Möglichkeit zur drei Jahre zurückwirkenden Befreiung vom Rundfunkbeitrag wird Gesetz

(c) Gerd Altmann / pixelio.de

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Nach § 4 Abs. 4 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) beginnt die Befreiung oder Ermäßigung vom Rundfunkbeitrag mit dem Ersten des Monats, zu dem der Gültigkeitszeitraum des Bescheids beginnt, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach dem Erstellungsdatum des Bescheids gestellt wird. Wird der Antrag erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so beginnt die Befreiung oder Ermäßigung mit dem Ersten des Monats, der der Antragstellung folgt. Diese Regelung führte dazu, dass in ganz erheblichem Umfange bedürftige Bürger zum Rundfunkbeitrag herangezogenen wurden, bei denen eigentlich die Befreiungsvoraussetzungen vorgelegen haben, die sich aber in Unkenntnis der Rechtslage oder weil Befreiungsanträge bei den Rundfunkanstalten bzw. dem sog. Beitragsservice (bis 2012 GEZ) angeblich nicht angekommen waren, nicht fristgerecht gestellt wurden.

Inwieweit die Betroffenen einen Antrag auf rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag stellen können bzw. einem Härtefallantrag stattzugeben ist, war und ist umstritten (mehr dazu hier: Zur rückwirkenden Befreiung vom Rundfunkbeitrag).

Mit dem 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sollen die Fristen für eine rückwirkende Befreiung nun auf drei Jahre ab Stellung des Befreiungsantrages ausgedehnt werden. In der Vertragsbegründung heißt es hierzu auf Seiten 18:

Der neue Satz 2 modifiziert den bisherigen Satz 1. Dieser sah vor, dass die Befreiung oder Ermäßigung nur dann mit dem Ersten des Monats, in dem der Gültigkeitszeitraum beginnt, eintritt, wenn der entsprechende Antrag innerhalb von zwei Monaten nach dem Erstellungsdatum des Bescheids nach Absatz 7 Satz 2 gestellt wird. Befreiungen und Ermäßigungen können künftig für einen Zeitraum von drei Jahren ab Antragstellung für die Vergangenheit gewährt werden, wenn entsprechende Nachweise für das Vorliegen der Befreiungs- bzw. Ermäßigungstatbestände für diesen Zeitraum vorgelegt werden. Mit der Regelung wird das Verfahren deutlich bürgerfreundlicher ausgestaltet; zugleich werden eine höhere soziale Gerechtigkeit und der Abbau von Bürokratie beim Beitragsservice erreicht.

Diese beabsichtigte Neuregelung ist ausdrücklich zu begrüßen. Sie wird in Zukunft in vielen Fällen verhindern, dass Befreiungsberechtigte entgegen jedem Gerechtigkeitsempfinden zur Beitragszahlung herangezogen und mit Vollstreckungsmaßnahmen bis hin zur Beugehaft überzogen werden. Noch besser wäre es freilich gewesen, eine rückwirkende Beitragsbefreiung bei Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen ganz ohne Ausschlussfristen zu ermöglichen.

Das Inkrafttreten der Änderungen beim Rundfunkbeitrag wurde auf dem 01.01.2017 festgelegt. Damit der 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit all seinen Änderungen gültig werden kann, müssen aber noch bis Ende September 2016 alle 16 Land­tage das Vertragswerk verabschiedet haben.

Betroffenen ist zu raten, sich gegenüber den Landesrundfunkanstalten bzw. dem Beitragsservice schon jetzt auf die noch nicht in Kraft getretene Neuregelung zu berufen.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


19 Kommentare on “Möglichkeit zur drei Jahre zurückwirkenden Befreiung vom Rundfunkbeitrag wird Gesetz”

  1. […] Quelle: Sozialberatung Kiel/RA Hildebrandt […]

  2. […] 4. Rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag wird Gesetz / mit Verweis auf kommende Rechtslage ist möglicherweise schon jetzt Handeln möglich ======================================================================== Die drei Jahre rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag wird zum 01.01.2017 (vermutlich/wahrscheinlich) Gesetz, mit Hinweis auf die kommende Rechtslage ist Betroffenen jetzt schon zu raten, sich gegenüber dem Beitragsservice auf die kommende, aber noch nicht in Kraft getretene Neuregelung zu berufen. Mehr dazu hier: https://sozialberatung-kiel.de/2016/04/24/moeglichkeit-zur-drei-jahre-zurueckwirkenden-befreiung-vom… […]

  3. Mit Bescheid vom 28.06.2016 hat der NDR eine Mandantin rückwirkend ab 01.01.2013 vom Rundfunkbeitrag befreit und unter Aufgreifen der hiesigen Antragsbegründung ausgeführt:

    „Im Hinblick auf die zu erwartende Gesetzesänderung geben wir im Rahmen unseres Ermessens dem Antrag auf Befreiung von Beginn an bis einschließlich November 2016 statt. Den zwischenzeitlich bei der Stadt Kiel eingereichten Vollstreckungsauftrag haben wir zurückgenommen.“

    (250/15)

    • Ronny sagt:

      Ähm rückwirkend ab 1.1.2013?! Oder 1.1.2016?
      Nur damit ich das richtig verstehe…mit bezug auf die bevorstehende Änderung kann man Versuchen sich theoretisch 3 Jahre rückwirkend befreien zu lassen?

