Änderungen im Bildungs- und Teilhabepaket ab 1.8.2013
Veröffentlicht: 1. August 2013 Abgelegt unter: Bildungs- und Teilhabepaket | Tags: Änderungen Bildungs- und Teilhabepaket 2013, § 28 SGB II, § 28 SGB II Klassenfahrt Schulausflug, Kosten der Schülerbeförderung nach § 28 SGB II, Schülerbeförderungskosten § 28 SGB II 2 KommentareAb dem 01.08.2013 können manche Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets einfacher und schneller beantragt werden. Ein Teil der Änderungen betreffen zwar nur die Verwaltung, von einigen Änderungen profitieren indes auch die Leistungsberechtigten – allerdings in geringem Umfange:
Schülermonatsfahrkarte
Der zuständige Leistungsträger (zu den Zuständigkeiten in Kiel mehr hier) übernimmt die Kosten für die Schülermonatsfahrkarte. Weil man diese nicht nur für den Schulweg, sondern auch für andere Fahrten etwa in der Freizeit nutzen kann, wurde von vielen Leistungsträgern ein „zumutbarer Eigenanteil“ angerechnet. In Kiel betrug dieser für Schüler bis 17 Jahren 10 € und ab dem 18 Jahren 15 € monatlich. Zukünftig werden bundesweit einheitlich pauschal 5 € angerechnet (§ 28 Abs. 4 Satz 2 SGB II n.F.). Im begründeten Einzelfall kann ein anderer Betrag festgesetzt werden.
Bei Klassenfahrt und Schulausflug auch Geldleistung
Bisher durfte der Leistungsträger dem leistungsberechtigten Kind für Klassenfahrten und Schulausflüge nicht einfach den erforderlichen Geldbetrag zur Verfügung stellen, sondern musste mit dem „Anbieter“ – etwa dem Busunternehmen oder der Jugendherberge – direkt abrechnen. Wenn es aber gar keinen solchen Anbieter gab (etwa wenn Fahrten von den Eltern organisiert wurden), gestaltete sich eine Kostenübernahme häufig schwierig. Um das zu verhindern und sicherzustellen, dass die Kinder auch wirklich teilnehmen können, kann der Bedarf in diesen Fällen nun auch durch eine Geldleistung gedeckt werden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F.)
Antragsrückwirkung bei Leistungen nach § 27 Abs. 7 SGB II
Für die Teilhabe an bestimmten Aktivitäten erhalten Kinder aus einkommensschwachen Familien 10 € monatlich (§ 28 Abs. 7 SGB II). Da Leistungen nach nach § 28 Abs. 2, Abs. 4 bis 7 SG II gemäß § 37 Abs. 1 SGB II gesondert zu beantragen sind, wurden die Leistungen erst ab dem Monat der Antragstellung erbracht. Ab 01.08.2013 wirkt der Antrag auf Leistungen nach § 27 Abs. 7 SGB II nun auf den Beginn des aktuellen ALG-II-Bewilligungszeitraumes zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB II n.F.).
10 € dürfen auch für Anschaffungen verwendet werden
Bisher konnte der Teilhabe-Betrag von 10 € monatlich nur für den Mitgliedsbeitrag in Vereinen, Musikschulen usw. verwendet werden. Häufig scheiterte die Teilhabe von Kindern aus Einkommensschwachen Familien aber daran, dass zum Fußballspielen auch Sportschuhe und zum Musizieren ein Instrument gehört. Diese notwendige Ausstattung, die Kinder zum Mitmachen brauchen, kann jetzt auch mit den 10 € monatlich finanziert werden (§ 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II). Dabei geht der Gesetzgeber von der Annahme aus, dass „die Teilnahme an solchen Aktivitäten (…) häufig so organisiert ist, dass durch ehrenamtliches Engagement die Unterrichtung kostenfrei angeboten werden kann“ (BT-Drucksache 17/12036, Seite 7 zu Buchstabe b (Absatz 7)).
Bei Vorleistung nachträgliche Kostenerstattung möglich
Für die Bildungs- und Teilhabeleistungen gilt nach § 30 SGB II n.F. nunmehr: Verweigerte der Leistungsträger die Bewilligung rechtswidrig oder ist säumig und geht der Leistungsberechtigte deswegen durch Selbstzahlung in Vorleistung, ist der Leistungsträger zur nachträglichen Kostenerstattung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung zur Deckung der Bedarfe im Zeitpunkt der Selbsthilfe vorlagen und die Teilhabeleistungen als Sach- und Dienstleistungen nicht zu erreichen waren. War es dem Leistungsberechtigen nicht möglich, rechtzeitig einen Antrag zu stellen, gilt dieser als im Zeitpunkt der Selbstvornahme gestellt.
Bewertung
Hatte sich der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. bei den Schülerbeförderungskosten noch ganz gegen einen Eigenbeitrag ausgesprochen (dazu mehr hier), so sieht die Neuregelung jetzt eine pauschale Eigenbeteiligung von 5 € vor. Das ist vertretbar – indes auch gewohnt kleinlich, fast möchte man sagen: Peinlich.
Ungelöst bleibt das Problem, dass mit 10 € monatlich eine Teilhabe am „sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft“ kaum möglich ist. Dass der Gesetzgeber nun generös erlaubt, die 10 € monatlich anstatt für den Musikunterricht alternativ auch für den Erwerb einer Geige oder eines Klaviers ansparen zu dürfen, wenn – wie angeblich „häufig so organisiert“ – der Musikunterricht „durch ehrenamtliches Engagement (…) kostenfrei angeboten werden kann“, bedeutet nichts anderes als einen Offenbarungseid des Sozialstaates, der auf das ehrenamtliche Engagement einzelner verweist, anstatt seinem genuinen Bildungsauftrag gerecht zu werden. Und es zeigt einmal mehr, welchen Stellenwert Kinder und Bildung in diesem Land haben. Das Kunst- Musik- und Sportlehrer natürlich nicht bezahlt werden, sondern ehrenamtlich arbeiten – für den Gesetzgeber offenbar eine Selbstverständlichkeit.
Weitere Informationen:
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt