Ratsversammlung zur Neuberechnung der Kieler Mietobergrenzen

Auf Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE vom 05.10.2012 hat sich die Kieler Ratsversammlung in ihrer heutigen Sitzung in Rahmen einer aktuellen Stunde mit der Frage der verzögerten Beschlussfassung über den Mietspiegel 2012 beschäftigt.

Hintergrund: In der Vergangenheit wurden die Mietspiegel, die für die Landeshauptstadt Kiel alle zwei Jahre erstellt werden, stets in der Novembersitzung der Ratsversammlung beschlossen und traten zum 1. Dezember des jeweiligen Jahres in Kraft. An den Werten des jeweils aktuellen Kieler Mietspiegels orientieren sich auch die Mietobergrenzen, bis zu denen Mieten von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) und SGB XII (u.a. Grundsicherung im Alter) maximal übernommen werden.

Ratsherr Jansen (DIE LINKE) bat in seinem Redebeitrag um eine Erläuterung für die verzögerte Beschlussfassung und wies zugleich darauf hin, dass die Werte des Mietspiegels 2012 bereits durchgesickert seien. Er zeigte sich verwundert, dass der Selbstverwaltung die Zahlen noch nicht offiziell bekannt gegeben worden sind. Jansen wies in diesem Zusammenhang auf die hohe Bedeutung hin, die eine zeitnahe Anpassung der Mietobergrenzen für Bezieher von Transferleistungen habe. Nach einem Bericht der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung vom 08.11.2012 sei in Kiel allein im zweiten Quartal die Zahl der Zwangsräumungen um 30 % gestiegen.

DIE LINKE spreche „diskutable Punkte“ an, räumte Stadtrat Adolf-Martin Möller ein, aber der Ball möge doch bitte flach gehalten werden: In Kiel herrsche „keine akute Wohnungsnot und es werden auch keine Leute auf die Straße gesetzt“. Bisher existiere nur der „Entwurf“ eines Mietspiegels 2012, es handele sich bis jetzt um einen bloßen „Vorschlag“, der noch diskutiert werden müsse. Der Mietspiegel, so Möller, werde aber in der Dezembersitzung der Ratsversammlung eingebracht. Abschließend betonte Möller die Kostenlast der Kommune: 82 Mio. € zahle die Stadt jährlich für die Unterkunft von Transferleistungsbeziehern, nach Abzug des Bundesanteils verbleibe ein Kostenanteil für die Kommune von rund 60 Mio. €.

Ratsherr Rudau (DIE LINKE) widersprach Möller: In „der wachsenden Stadt“ Kiel bestünde Wohnungsnot. Hierüber würde in den Medien auch fortlaufend berichtet. Jeden Monat, den die Mietobergrenzen zu spät angepasst würden, verlören die Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII, die zu ihrer Miete zuzahlen müssten, „bares Geld“.

Ratsherr Jenning von der Direkten Demokratie wies auf die Ursachen des „gewaltigen Wohnungsproblems“ hin: Nachdem die Stadt Kiel Ende der 90iger Jahre ihren kommunalen Wohnungsbestand praktisch vollständig verkauft habe, könne sie nun keinen Einfluss mehr auf die Mietpreisentwicklung nehmen.

In seinem abschließenden Redebeitrag warf Ratsherr Jansen (DIE LINKE) Stadtrat Möller blanken „Zynismus“ vor und stellte als Frage in den Raum: Warum erkläre die OB-Kandidatin Susanne Gaschke (SPD), dass das erste, was sie als OB machen würde, ein runder Tisch für sozialen und studentischen Wohnraum wäre, wenn es in Kiel doch angeblich gar keinen Mangel an preiswertem Wohnraum gebe?

Beurteilung

In der Tat kann die Aussage von Stadtrat Adolf-Martin Möller, in Kiel gebe es keine Wohnungsnot, nur verwundern. Fast täglich berichten die Kieler Nachrichten über die Schwierigkeiten von Studenten, Geringverdienern und Arbeitslosen, günstigen Wohnraum zu finden. Selbst das Amt für Wohnen und Grundsicherung klagt: „Immer mehr Haushalte finden nur mit Hilfe der Stadt eine bezahlbare Unterkunft“, und der Leiter des Amts für Wohnen und Grundsicherung Manfred Wagner erklärt in Bezug auf die Mietobergrenze für eine dreiköpfige Familie von maximal 541,50 € inklusive Betriebskosten: „Aber wer den Mietspiegel kennt, weiß, dass sie in Kiel für eine 75-Quadratmeter-Wohnung durchschnittliche 600 Euro warm ausgeben müsste.“ (Kieler Nachrichten vom 09.10.2012, Seite 20). Diese Ehrlichkeit täte auch einer Aktuellen Stunde in der Kieler Ratsversammlung gut. Stattdessen wurden die Probleme von der Verwaltung bagatellisiert und von SPD, CDU, Grünen und FDP totgeschwiegen – sie beteiligten sich nicht mit Redebeiträgen an der Diskussion über dieses brennende soziale Thema.

Weiterführende Infos:

Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag (sh:z) vom 08.11.2012 – Neue Armut im Land: 10.000 ohne Wohnung

Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag (sh:z) vom 08.11.2012 – Immer mehr wohnungslos

Informationen zur Situation im Kreis Segeberg:

Presseinformation der Linken Kreistagsfraktion vom 03.11.2012

Nachtrag 10.11.2012:

Rund 4000 Bürger protestieren gegen hohe Mieten

Hamburger Bündnis Mieten Wahnsinn stoppen

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt