Norddeutscher Rundfunk lehnt fristgerecht gestellte Befreiungsanträge ab

Marlies Schwarzin / pixelio.de

Marlies Schwarzin / pixelio.de

Die Probleme mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) reißen nicht ab. Gab es in der Vergangenheit bereits Unverständnis darüber, dass der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio Personen zur Beitragszahlung heranzieht, die zum 01.01.2013 aufgrund der neuen Haushaltsabgabe erstmals zur Beitragszahlungen verpflichtet sind, obwohl diese nachweisen konnten, dass bei ihnen seit dem 01.01.2013 die Befreiungsvoraussetzungen – etwa wegen Bezuges von ALG II – vorgelegen haben, werden nun auch fristgerecht für zukünftige Zeiträume gestellte Befreiungsanträge rechtswidrig abgelehnt.

Eine ALG II-Bezieherin aus Kiel hatte am 13.01.2015 mit dem dafür vorgesehenen Formular einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für den Zeitraum 01.02.2015 bis 31.07.2015 gestellt. Der Antrag, welchem sie den Befreiungsnachweis des Jobcenters Kiel vom 17.12.2014 beigefügt hatte, wurde vom NDR mit Bescheid vom 27.01.2015 abgelehnt. Zur „Begründung“ heißt es in dem Ablehnungsbescheid:

„Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist Art. 4 Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.08.1991 (GVOBl. 1991, S. 619) – zuletzt geändert durch 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. – 21.12.2012 (GVOBl. 2011, S 345).“

Einmal abgesehen davon, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist (§ 39 VwVfG) und die Angabe der als maßgeblich erachteten Rechtsgrundlage keinesfalls genügt, Art. 4 des Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland aufgehoben wurde und sich die entscheidenden Befreiungstatbestände seit dem 01.01.2013 in Art. 1 des 15. Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge, dem „Rundfunkbeitragsstaatsvertrag“, befinden, wäre auch die Angabe der zutreffenden Rechtsvorschrift – § 4 Abs. 4 RBStV – wünschenswert gewesen. Nach dieser Vorschrift gilt:

“Die Befreiung oder Ermäßigung beginnt mit dem Ersten des Monats, zu dem der Gültigkeitszeitraum des Bescheids beginnt, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach dem Erstellungsdatum des Bescheids nach Absatz 7 Satz 2 gestellt wird. Wird der Antrag erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so beginnt die Befreiung oder Ermäßigung mit dem Ersten des Monats, der der Antragstellung folgt. Die Befreiung oder Ermäßigung wird für die Gültigkeitsdauer des Bescheids befristet. Ist der Bescheid nach Absatz 7 Satz 2 unbefristet, so kann die Befreiung oder Ermäßigung auf drei Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich ist, die dem Tatbestand zugrunde liegen.”

Danach lagen die Befreiungsvoraussetzungen in diesem Fall eindeutig vor: Der Befreiungsantrag wurde mit Zugang beim Beitragsservice am 20.01.2015 gestellt. Das Erstelldatum des Bescheides war der 17.12.2014, so dass der Befreiungsantrag noch bis zum 17.02.2015 hätte gestellt werden können. Die Antragstellung erfolgte am 20.01.2015 also fristgerecht, eine Befreiung für den Zeitraum 01.02.2015 bis 31.07.2015 hätte ausgesprochen werden müssen.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


9 Kommentare on “Norddeutscher Rundfunk lehnt fristgerecht gestellte Befreiungsanträge ab”

  1. Björn Nickels sagt:

    Es gibt einen konkreten Ablehnungsbescheid trotz fristgerechter Antragsstellung.

    Frage hierzu:

    Denn bleibt der Betroffenen wohl nichts anderes übrig als Widerspruch einzulegen, oder?

    Falls Widerspruch abgelehnt als nächsten Schritt Einschaltung des Verwaltungsgerichts
    Schleswig; aber soweit muss es ja nicht kommen?!

    Bei Behörden wundert mich nichts mehr!

    • Nach soeben stattgehabter Rücksprache mit der Pressestelle des NDR liegt wohl ein EDV-Problem vor. Der NDR hofft, dass nicht allzu viele Bürger betroffen sind.
      Nachtrag: Laut NDR kein Massenphänomen. Betroffene war offenbar aufgrund ihres Antrags für den vorherigen Bewilligungszeitraum August 2014 bis Januar 2015 bis Januar 2016 befreit worden und das EDV-System kam mit dem neuerlichen Antrag nicht zurecht. Muss ich prüfen.

  2. Martina Bedregal Calderón sagt:

    Ohja, davon können auch mein Sohn und andere Studenten, die Bafög beziehen und somit befreit sein sollten, ein Lied singen, ebenso wie einige ALG-2- oder Sozialgeld-Bezieher, die ich kenne. In den mir bekannten Fällen war es sogar so, dass sie nicht nur rechtzeitig einen Antrag auf Befreiung der TV-Rundfunk-Gebühr gestellt hatten, sondern nachweisen konnten, dass sie in Haushalten wohnten/wohnen, in denen bereits der Beitrag gezahlt wird (vom berufstätigen Lebenspartner, von der Rente beziehenden Oma etc.). Widersprüche wurden fristgerecht eingelegt gegen Ablehnung der Befreiung, per Einschreiben gegen Rückschen; trotzdem behauptet die ARD-ZDF-Deutschlandfunk-Zentrale, weder die Nachweise noch die Anträge noch die Widersprüche erhalten zu haben. Das Ganze zieht sich nun schon fast ein Jahr hin, bei allen Betroffenen, die ich kenne.

  3. Ingo Bittner sagt:

    Moin.

    Mal wieder ein gutes Beispiel. Kaum ist Etwas nicht „normal“, hat Kollege Computer arge Probleme. Oder besser. Ziemlich schlampig programmierte Software.

    Ich nehme mal an. dass die Dame nicht genau wusste, was sie tun sollte. Sie war ja bis 2016 befreit. Bekam aber mit dem neues Bewilligungsbescheid auch die Mitteilung für den Beitragsservice. Sie nahm daher an, dass sie einen neuen Antrag auf Befreiung stelle müsse, obwohl sie dazu gar nicht aufgefordert wurde. Nichts falsch gemacht und Ärger am Hals.

    Es gibt zwar diverse Beratungsstellen, die einem da weiter helgen würden, aber ich glaube, dass viele Menschen diese gar nicht kennen. Hier sollte viel mehr Information gegeben werden.

    • Ich meine, sie bekam sogar das Formular für die Befreiung vom BS zugeschickt. Das muss ich aber noch einmal genau erfragen.

      Schön übrigens Ihr Hinweis auf die Beratungsstellen, die einem „weiter helgen“ … 😉

      • Ingo Bittner sagt:

        Ich fand den Tippfehler auch zu gut um ihn zu verbessern. Leider war es einer.

        Also ich bin bis 2017 oder so befreit und habe seither keine Formulare mehr vom BS erhalten. Die Mitteilungen für den BS vom JC ignoriere ich daher. Ein entsprechender Hinweis fehlt allerdings auf diesem Schreiben. Wäre vielleicht ganz nett.

        mfg
        ib

  4. Tom Gerhardt sagt:

    Hallo,

    auch ich habe diese Probleme mit dem Beitragsservice. Ich habe 2014 alles fristgerecht abgegeben und ich bekam ein weiteres Schreiben in dem folgendes steht: In Ergänzung zu meinem Schreiben vom 12.11.2014, beantrage ich die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach …., weil ich oder eine Person der Einsatzgemeinschaft zum Kreis folgender Personen gehöre/gehört:
    – Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich Leistungen nach … des
    Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs

    Die erforderlichen Unterlagen liegen dem Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio bereits vor. Ich versichere die Richtigkeit der Angaben. Datum: ….. Unterschrift: …..

    Ich habe dann gleich noch einmal eine Kopie des Bewilligungsbescheides beigefügt. 2015 bekam ich ein weiteres Schreiben vom Beitragsservice, darin stand die Ablehnung der Bewilligung. Ich habe dann beim Jobcenter angerufen und das Problem geschildert. Eine weitere Kopie mit Unterschrift habe ich vom Jobcenter-Berlin erhalten und sofort an den Beitragsservice geschickt (wieder per Einschreiben).

    Jetzt kam ein weiteres Schreiben:
    Sie haben uns Unterlagen gesendet, die nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht vorliegen. Diese sind am 28.01.2015 eingegangen. Ihren Unterlagen entnehmen wir, dass Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich Leistungen nach § 22 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs gewährt wird.

    Jetzt kommt es:
    Sie werden für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis 31.03.2015 von der Rundfunkbeitragspflicht befreit.

    Also bekomme ich keine Befreiung für den Zeitraum: 01.10.2014 bis 31.03.2015
    Was soll dieser Bullshit! Die Begründung: Ihr Bewilligungsbescheid wurde am 18.09.2014 ausgestellt. Da Ihr Antrag am 28.01.2015 bei uns eingegangen ist, beginnt Ihre Befreiung ab dem Folgemonat nach Eingang des Antrags.

    Schreiben vom 06.02.2015 (lag am 11.02.2015 im Briefkasten): Sehr geehrter Herr….., Ihre Rundfunkbeiträge sind am 15.02.2015 fällig. Bitte zahlen Sie den Betrag von 71,92 EUR. Für die Überweisung haben wir ein Zahlungsformular für Sie vorbereitet.

    Telefonisch kann man die Herrschaften leider auch nicht erreichen, weil angeblich immer die Leitungen besetzt sind. Ich muss also für jede Minute 6,5 Cent bezahlen. So macht man sich auch Geld.

    Dieses Vorhaben zeigt mir, dass die Herrschaften zusätzlich zu der Befreiung, auch noch weiteres Geld eintreiben wollen. Tolle neue Welt muss ich sagen. So kann man mit schlechten Einschaltquoten ja schön sein A…. retten. Zwangsgebühr aufdrücken und dann nicht mal 1080p Auflösung gebacken bekommen und veralteten Rotz mit alten Schauspielern präsentieren, obwohl der Laden Milliarden scheffelt. Die Jugend hat von diesem Dreck nichts. Nachrichten manipulieren in dem man Russland verarscht und schön zu den Ami-S … hält (alles Manipulieren und dem eigenen Volk das Geld aus den Arsch ziehen). Ich bin jung und hasse mittlerweile den Kapitalismus. So funktioniert der Kapitalismus leider nicht, wenn nicht mal mehr ein bisschen Menschlichkeit vorhanden ist.Wo ist hier Bitte noch was MENSCHLICH???????????????????????

    Schönen Gruß aus Berlin!

    • Martina Bedregal Calderón sagt:

      Ich habe vollstes Verständnis für Ihren Unmut und Ihre Äußerungen. Das ist nicht nur Kapitalismus in Reinkultur, sondern modernes Raubrittertum. Würden alle Bürger (leider entsolidarisiert durch Medien und Politik) an einem Strang ziehen und die Zahlung der og. Gebühren verweigern, dann wäre Schluss mit dieser Abzocke.


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