Das neue Antragsformular für die Beratungshilfe

Bernd Kasper / pixelio.de

(c) Bernd Kasper / pixelio.de

Am 19.12.2013 hat der Bundesrat die „Verordnung zur Verwendung von Formularen im Bereich der Beratungshilfe“ (BerHFV) mit einigen Änderungen versehen verabschiedet. Die BerHFV ist am 09.01.2014 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und damit in Kraft getreten. Ab dem 09.01.2014 muss daher das neue Formular verwendet werden. Im Rahmen des Entwurfs für das Beratungshilfeformular hat die Bundesrechtsanwaltskammer eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen gemacht (Stellungnahme Nr. 21/2013), von denen das Bundesjustizministerium einige aufgegriffen hat. So wird etwa – wie bisher – nur nach dem Beruf und der Erwerbstätigkeit und nicht auch nach dem Bildungsabschluss des rechtsuchenden Antragstellers gefragt. Die für die Praxis wichtigsten Neuerungen sollen hier kurz dargestellt werden.

Andere Möglichkeiten kostenloser Beratung

Unter B ist für eine positive Beratungshilfeentscheidung an zweiter Stelle zu erklären: „In dieser Angelegenheit besteht für mich nach meiner Kenntnis keine andere Möglichkeit, kostenlose Beratung und Vertretung in Anspruch zu nehme.“ Entfallen ist die bisherige beispielhafte Aufzählung „(z.B. als Mitglied eines Mietervereins, einer Gewerkschaft oder einer anderen Organisation)“, welche sich jetzt nur noch in dem „Hinweisblatt zum Antrag auf Beratungshilfe“ befindet. Möglichkeiten für eine kostenlose Beratung sind:

  • Bei Mitgliedschaft in einem Mieterverein (etwa dem Kieler Mieterverein) der Mieterverein für das Rechtsgebiet Mietrecht.
  • Bei Mitgliedschaft in einem Sozialverband (etwa dem SoVD oder dem VDK) der entsprechende Verband für das Rechtsgebiet Sozialrecht.
  • Bei Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft (etwa Verdi) die Gewerkschaft für die Rechtsgebiete Arbeitsrecht und ggf. Sozialrecht.

Keine andere Möglichkeit für eine kostenlose Beratung sind demgegenüber:

  • Die öffentliche Rechtsberatung im Kieler Rathaus, denn hier wird im Regelfall eine einkommensabhängige Verwaltungsgebühr erhoben. Diese liegt zwischen 5 € und 26 €. Ausnahme: Sozialleistungsempfängerinnen und Sozialleistungsempfänger erhalten Gebührenbefreiung bei Beratungen im Arbeits-, Miet-, Erb- und Familienrecht sowie in Pfändungssachen. Allerdings wird hier nur Beratung gewährt, so das bei Vertretungsbedarf im Arbeits-, Miet-, Erb- und Familienrecht sowie in Pfändungssachen auch für diese Rechtsgebiete die öffentliche Rechtsberatung keine „andere Möglichkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHiG ist.
  • Das Büro der Bürgerbeauftragten, denn Bürgerinnen und Bürger führen eine Petition (vgl. §§ 2 und 3 Bürgerbeauftragtengesetz), wenn sie sich an die Bürgerbeauftragte wenden. Das in der Verfassung verankerte Petitionsrecht beruht ausnahmslos auf Freiwilligkeit. Aus diesem Grund kann das Führen einer Petition nicht Voraussetzung für die Gewährung von Beratungshilfe sein (mehr hier, eine Stellungnahme der Bürgerbeauftragten zum Thema findet sich hier).
  • Die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt unentgeltlich oder gegen Vereinbarung eines Erfolgshonorars beraten oder vertreten zu lassen, ist ebenfalls keine andere Möglichkeit der Hilfe im Sinne des von § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHiG, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 BerHiG.

Da das Formular ausdrücklich auf die Kenntnis des Rechtsuchenden abstellt, kann m.E. auch eine objektiv falsche Erklärung (etwa wenn der Antragsteller nicht weiß, dass seine Gewerkschaft auch im Sozialrecht Beratung und Vertretung anbietet) nicht zum nachträglichen Widerruf der Bewilligung führen. Hier ist es Aufgabe der Rechtspfleger bzw. Rechtsanwälte, konkret nachzufragen – und Aufgabe des Rechtsuchenden, gegebenenfalls Erkundigungen einzuholen, soweit er sich auf Nachfrage nicht sicher ist, welche kostenlosen Beratungs- und Vertretungsmöglichkeiten er hat.

Vollständige Angaben bei ALG II-Bezug

Während Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII bei Vorlage eines gültigen Bewilligungsbescheides nach wie vor keine weiteren Angaben zu ihrem Einkommen und Vermögen machen müssen soweit das Gericht nicht etwas anderes anordnet, müssen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (ALG II) ab 01.01.2014 das Beratungshilfeformular vollständig ausfüllen. Die Angaben müssen gegebenenfalls (etwa durch Vorlage von Kontoauszügen) glaubhaft gemacht werden, wenn das Gericht dies verlangt. Aus diesem Grunde sollten Bezieher von Leistungen nach dem SGB II zur Beantragung eines Berechtigungsscheins bei dem für sie zuständigen Amtsgericht bzw. – wenn sie sich direkt an den Rechtsanwalt wenden – zum ersten Beratungstermin bei ihrem Rechtsanwalt Nachweise zu allen Angaben ihres Einkommens oder Vermögens mitbringen, die sich nicht bereits aus dem ALG II-Bescheid ergeben (vor allem einen aktuellen Kontoauszug, ggf. das Sparbuch usw.).

Angaben zum Vermögen

Unter F wird von den meisten Beziehern von Leistungen nach dem SGB II nur das Girokonto anzugeben sein, weil anderes „Vermögen“ nicht vorhanden ist. Hier ist der aktuelle Kontostand im Zeitpunkt der Beratung anzugeben und sinnvoller Weise durch einen Kontoauszug nachzuweisen. Auch dann, wenn sich das Konto im Minus befindet, sollte das Konto immer angegeben werden. Wer Barvermögen von mehr 2.600 € (+ 256 € für jede Person, der Unterhalt gewährt wird) hat, erhält keine Beratungshilfe. Angegeben werden muss nun unter F auch, ob Eigentum an einem Kfz besteht. Eigentümer ist derjenige, der das Fahrzeug gekauft hat und an den dieses zivilrechtlich übereignet worden ist, nicht also notwendig der Fahrzeughalter. Ein vom Antragsteller oder einem Familienmitglied selbst genutztes angemessenes Fahrzeug ist dann nicht als Vermögenswert zu berücksichtigen, wenn dieses zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage dient. Zur Beurteilung der „Angemessenheit“ kann m.E. auf die Rechtsprechung des BSG zu § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II zurückgegriffen werden, wonach eine Kraftfahrzeug bis zu einem Verkehrswert von 7.500,00 € grundsätzlich als „angemessen“ zu gelten hat (BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 66/06 R). Zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards soll ein in diesem Sinne angemessenes Kraftfahrzeug nach den „Ausfüllhinweisen“ nur dienen, wenn das Fahrzeug „für die Berufsausbildung oder Berufsausübung benötigt wird“. Bei ALG II-Beziehern folgt der Schutz demgegenüber aus der Erwerbsobliegenheit und dem hieraus folgenden Flexibilitätserfordernis, welches Grund für den Vermögensschutz in § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist. Bei Beziehern von Leistungen nach dem SGB XII sind Angaben zum Vermögen regelmäßig nicht erforderlich, so dass sich Fragen zum Vermögensschutz eines Pkw nicht stellen, solange das Amtsgericht nicht nachfragt. Im SGB XII ist das selbstgenutzte „angemessene“ Kraftfahrzeug (dazu SG Augsburg, Urteil vom 15.09.2011, S 15 SO 73/11: 7.500 € + nicht ausgeschöpfter Vermögensfreibetrag) im Übrigen nur geschützt, wenn der Antragsteller oder ein Familienmitglied etwa aufgrund einer Gehbehinderung auf das Fahrzeug angewiesenen ist. In Kiel wird eine Verwertung von Kraftfahrzeugen im Regelungsbereich SGB XII zudem grundsätzlich nicht verlangt, wenn der Verkehrswert nicht mehr als 2.600 € beträgt (auch wenn zusätzlich Barvermögen in Höhe von 2.600 € vorhanden ist). Wie in diesen Fällen bei der Gewährung von Beratungshilfe zukünftig entschieden werden wird, bleibt abzuwarten.

Zahlungsverpflichtungen und sonstige Belastungen

Neu und zugleich hauptverantwortlich dafür, dass das neue Beratungshilfeformular nun drei anstatt wie bisher zwei Seiten lang ist, sind die Angaben zu „Zahlungsverpflichtungen und sonstigen Belastungen“. Die erste Frage („Haben Sie … Zahlungsverpflichtungen?“) ist unsinnig, weil jeder Antragsteller irgendwelche Zahlungsverpflichtungen hat. Bei ALG II-Bezug kommt es in der Regel nicht darauf an, etwa Kreditraten, die bei der Beratungshilfegewährung (nach mir nicht verständlicher Wertung des Gesetzgebers) einkommensmindernd zu berücksichtigen sind, anzugeben. Im Regelfall sollte daher die Frage „Haben Sie … Zahlungsverpflichtungen?“ mit ja beantwortet werden und der Satz angefügt werden: „Die üblichen, wie Mietzahlung, Telefon etc.“ Angaben in der Tabelle dürften regelmäßig entbehrlich sein (eine Ausnahme gilt möglicherweise bei sog. Aufstockern, die ALG II nur noch in ganz geringer Höhe beziehen). Mir ist indes kein Fall bekannt, in dem bei einem ALG II-Bezieher die Voraussetzungen der Beratungshilfe aufgrund der Einkommensverhältnisse nicht vorlagen (a.A. ein Rechtspfleger am AG Kiel).

4-Wochen-Frist zur Antragstellung

Wird der Anwalt unmittelbar aufgesucht (also nicht zuvor ein Berechtigungsschein beim örtlich zuständigen Amtsgericht beantragt), muss der Antrag zukünftig zwingend innerhalb von 4 Wochen ab Beginn der Beratung/Vertretung gestellt werden, § 6 Abs. 2 BerHiG.

Hinweise für die Praxis

Aufgrund der neuen deutlich umständlicheren Beratungshilfepraxis sollten Rechtsuchende vor einer anwaltlichen Beratung grundsätzlich einen Berechtigungsschein bei dem für sie zuständigen Amtsgericht beantragen. So haben sie die Sicherheit, dass ihnen tatsächlich Beratungshilfe gewährt wird und der Rechtsanwalt ist von der ggf. zeitraubenden Prüfung des Vorliegens und Nachweises der Beratungshilfevoraussetzungen befreit. Eine Ausnahme gilt für alte, kranke oder gehbehinderte Rechtssuchende bzw. solche, die einen weiten Weg zum zuständigen Amtsgericht auf sich nehmen müssten oder auch in besonders eiligen Fällen. Zur Beantragung eines Berechtigungsscheins bei dem für sie zuständigen Amtsgericht sollten Rechtsuchende unbedingt mitnehmen:

  • Ihre Personalausweis.
  • Ihren Bewilligungsbescheid (ALG II/Grundsicherung), Wohngeldbescheid und/oder Einkommensnachweis.
  • Lückenlose Kontoauszüge der letzten 4 Wochen bis aktuell und ggf. Nachweise über sonstige Konten/Sparbücher etc.
  • Soweit keine Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen werden oder zwar Grundsicherungsleistungen bezogen werden, aber die tatsächliche Miete über der im Bescheid anerkannten Miete liegt und über zusätzliches Einkommen verfügt wird: Sicherheitshalber den aktuellen Mietvertrag oder eine Mietbescheinigung (wenn der Mietvertrag schon älter und nicht mehr aktuell ist).
  • Im Einzelfall und soweit erforderlich Nachweise zu sonstigen Belastungen (kostenaufwendige Ernährung, Zahlungsverpflichtungen etc.).

Weiterführende Infos:

Haufe Online Redaktion, Neues Prozesskosten- und Beratungshilferecht

juris.de: Reform der Prozesskostenhilfe zum 01.01.2014

reno-heute.de: Reform der Prozesskostenhilfe tritt zum 1.1.2014 in Kraft

Christina Hofmann, BRAK-Mitteilungen 6/2013, S. 269 f. (in der pdf-Datei ab S. 29)

Mitteilung der BRAK vom 23. Dezember 2013, Neue PKH- und BerH-Formulare (mit Links auf alle BR-Drucks.)

Assessorin Sabine Reckin, Wann der Staat jetzt noch Rechtsrat finanziert – und was Anwälte wissen sollten, Anwaltsblatt 12/2013, Seite 889 – 893.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt