Bürgergeld: Erbschaften werden nicht mehr als Einkommen angerechnet

Bisher galt bei ALG II bzw. jetzt Bürgergeld eine einfache Regelung: Vermögen ist das, was jemand zu Beginn seines Leistungsbezuges bereits hat und Einkommen das, was während des Leistungsbezuges dazukommt. Wer also während seines Leistungsbezuges etwas erbte, erzielte Einkommen. Dieses Einkommen aus Erbschaft wurde bis zum 30.06.2023 als einmalige Einnahme auf 6 Monate verteilt auf den Leistungsanspruch angerechnet, wenn bei der Anrechnung im Zuflussmonat aufgrund der Höhe der Erbschaft der Leistungsanspruch ganz entfallen wäre.

Ab 01.07.2023 heißt es nun in § 11a Abs. 1 Nr. 7 SGB II: „Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind (…) Erbschaften.“ Damit gelten zukünftig auch Erbschaften, die während des Leistungsbezuges anfallen, als Vermögen. Für Vermögen gilt im ALG II bzw. jetzt Bürgergeld: Vermögen innerhalb der Vermögensfreigrenzen wirkt sich auf den Leistungsanspruch gar nicht aus. Liegt das Vermögen über dem Freibetrag, schließt dieses den Leistungsanspruch ganz aus.

Die Vermögensfreigrenzen liegen seit dem 01.01.2023 bei 15.000 € für jede Person innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft (§ 12 Abs. 2 SGB II) und innerhalb des ersten Jahres des Leistungsbezuges bei 40.000 € sowie 15.000 € für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft (§ 12 Abs. 3 und 4 SGB II). Innerhalb dieser Freigrenzen wirkt sich eine Erbschaft zukünftig auf den Leistungsanspruch nicht mehr aus. Überschreitet eine Erbschaft den Vermögensfreibetrag, entfällt der Leistungsanspruch ganz, bis so viel von der Erbschaft aufgebraucht ist, dass die Freibetragsgrenzen unterschritten werden. Ab diesem Zeitpunkt besteht wieder ein Bürgergeldanspruch.

Erstveröffentlichung in HEMPELS 10/2023

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Grundsicherung und Bürgergeld: Volle Miete bis Ende 2023 bei Leistungsbezug schon vor 2023

Für Bezieher von Bürgergeld nach dem SGB II und Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII gilt seit dem 01.01.2023: Wer diese Leistungen ab dem 01.01.2023 neu beantragt hat, erhält ab dem Monat der erstmaligen Antragstellung ein Jahr lang Leistungen für seine Unterkunft in Höhe der vollen Miete. Das regeln § 22 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB II für das Bürgergeld und § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Nach Ablauf der Karenzzeit wird die volle Miete noch so lange anerkannt, wie es den Betroffenen nicht möglich oder zuzumuten ist, ihre Unterkunftskosten durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. 

Welche Regelungen aber gelten für all jene Leistungsbezieher, die bereits vor dem 01.01.2023 Sozialleistungen bezogen haben? Einige Sozialleistungsträger – wie etwa die Landeshauptstadt Kiel – glauben, die Karenzzeit gelte nur für diejenigen, die ab dem 01.01.2023 erstmals Leistungen beantragt haben und fordern deswegen alle anderen Leistungsberechtigten mit zu hoher Miete zur Mietsenkung auf. Das ist rechtswidrig, wie ein Blick in das Gesetz zeigt: Nach § 65 Abs. 3 SGB II bzw. § 140 Abs. 1 SGB XII beginnt für diese Personengruppe die Karenzzeit von einem Jahr am 01.01.2023 und endet folglich am 31.12.2023. Die Karenzzeit gilt in diesen Fällen lediglich dann nicht, wenn vor dem 01.01.2023 die Kosten der Unterkunft bereits auf die angemessenen Kosten abgesenkt wurden. Die Unterkunftskosten sind dann weiterhin nur in der angemessenen Höhe zu übernehmen, § 65 Abs. 6 SGB II bzw. § 140 Abs. 2 SGB XII. 

Erstveröffentlichung in HEMPELS 9/2023

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Referentenentwurf zum Bürgergeld veröffentlicht

Am 09.08.2022 wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) der Referentenentwurf zum neuen Bürgergeld veröffentlicht, das zum 01.01.2023 in Kraft treten soll. Eine Synopse, in der die alte Fassung des Gesetzes und die geplanten Änderungen nebeneinander dargestellt werden, findet sich hier.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Eckpfeiler für das neue Bürgergeld ab Januar 2023

I. Neues Miteinander, neue Chancen auf Arbeit

  • Gemeinsam vereinbaren Arbeitssuchende und Jobcenter einen Kooperationsplan für den individuellen Weg in Arbeit.
  • Grundlage der Zusammenarbeit soll Vertrauen sein. In den ersten sechs Monaten, der sogenannten Vertrauenszeit, können deshalb künftig keine Leistungen mehr gemindert werden. Weiterbildung und der Erwerb eines Berufsabschlusses stehen im Vordergrund. Der sogenannte Vermittlungsvorrang wird daher abgeschafft.
  • Für Weiterbildungen werden ein zusätzlicher finanzieller Ausgleich und neue Angebote geschaffen. Wer etwa einen Berufsabschluss nachholt, kann künftig statt bisher zwei dann für bis zu drei Jahre gefördert werden.
  • Der Soziale Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II) wird fortgeführt: Jobcenter können weiterhin sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse fördern, um Menschen nach besonders langer Arbeitslosigkeit zu aktivieren.
  • Menschen, denen es besonders schwerfällt, eine Arbeit zu finden oder aufzunehmen, können durch professionelles Coaching unterstützt werden.

II. Mehr Sicherheit, mehr Respekt für Lebensleistung

  • Vermögen und Angemessenheit der Wohnung werden erst nach 24 Monaten Bürgergeldbezug überprüft.
  • Nach Ablauf der 24 Monate (Karenzzeit) ist ein höheres Schonvermögen als bisher vorgesehen. Rücklagen für die Altersvorsorge werden ebenfalls besser geschützt.
  • Für Auszubildende, Schüler*innen und Studierende, die Bürgergeld beziehen, gelten höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung oder den Nebenjob.

III. Regelsätze und Sanktionen

  • Die Regelsätze sollen zum 1. Januar 2023 angemessen und deutlich steigen. Einzelheiten werden im Gesetzentwurf ergänzt, sobald die erforderlichen Berechnungen abgeschlossen sind.
  • Die Vorgaben für Leistungsminderungen (sogenannte Sanktionen) werden auf Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 neu geregelt.
  • Für Rückforderungen zu viel ausgezahlter Beträge gilt künftig eine Bagatellgrenze.

Die Bürgergeld-Reform startet in der nächsten Zeit mit einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Nach der sogenannten Ressortabstimmung (Prüfung seitens aller beteiligten Bundesministerien) und einem anschließenden Kabinettsbeschluss wird das Bürgergeldgesetz von Bundestag und Bundesrat beraten und beschlossen.

Quelle: https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2022/das-neue-buergergeld-mehr-respekt-und-sicherheit-weniger-buerokratie.html