Möglichkeit zur drei Jahre zurückwirkenden Befreiung vom Rundfunkbeitrag wird Gesetz
Veröffentlicht: 24. April 2016 Abgelegt unter: Rundfunkbeitrag | Tags: rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag, Rundfunkbeitrag, Rundfunkbeitrag ALG II, Rundfunkbeitrag Hartz IV 19 Kommentare
(c) Gerd Altmann / pixelio.de
Nach § 4 Abs. 4 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) beginnt die Befreiung oder Ermäßigung vom Rundfunkbeitrag mit dem Ersten des Monats, zu dem der Gültigkeitszeitraum des Bescheids beginnt, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach dem Erstellungsdatum des Bescheids gestellt wird. Wird der Antrag erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so beginnt die Befreiung oder Ermäßigung mit dem Ersten des Monats, der der Antragstellung folgt. Diese Regelung führte dazu, dass in ganz erheblichem Umfange bedürftige Bürger zum Rundfunkbeitrag herangezogenen wurden, bei denen eigentlich die Befreiungsvoraussetzungen vorgelegen haben, die sich aber in Unkenntnis der Rechtslage oder weil Befreiungsanträge bei den Rundfunkanstalten bzw. dem sog. Beitragsservice (bis 2012 GEZ) angeblich nicht angekommen waren, nicht fristgerecht gestellt wurden.
Inwieweit die Betroffenen einen Antrag auf rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag stellen können bzw. einem Härtefallantrag stattzugeben ist, war und ist umstritten (mehr dazu hier: Zur rückwirkenden Befreiung vom Rundfunkbeitrag).
Mit dem 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sollen die Fristen für eine rückwirkende Befreiung nun auf drei Jahre ab Stellung des Befreiungsantrages ausgedehnt werden. In der Vertragsbegründung heißt es hierzu auf Seiten 18:
Der neue Satz 2 modifiziert den bisherigen Satz 1. Dieser sah vor, dass die Befreiung oder Ermäßigung nur dann mit dem Ersten des Monats, in dem der Gültigkeitszeitraum beginnt, eintritt, wenn der entsprechende Antrag innerhalb von zwei Monaten nach dem Erstellungsdatum des Bescheids nach Absatz 7 Satz 2 gestellt wird. Befreiungen und Ermäßigungen können künftig für einen Zeitraum von drei Jahren ab Antragstellung für die Vergangenheit gewährt werden, wenn entsprechende Nachweise für das Vorliegen der Befreiungs- bzw. Ermäßigungstatbestände für diesen Zeitraum vorgelegt werden. Mit der Regelung wird das Verfahren deutlich bürgerfreundlicher ausgestaltet; zugleich werden eine höhere soziale Gerechtigkeit und der Abbau von Bürokratie beim Beitragsservice erreicht.
Diese beabsichtigte Neuregelung ist ausdrücklich zu begrüßen. Sie wird in Zukunft in vielen Fällen verhindern, dass Befreiungsberechtigte entgegen jedem Gerechtigkeitsempfinden zur Beitragszahlung herangezogen und mit Vollstreckungsmaßnahmen bis hin zur Beugehaft überzogen werden. Noch besser wäre es freilich gewesen, eine rückwirkende Beitragsbefreiung bei Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen ganz ohne Ausschlussfristen zu ermöglichen.
Das Inkrafttreten der Änderungen beim Rundfunkbeitrag wurde auf dem 01.01.2017 festgelegt. Damit der 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit all seinen Änderungen gültig werden kann, müssen aber noch bis Ende September 2016 alle 16 Landtage das Vertragswerk verabschiedet haben.
Betroffenen ist zu raten, sich gegenüber den Landesrundfunkanstalten bzw. dem Beitragsservice schon jetzt auf die noch nicht in Kraft getretene Neuregelung zu berufen.
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
Zur rückwirkenden Befreiung vom Rundfunkbeitrag
Veröffentlicht: 27. August 2014 Abgelegt unter: Rundfunkbeitrag | Tags: rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag, Rundfunkbeitrag, Rundfunkbeitrag ALG II, Rundfunkbeitrag Hartz IV 400 KommentareSeit dem 01.01.2013 gibt es in Deutschland den geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag. Die Beitragspflicht ist nicht mehr an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes gebunden, sondern an das Bewohnen einer Wohnung: Jeder Wohnungsinhaber muss – unabhängig davon, ob er ein Rundfunkempfangsgerät bereithält sowie von deren Art und Anzahl (zur verfassungsrechtlichen Problematik etwa hier) – einen pauschalen Rundfunkbeitrag von 17,98 € im Monat bezahlen.
Beitragsservice fordert rückwirkend Beiträge nach
In hiesiger Praxis häufen sich seit Mitte 2014 die Anfragen von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II, die bisher keine Rundfunkgeräte besessen haben und die nun vom „Beitragsservice“ der öffentlichen Rundfunkanstalten rückwirkend ab 01.01.2013 angemeldet und zur Zahlung der offenen Beiträge aufgefordert werden, die sich mittlerweile auf rund 400 € belaufen.
Was verschwiegen wird: Eine rückwirkende Befreiung ist möglich
Worauf der „Beitragsservice“ der öffentlichen Rundfunkanstalten nicht hinweist: Die Vermutung, dass die angemeldeten Wohnungsinhaber Beitragsschuldner des Beitrages in Höhe von 17,98 € monatlich sind, kann nach § 14 Abs. 5 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) durch Übersendung der „Bescheinigung über den Leistungsbezug zur Vorlage bei dem Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio“, die jedem ALG II Bescheid als letzte Seite angefügt ist, widerlegt werden. Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (ALG II) werden dann rückwirkend ab 01.01.2013 von der Beitragspflicht befreit.
Wer bereits gezahlt hat: Frist 31.12.2014 beachten!
Leistungsberechtigte, die für Zeiträume, in denen eine Befreiung möglich gewesen wäre, bereits den Rundfunkbeitrag bezahlt haben, müssen sich sputen: „Eine Erstattung bereits geleisteter Rundfunkbeiträge kann vom Beitragsschuldner nur bis zum 31.12.2014 geltend gemacht werden.“ (§ 14 Abs. 5 Satz 3 RBStV)
Wichtig: § 14 RBStV gilt nur für die sog. Ersterfassung!
Die Übergangregelungen nach § 14 RBStV gelten nur für die nach dem neuen Beitragsrecht erstmals angemeldeten Beitragsschuldner, vor allem also die bisher mangels Empfangsgeräten nicht angemeldeten Personen (vgl. § 14 Abs. 2 RBStV). Danach ist § 4 Abs. 4 RBStV zu beachten:
„Die Befreiung oder Ermäßigung beginnt mit dem Ersten des Monats, zu dem der Gültigkeitszeitraum des Bescheids beginnt, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach dem Erstellungsdatum des Bescheids nach Absatz 7 Satz 2 gestellt wird. Wird der Antrag erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so beginnt die Befreiung oder Ermäßigung mit dem Ersten des Monats, der der Antragstellung folgt. Die Befreiung oder Ermäßigung wird für die Gültigkeitsdauer des Bescheids befristet. Ist der Bescheid nach Absatz 7 Satz 2 unbefristet, so kann die Befreiung oder Ermäßigung auf drei Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich ist, die dem Tatbestand zugrunde liegen.“
Derzeitige Bearbeitungszeiten des Beitragsservices
Wer in diesen Tagen einen Befreiungsantrag beim Beitragsservice stellt, muss sich auf längere Bearbeitungszeiten einstellen. So wurde ein am 22.09.2014 per Telefax gestellter Antrag erst am 28.11.2014 beschieden. In dem Befreiungsbescheid entschuldigt der Beitragsservice für die lange Bearbeitungszeit: „Da wir aktuell sehr viele Anfragen erhalten, kommt es leider zu Verzögerungen.“
Angebliche Ratenzahlungsersuchen über 50 € monatlich
Mehrere Kommentatoren dieses Beitrages haben zwischenzeitlich berichtet, der Beitragsservice habe auf ihre Anträge auf (rückwirkende) Beitragsbefreiung mit der Annahme tatsächlich nie geäußerter Ratenzahlungsersuchen über einen Betrag in Höhe von monatlich 50 € geantwortet (siehe die Kommentare). Offenbar versucht der Beitragsservice, auf diesem Wege tatsächlich nicht berechtigte Beitragsforderungen durchzusetzen. Denn leisten Betroffene Ratenzahlungen, obwohl sie einen Anspruch auf rückwirkende Befreiung haben, gilt nach § 14 Abs. 5 Satz 3 RBStV: „Eine Erstattung bereits geleisteter Rundfunkbeiträge kann vom Beitragsschuldner nur bis zum 31.12.2014 geltend gemacht werden.“ Das heißt mit anderen Worten: Seit dem 01.01.2015 können die ohne rechtliche Verpflichtung gezahlten Raten selbst nach einer nachträglichen Befreiung vom Beitragsservice nicht zurückgefordert werden. Zudem besteht das Risiko, dass Zahlungen vom Beitragsservice als sog. „faktisches Anerkenntnis“ der Beitragspflicht gewertet werden. Betroffene, die sich sicher sind, einen Anspruch auf rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag zu haben, sollten deswegen auf gar keinen Fall auf die dubiosen Ratenzahlungsangebote des Beitragsservices eingehen.
Junge Welt vom 03.09.2014: Kein Schuldner per se
Büro der Bürgerbeauftragten, Presseinformation vom 25.11.2014: Hartz IV: Rückwirkende Befreiung vom Rundfunkbeitrag möglich
Beispiel für einen rückwirkenden Befreiungsbescheid ab 01.01.2013
Möglichkeit zur drei Jahre zurückwirkenden Befreiung vom Rundfunkbeitrag wird Gesetz
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt