Keine Eingliederungsvereinbarung bei Zweifel an der Erwerbsfähigkeit
Veröffentlicht: 25. April 2014 | Autor: Helge Hildebrandt | Abgelegt unter: Eingliederungsvereinbarungen | Tags: Pflicht zur amtsärztlichen Untersuchung in EGV, Pflicht zur amtsärztlichen Untersuchung in Eingliederungsvereinbarung, Sozialgericht Kiel Beschluss vom 26.11.2013 S 33 AS 357/13 ER |6 KommentareDer gängigen Praxis vieler Jobcenter entspricht es, dass sie ihren Kunden bei Zweifeln an deren Erwerbsfähigkeit auffordern, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, in der sich die Leistungsberechtigten verpflichten sollen, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Lehnen die Kunden dies ab, so wird die Vereinbarung nicht selten durch einen gleichlautenden Verwaltungsakt ersetzt.
Das Sozialgericht Kiel hat diese Praxis nun in einem aktuellen Beschluss für rechtswidrig erklärt. Zur Überzeugung des Gerichts kann bei zweifelhafter Erwerbsfähigkeit eine Eingliederungsvereinbarung weder abgeschlossen werden noch durch einen Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erfolgen. Denn Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) werden nur an erwerbsfähige Hilfebedürftige gewährt, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Daher ist das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit Voraussetzung für den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung bzw. für den Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes. Insofern, so das Gericht weiter, kann die Frage, ob die Erwerbsfähigkeit tatsächlich gegeben ist, nicht Gegenstand einer in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Maßnahme sein. Die notwendige Überzeugung von der Erwerbsfähigkeit muss das Jobcenter im Zweifelsfall durch eine amtsärztliche, ambulante Untersuchung zuvor gewonnen haben.
(Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 26.11.2013, S 33 AS 357/13 ER)
Erstveröffentlichung in HEMPELS 04/2014
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
6 Kommentare on “Keine Eingliederungsvereinbarung bei Zweifel an der Erwerbsfähigkeit”
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Hallo Helge, hallo LeserInnen,
Helge, vielen Dank für die Aufklärung in Bezug auf obigen Beschluss des Sozialgerichts Kiel.
Ich schreibe diese Zeilen nach ca. 1,5 Jahren aus dem Gedächtnis, der gleich von mir
zitierte Fall der Bürgerbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein ist „meiner“ aus dem
Jahre !! 2012 !!
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Klicke, um auf bericht2012.pdf zuzugreifen
Bericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages Tätigkeitsbericht für das Jahr 2012
Seite 20 von 117
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2.1.4 Eingliederungsleistungen
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Des Weiteren kam es in einem Fall vor, dass einem Leistungsbezieher eine Eingliederungs-vereinbarung vorgelegt wurde, in der er verpflichtet werden sollte, Schweigepflichtent-bindungen für Ärzte einzureichen, obwohl dies eigentlich nur freiwillig erfolgen kann. Nach einem Hinweis von Seiten der Bürgerbeauftragten, wurde die Eingliederungsvereinbarung entsprechend korrigiert.
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Es sollte bei mir auch eine amtsärztliche Untersuchung erfolgen. Im Vorwege sollte ich
jedoch meine Krankenakte freigeben, damit die Amtsärztin bzw. der Amtsarzt vor der
Untersuchung sich schon mal ein Bild machen kann.
Ich nahm die Eingliederungsvereinbarung erst einmal mit nach Hause und erbat mir Bedenkzeit und schaltete die Bürgerbeauftragte ein. Siehe weiter oben.
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Zu einer amtsärztlichen Untersuchung kam es anschließend nicht, es erfolgte auch
kein Eingliederungs-Verwaltungsakt.
Ich muß fairerweise sagen, dass das Jobcenter Kiel mich daraufhin ergebnisoffen fragte, wie es denn weitergehen solle. In dem Punkt, obwohl erst ca. 1,5 Jahre her, verläßt mich im Moment mein Erinnerungsvermögen. Ich meine, ich habe dann später einen 1 EUR – Job (Arbeitsgelegenheit) angetreten. Dieser war auch wettbewerbsneutral.
Viele Grüße
Björn Nickels
Hat dies auf Norbertschulze1's Blog rebloggt.
Also ich habe als „Hartz4 Neuling“ letzte Woche dummerweise eine Eingliederungsvereinbarung unterschrieben (es steht nichts über eine ärztliche Untersuchung etc. drin (nur das wohl übliche wie Anzahl der Bewerbungen usw.). Problem ist dabei, dass ich schon längst EU Rente beantragt habe, dass Jobcenter das auch weiß (natürlich schriftlich mitgeteilt) und ich bei der DRV next Monat einen Termin bei deren Arzt habe.
Wohl eine EGV für die Statistik oder ein Irrtum. Ich würde beim Jobcenter nachfragen, ob die EGV aufgehoben werden kann. Jeder vernünftige Sachbearbeiter wird das machen.
Hallo und danke für die Antwort,
ich hab da vorhin angerufen und die sagten mir wortwörtlich:“Bei uns in Bremen hat alles seine Richtigkeit und eine Eingliederungsvereinbarung wird nie zurückgenommen“…
Ich bin nun auch am überlegen einen Anwalt aufzusuchen …
Tja, der größte Fachkräftemangel besteht wohl bei den Jobcentern. Berechtigungsschein für anwaltliche Beratung besorgen und Anwalt vor Ort aufsuchen …