Hartz IV: Zum Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft bei Partnern

Schleswig-Holsteinisches LSG

Ziehen unverheiratete Partner in einer Wohnung zusammen und ist einer von ihnen erwerbslos und auf ALG II angewiesen, ist vom Jobcenter zu prüfen, ob zwischen beiden eine sog. Bedarfsgemeinschaft besteht mit der Folge, dass das Einkommen des erwerbstätigen Partners bei dem Anspruch des ALG II-leistungsberechtigten Partner zu berücksichtigen ist. Das ist nach den Worten des Gesetzes dann der Fall, wenn beide in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II). Dieser Wille kann vom Jobcenter u.a. vermutet werden, wenn Partner bereits länger als ein Jahr zusammenleben oder Kinder im Haushalt zusammen versorgt werden (§ 7 Abs. 3a Nr. 1 und 3 SGB II). Aber auch dann, wenn Partner kürzer als ein Jahr zusammenleben, kann eine Bedarfsgemeinschaft angenommen werden, wenn besonders gewichtige Umstände die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft rechtfertigen. Als Indiz hierfür kann ein Verlöbnis mit Austausch von Ringen als Ausdruck eines Heiratswunsches in Betracht kommen. Ist es zwischenzeitlich allerdings zu einer Lösung des Verlöbnisses mit einem temporären Auszug gekommen, belegt dies, dass die Partner doch noch eine gewissen Zeit benötigen, um herauszufinden, ob sie willens und in der Lage sind, dauerhaft füreinander einzustehen und Verantwortung füreinander zu übernehmen. Kinder werden in einem Haushalt nicht schon dann „versorgt“, wenn lediglich mit Kindern in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt wird. Auch kleinere und alltägliche Handlungen wie das Mitdecken des Tisches auch für die Kinder des Partners, das Mitwaschen der Kleidung, gelegentliches Aufpassen auf die Kinder, Fahrten zu Schule oder die gemeinsame Freizeitgestaltung reichen nicht aus. Die Vermutungsregelung lösen nur besonders intensive Versorgungsleistungen wie etwa eine überwiegende Versorgung oder die maßgebliche Mitwirkung bei der Pflege aus.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29.03.2022, L 3 AS 29/22 B ER

Erstveröffentlichung in HEMPELS 6/2022

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt