Hartz IV: Anspruch auf außerschulische Lerntherapie bei Dyskalkulie

Das Sozialgericht Schleswig hat mit Beschluss vom 11.12.2013 (S 22 AS 177/13 ER) einem 9jährigen Schüler mit festgestellter Dyskalkulie Leistungen für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II zugesprochen. Auch die Kosten einer nicht nur vorübergehenden Lerntherapie sind demzufolge nach dem Bildungs- und Teilhabepaket übernahmefähig. Das Gericht hat hierzu ausgeführt:

„Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Sache ist eilbedürftig, da die Gefahr besteht, dass der Antragsteller das Klassenziel nicht erreicht. Die Tatsache, dass eine automatische Versetzung in die nächsthöhere Jahrgangsstufe erfolgt,  steht dem nicht entgegen, da die Diskrepanz zwischen den geforderten und den vom Antragsteller tatsächlich erbrachten Leistungen ohne entsprechende Lernunterstützung durch den nicht therapiebegleitet erfolgenden Wechsel in die nächsthöhere Klasse nur noch weiter wachsen wird. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass bei ihm eine Dyskalkulie besteht, wodurch für ihn der mathematische Lernvorgang erheblich erschwert wird. Laut psychodiagnostischem Befundbericht der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und – psychotherapie des HELIOS Klinikum Schleswig vom 17. Oktober 2013 bedarf der Antragsteller zur Verbesserung seiner Rechenfertigkeiten der besonderen individuellen Förderung. Eilbedürftigkeit besteht auch deshalb, weil sich die bei dem Antragsteller bestehende schulische Situation bereits so auswirkt, dass er z.B. bei Mathearbeiten unter Bauchschmerzen leidet. (…)

Die Lernförderung ist geeignet und erforderlich im Sinne des § 28 Abs. 5 SGB II, da schulische Angebote nach der Einschätzung des Gerichts nicht ausreichen, dem Antragsteller die Chance zu vermitteln, das Lernziel der dritten Klasse zu erreichen. Hierfür reicht der reguläre Förderunterricht nicht aus. Es bedarf vielmehr hier einer Lernförderung durch Übernahme der Kosten für außerschulische Lerntherapie im Bereich der Dyskalkulie. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die von der Therapeutin Frau H. angebotene Lerntherapie mit Hilfe der Kieler Zahlenbilder Wege zur Behandlung der Dyskalkulie und damit für den Antragsteller die Chance eröffnet, wieder Anschluss an den schulischen Mathematikunterricht zu bekommen.

Der Eignung und Erforderlichkeit der Lernförderung steht hier nicht entgegen, dass der Förderbedarf des Antragstellers nicht nur vorübergehend besteht. Zwar soll nach der Gesetzesbegründung Lernförderung in der Regel nur kurzfristig notwendig sein, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. In Ausnahmefällen kann jedoch eine nur vorübergehende Lernschwäche zumindest auch dann angenommen werden, wenn der Förderbedarf das gesamte Schuljahr oder darüber hinaus besteht (so jedenfalls das Sozialgericht Itzehoe, Beschluss vom 3. April 2012, S 11 AS 50/12 ER und das Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 22. August 2013, S 10 AS 156/13 ER).“

Wie hier auch:
Sozialgericht Stade, Beschluss vom 22.11.2012, S 28 AS 781/12 ER
Sozialgericht Braunschweig, Urteil vom 08.08.2013, S 17 AS 4125/12
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.03.2014, L 6 AS 31/14 B

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt