Der Bedarf des Kindes, welches seinen Unterhalt selbst decken kann, dürfte sich aus dessen Regelbedarf und seinem Mietanteil, berechnet anhand der Höhe der tatsächlichen Mietkosten, zusammensetzen (so jedenfalls SH LSG, Beschluss vom 4. Juli 2018, L 6 AS 105/18 B ER, von mir noch nicht veröffentlicht). D.h. das Kind fällt von vornherein nur aus der BG, wenn es seinen Anteil an der tatsächlichen Miete aus eigenen Einkünften decken kann. Beispiel aus der zitierten Entscheidung: 4-Personen BG, ein Kind kann 1/4 der tatsächlichen KdU aus eigenen Einkünften decken, die drei anderen Familienmitglieder, die eine BG bilden, haben einen Anspruch auf jeweils 1/3 der MOG für eine Drei-Personen-BG.
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist dies nur anwendbar, wenn der Mietzins die Angemessenheitsgrenze überschreitet und eine Aufforderung zur Kostensenkung vorliegt??? Mein Kind kann seinen Bedarf nämlich auch selber decken aber da wir Wohnraum mit angemessener Miete bewohnen, wird hier nur der tatsächliche Mietzins zu Grunde gelegt und und das Kopfanteil-Prinzip angewendet. Bitte korrigieren Sie mich, falls ich mich irren sollte.
Richtig, die Urteile sind nur für diejenigen Eltern interessant, bei denen die Miete nicht voll anerkannt wird, weil – etwa bei Mutter und Kind – die Miete über der MOG für einen Zweipersonenhaushalt liegt.
Eine verspätete Frage hierzu … wie ist das dann bei Familien mit beiden Eltern, wenn ein Teil der Kinder ihren Bedarf selbst decken – gilt dann das selbe Prinzip?
M.E. haben die Kinder dann einen Anspruch auf Unterkunftskosten wie alleinstehende Personen. Denn die Kinder bilden dann mit ihren Eltern keine sog. Bedarfsgemeinschaft mehr (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Hier kann nichts anderes gelten als bei Alleinstehenden mit einem Kind, das nicht hilfebedürftig nach dem SGB II ist.
Das würde bei einem Ehepaar mit zwei nicht hilfebedürftigen Kindern also bedeuten:
Eltern: MOG für zwei Personen
Kind 1: MOG für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten
Kind 2: MOG für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten
Die MOG-Beträge wären zu addieren.
Die Kinder müssten ihre jeweiligen Viertel an den KdU selbst zahlen, die Eltern würden 1/2 der (ggf. recht hohen) Miete als KdU nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten.