Streit um SGB-II-Sanktionen

(c) Gerd Altmann / pixelio.de

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Berlin: (hib/HAU) Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag sprach sich eine Mehrheit der geladenen Experten für die Beibehaltung von Sanktionsmöglichkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) aus. Vertreter aus dem Bereich der Wirtschaft nannten das System der Sanktionen ausgewogen. Auch Landkreistag und Städtetag sprachen sich – ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) – gegen eine generelle Abschaffung oder ein Moratorium der Sanktionen aus, wie es die Fraktionen Die Linke (18/3549, 18/1115) und Bündnis 90/Die Grünen (18/1963) in Anträgen gefordert hatten. Eine klare Ablehnung der Sanktionsregelungen kam von der Diakonie Deutschland.

Aus Sicht der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) sind die „großen Erfolge“ bei der Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt auch auf die Sanktionen zurückzuführen. Diese seien ein Kernelement des Prinzips von „Fördern und Fordern“, hieß es von der BDA ebenso wie vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Regelung, wonach Unter-25-Jährige härtere Sanktionen befürchten müssen als Über-25-Jährige, ist nach Meinung der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft angemessen. Auch die BDA vertrat die Ansicht, dass diese Sanktionen zu einer stärkeren Kooperation der Arbeitssuchenden mit den Jobcentern führen würden. Von einer Abschwächung solle daher abgesehen werden, sagte die BDA-Vertreterin.

Ob die Sanktionen tatsächlich die erwähnten positiven Effekte erzielen ist hingegen nach Ansicht des Einzelsachverständigen Helmut Apel nicht wissenschaftlich nachweisbar. Festzustellen sei aber, so der Sozialwissenschaftler, dass die Sanktionen „gravierende Auswirkungen“ auf das Leben der Betroffenen hätten. Apel sprach sich für ein Moratorium bei den Sanktionen aus, „um darüber nachzudenken, was Angemessenheit im Falle der Sanktionen bedeutet“.

Unterschiedliche Regelungen für verschiedene Altersgruppen führten zu Intransparenz, sagte der Vertreter der Bundesagentur für Arbeit (BA). Zugleich machte er deutlich, dass die BA ein Sanktionssystem in der Grundsicherung für erforderlich hält. Die geringe Sanktionsquote von knapp drei Prozent zeige im Übrigen, dass mit dem Instrumentarium verantwortungsbewusst umgegangen werde.

Sowohl der Deutsche Städtetag als auch der Deutsche Landkreistag kritisierten die unterschiedliche Behandlung von jungen und älteren Arbeitslosen. Schon im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sollten künftig auch für die Älteren die strengeren Regelungen der Unter-25-Jährigen gelten, forderte die Vertreterin des Städtetages. BDA und ZDH schlossen sich der Forderung an.

[Anm. 04.07.2015: Dieser Absatz wurde in der PM nun wie folgt geändert: „Sowohl der Deutsche Städtetag als auch der Deutsche Landkreistag kritisierten die unterschiedliche Behandlung von jungen und älteren Arbeitslosen. Schon im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sollten künftig auch für die Jüngeren die Regelungen der Über-25-Jährigen gelten, forderte die Vertreterin des Städtetages.]

Für eine stärkere Gewichtung des Förderns im System des „Forderns und Förderns“ sprach sich der Vertreter des DGB aus. Die Eingliederungsvereinbarungen müssten individueller als bisher auf den Einzelnen zugeschnitten seien. Außerdem sollten Leistungskürzungen nach Ansicht des DGB auf maximal 30 Prozent beschränkt werden. Bei einer „100-Prozent-Sanktion“, sei das Existenzminimum nicht mehr gesichert, gab die Vertreterin des Vereins für öffentliche und private Vorsorge zu bedenken. Bei einer Kürzung um mehr als 30 Prozent sollten daher ergänzende Sachleistungen ohne Antrag angeboten werden.

Die verschärften Sanktionen für Jugendliche seien nicht vertretbar, hieß es von Seiten des Deutschen Caritasverbandes. Sie könnten durchaus kontraproduktiv wirken, wenn etwa durch einen Verlust der Wohnung die Jugendlichen in kriminelle Bereiche abrutschen. Für eine Abschaffung der Sanktionen plädierte der Vertreter der Diakonie Deutschland. Keinesfalls dürfe es aber künftig mehr als 30-prozentige Sanktionen geben, forderte er.

Quelle: www.bundestag.de

Schriftliche Äußerungen: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/

Video-Aufzeichnung: http://www.bundestag.de/mediathek


5 Kommentare on “Streit um SGB-II-Sanktionen”

  1. […] Quelle: Streit um SGB-II-Sanktionen […]

  2. […] aber auch von der Diakonie Deutschland sowie der Nationalen Armutskonferenz. Weitere Infos dazu: https://sozialberatung-kiel.de/2015/06/30/streit-um-sgb-ii-sanktionen/ und hier: http://tinyurl.com/orpq4f8 , die Wortprotokolle gibt es hier: […]

  3. Michael Waldmann sagt:

    Es kann doch nicht wahr sein, dass „unsere“ Gewerkschaftsvertreter vom DGB für Sanktionen sind und somit für Verfassungsbruch unterhalb des Existenzminimums eintreten. Da sind wohl zu viele SPD ler drinn, die umgehend aussortiert werden sollten – so wie Sanktionierte aus der Gesellschaft oder gleich aus dem Leben, wie die vielen Selbstmorde zeigen.

    • Peter Nowinski sagt:

      Ich schließe mich den Äußerungen von M. Waldmann an und denke, da sollten sich die gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen mal kräftig zu Wort melden!
      Also bitte diese Sauerei vor allem an die entsprechenden Kreise weiterverbreiten!
      Immerhin sieht es so aus, dass die verschärften Sanktionen bei den unter 25 Jährigen abgeschafft werden sollen. Gehört zu den „Rechtsvereinfachungen“!

  4. Jobcenter: 1,5 Milliarden Euro Hartz IV Sanktionen

    Rund 1,5 Milliarden Euro Hartz IV Sanktionen wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit in den letzten sieben Jahren gegen Hartz IV Empfänger verhängt – 1,5 Milliarden Euro, die vom Existenzminimum der Leistungsempfänger bei den Jobcentern eingespart wurden.

    http://www.hartziv.org/news/20150710-jobcenter-15-milliarden-euro-hartz-iv-sanktionen.html

    Hartz: Immer mehr Widersprüche erfolgreich

    Berlin. Immer mehr Widersprüche gegen verhängte Sanktionen bei Hartz IV haben Erfolg, weil die Zwangsmaßnahmen entweder ganz oder teilweise rechtswidrig sind. Das ergibt sich aus einer statistischen Aufstellung der Bundesregierung, die verschiedenen Zeitungen vorliegt. 2014 ist danach die Quote der erfolgreichen Widersprüche bei Jobcentern von zuletzt 36,5 auf 37,4 Prozent, in absoluten Zahlen auf 56.716, gestiegen.

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/977583.hartz-immer-mehr-widersprueche-erfolgreich.html


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