Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten: „Es braucht gerade für die Sozialgerichte Nähe, nicht Entfernung!“
Veröffentlicht: 27. September 2024 Abgelegt unter: Landtag, Sozialgerichte 3 KommentareDas Justizministerium Schleswig-Holsteins erklärte Anfang der Woche, u.a. alle Sozial- und Arbeitsgerichte zentral an einem Ort im Land bündeln zu wollen. Begründet wurde dies mit vermeintlichen Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsvorteilen. „Diese Zusammenführung der Gerichte ist absolut kontraproduktiv und kann zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen. Das gesamtgesellschaftlich schwindende Vertrauen der Bürgerinnen in einen gut funktionierenden Staat ist essenziell und darf nicht auf die Probe gestellt werden“, moniert Samiah El Samadoni, die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein.
„Die Mitteilung, dass in Schleswig-Holstein verschiedene Fachgerichte, und insbesondere die Sozialgerichte, an einem einzelnen Standort im Land zentriert werden sollen, ist in meinen Augen absurd und macht mich fassungslos“, erklärt El Samadoni. Aus ihrer täglichen Praxis weiß sie, wie wichtig es ist, dass die Bürgerinnen diese Fachgerichte in Wohnortnähe haben. „Damit die Sozialgerichte für Bürger*innen niedrigschwellig und persönlich erreichbar sind, gibt es dort gerade keinen sog. ‚Anwaltszwang‘. Durch die weite Anreise wird für viele Menschen aber eine unüberwindbare Hürde geschaffen“, mahnt sie. „Eine funktionierende Sozialverwaltung und auch die Sozialgerichtsbarkeit sichern den gesellschaftlichen Frieden. Eine Konzentration der Fachgerichte an einem Standort im Land würde die Bürgernähe gänzlich aufheben und damit für Entfremdung und Vertrauensverlust sorgen. So würde der Rechtsschutz gegen ablehnende Verwaltungsentscheidungen insbesondere in den kritischen sozialrechtlichen Themen deutlich erschwert.“
Darüber hinaus müsse sehr viel Geld investiert werden, um zunächst neue Gerichtsgebäude entsprechender Größe und mit notwendiger Ausstattung zu errichten, reflektiert El Samadoni. Auch der zeitliche und finanzielle Aufwand sämtlicher Arbeitskräfte bei den Gerichten werde zunächst steigen. „Die von der Landesregierung angestrebte Einsparung muss auch überhaupt erst noch belegt werden“, schließt die Bürgerbeauftragte.
Pressemitteilung Nr. 21 / 27.09.2024



Vorab-Zitat des schleswig-holsteinischen Richterbund in S.-H. Zur Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitsgerichte an einen Ort in S.-H:
„Justizhaushalt“: Mehr Gutsherrenart geht nicht“
https://www.richterverband-sh.de/positionen/pressemeldungen/nachricht/news/pressemitteilung-20-ii-1-1-1-2-1-1-1-1-1-1-1-2-1
Ich las davon gestern erstmals auf KN-Online. Das macht einen völlig fassungslos. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als das SG Schleswig für Klagen und Eilanträge von Kieler Leistungsbeziehern nach dem SGB II zuständig war (ich meine, das war bis 2009 der Fall). Da habe ich meine Mandanten im Auto mit nach Schleswig genommen, weil die andernfalls dort gar nicht hingekommen wären. Auch das SG Schleswig erkannte wohl das Problem – so berichteten mir seinerzeit Kollegen – und verhandelte Verfahren gebündelt in Gerichtssälen in Kiel. Und nun der konservative Rollback einer offenbar auch hier fachlich überforderten Justizministerin mit einer Vorliebe für eigenartige Staatssekretäre (https://www.kn-online.de/schleswig-holstein/staatssekretaer-otto-carstens-aus-sh-universitaet-erkennt-doktortitel-ab-3HW6XKEJHREG5P3LV45AW62SFM.html).
Übrigens ist das auch wirtschaftlich (ökologisch ist es die Fahrerei ohnehin) völlig unsinnig, denn die Reisekosten des Anwalts, etwaiger Zeugen und auch der Kläger wird bei PKH-Bewilligung oder im Fall des Obsiegens auf die eine oder andere Weiser der Steuerzahler zu tragen haben. Aber gut, ökonomischen Sachverstand sucht man bei dieser Landesregierung schon lange vergebens. Gaby Schäfer singt so regelmäßig wie vergeblich ein Lied davon. Traurige Zustände.
Siehe auch die Kieler Nachrichten zum Thema: https://www.kn-online.de/schleswig-holstein/regierung-will-mehrere-amtsgerichte-in-schleswig-holstein-schliessen-JPOXBV6OHBEVLJVUZNSIGYNJ2Y.html
Und die taz: https://taz.de/Schleswig-Holstein-konzentriert-Gerichte/!6035664/