      Und andere Frage, ich hab mir mal die Mühe gemacht und diesen entsetzlichen Vertrag mal durchgelesen.
      Habe ich das richtig verstanden das JEDES Bundesland eigenständige diesen Vertrag lösen kann und das zum Ende JEDEN Jahres?! Und das ganze ohne irgendwelche Strafzahlungen? Weshalb müssen dann aber alle gemeinsam zustimmen?!

      Vielen dank im Vorraus für die Erleuchtung 😉

      • Es gibt kein festes Datum. Aktuell befreit der NDR ab 01.01.2013, vgl. meinen Kommentar vom 30.06.2016. 2020 würde dann ab 2017 befreit werden usw. Was ich derzeit nicht weiß, ist, ob das Antragsjahr mitzählt.

        Die Verträge werden schon von allen Bundesländern ratifiziert und nicht gekündigt werden. Ehrlich gesagt beschäftige ich mich als Anwalt ungern mit theretischen Fragen, dafür habe ich mit ganz praktischen zu viel zu tun.

  4. § 4 Abs. 4 RbStV lautet nun ab 01.01.2017:

    Die Dauer der Befreiung oder Ermäßigung richtet sich nach dem Gültigkeitszeitraum des Nachweises nach Absatz 7 Satz 2. Sie beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Gültigkeitszeitraum beginnt, frühestens jedoch drei Jahre vor dem Ersten des Monats, in dem die Befreiung oder Ermäßigung beantragt wird. War der Antragsteller aus demselben Befreiungsgrund nach Absatz 1 über einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens zwei Jahren von der Beitragspflicht befreit, so wird bei einem unmittelbar anschließenden, auf denselben Befreiungsgrund gestützten Folgeantrag vermutet, dass die Befreiungsvoraussetzungen über die Gültigkeitsdauer des diesem Antrag zugrunde liegenden Nachweises nach Absatz 7 Satz 2 hinaus für ein weiteres Jahr vorliegen. Ist der Nachweis nach Absatz 7 Satz 2 unbefristet, so kann die Befreiung auf drei Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich ist, die dem Tatbestand zugrunde liegen.

  5. Dütsch sagt:

    Ich habe ein Vollzeitpflegekind seit 12.2015, das Sozialhilfe nach dem Jugendgesetz bekommt.
    Ist das ein Grund von der Befreiung zu profitieren?

  6. […] Quelle: Sozialberatung Kiel/RA Hildebrandt […]

  7. Janine sagt:

    Hallo,

    ich habe einen formlosen Antrag mit Bescheinigung der Arge und allen Kopien bis 2015 eingereicht und die Befreiung der Rundfunkbeitragspflicht beantragt. Dabei habe ich auf die Änderung verwiesen.
    Ich bekam dann Samstag die Antwort dass ich bis 2018 (Dauer des aktuellen Bescheides) und rückwirkend bis 2015 befreit werde.
    Aber im Brief stand nichts davon, dass ich die geleisteten Beiträge auch zurück bekomme. Wie war das bei euch?

    MfG

  8. Betty Müller sagt:

    Ich bin so ein Fall, wo angeblich mehrere Male die Unterlagen nicht angekommen sind. Ich habe sie sogar 2x per Mail versendet. Nun wurde zum 2.x über den GV versucht einzutreiben und das Gericht steht auf der Seite des Beitragservice…sogar die Anwaltskosten soll ich selbst zahlen, weil es keine Prozesskostenhilfe für Vollstreckungsschutz gibt….jetzt soll ich knapp 1.300€ bezahlen, obwohl ich die Voraussetzungen für die Befreiung erfülle, aber leider werden meine Nachweise nicht akzeptiert – ist das wirklich Recht !?!?

    • Die wichtigste Info fehlt: Was sind das denn für „Nachweise“?

      • Betty Müller sagt:

        Hallo Helge….die Nachweise vom Amt, dass ich seit xxxx Geld beziehe und die Mail, welche ich hingeschickt habe. Leider hatte ich die Unterlagen erst mit der normalen Post geschickt und kann das nicht mehr belegen. Seitdem schicke ich die Unterlagen grundsätzlich per innerbehördlicher Weiterleitung.

        • Ein Nachweis „vom Amt“ ist auch ein Wohngeldbescheid. Der führt aber zu keiner Befreiung. Es muss einer der in § 4 Abs 1 RBStV aufgeführten Sozialleistungsbescheide sein (Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, ALG II usw.). Wenn Sie einen solchen nachreichen, dürfte die Rundfunkanstalt auch befreien, ggf. auch nur für die Zeiträume nach § 4 Abs. 4 RBStV:

          (4) Die Dauer der Befreiung oder Ermäßigung richtet sich nach dem Gültigkeitszeitraum des Nachweises nach Absatz 7 Satz 2. Sie beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Gültigkeitszeitraum beginnt,
          frühestens jedoch drei Jahre vor dem Ersten des Monats, in dem die Befreiung oder Ermäßigung beantragt wird
          . War der Antragsteller aus demselben Befreiungsgrund nach Absatz 1 über einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens zwei Jahren von der Beitragspflicht befreit, so wird bei einem unmittelbar anschließenden, auf denselben Befreiungsgrund gestützten Folgeantrag vermutet, dass die Befreiungsvoraussetzungen über die Gültigkeitsdauer des diesem Antrag zugrunde liegenden Nachweises nach Absatz 7 Satz 2 hinaus für ein weiteres Jahr vorliegen. Ist der Nachweis nach Absatz 7 Satz 2 unbefristet, so kann die Befreiung auf drei Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich ist, die dem Tatbestand zugrunde liegen.


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