Anspruch auf Umschulung trotz Ermessen der Behörde

(c) Thorben Wengert / pixelio.de

Im Einzelfall können Versicherte einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – hier in Form einer Umschulung zur Heilpraktikerin – haben, auch wenn die Leistungsgewährung im Ermessen der Behörde steht. Voraussetzung hierfür ist, dass aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls die begehrte Umschulung die einzige richtige Entscheidung ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null).

Geklagt hatte eine Versicherte, die aus gesundheitlichen Gründen in ihrem erlernten Tischlerberuf nicht mehr arbeiten konnte und deswegen bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine Umschulung zur Heilpraktikerin beantragt hatte. Die DRV lehnte die Kostenübernahme für die begehrte Umschulung ab, weil sie keine positive Rehabilitationsprognose abgeben wollte: Die Versicherte könne aus gesundheitlichen Gründen auch nicht als Heilpraktikerin arbeiten, da ihre Arme und Hände nicht hinreichend belastbar seien und sie aufgrund der psychischen Überlastung im bisherigen Tischlerberuf auch für den Beruf der Heilpraktikerin nicht geeignet sei. Beide Annahmen konnten von den gerichtlichen Sachverständigen nicht objektiviert werden. Da die DRV ihrer Versicherten zudem keinerlei Alternativen für eine andere Umschulung aufgezeigt hatte, wurde sie antragsgemäß verurteilt, diese auf ihre Kosten zur Heilpraktikerin umzuschulen.

Sozialgericht Schleswig, Gerichtsbescheid vom 23.09.2019, S 21 R 221/17

Erstveröffentlichung in HEMPELS 11/2020

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


2 Kommentare on “Anspruch auf Umschulung trotz Ermessen der Behörde”

  1. Björn Nickels sagt:

    Wenn ich den Gerichtsbescheid vom Sozialgericht (SG) Schleswig richtig verstehe, hat es von der Einreichung des Widerspruches bei der Deutsche Rentenversicherung (DRV) wegen Ablehnung der Bewilligung zur Umschulung zur Heilpraktikerin, anschließende Klageeinreichung beim SG Kiel, von dort Weiterleitung an das SG Schleswig etwa 31 Monate gedauert, bis obiger Gerichtsbescheid vom SG Schleswig zugunsten der Klägerin ergang.

    Eine Umschulung in Vollzeit zur Heilpraktikerin dauert 24 Monate …

    PS: Habe mal allgemein im Internet recherchiert, wie hoch die Ablehnungsquote der DRV in Bezug auf eine Umschulung ist, habe aber irgendwie keine Prozentzahl gefunden!?

    • Im Regelungsbereich SGB II haben Mandanten in Klagen auf Förderung ihrer beruflichen Weiterbildung vor dem SG Schleswig bis zu 5 Jahre auf ihren Verhandlungstermin warten müssen. Im Grunde lässt die Rechtspflege die Rechtsuchenden am langen Arm zwar nicht verhungern, aber so lange altern, bis eine Weiterbildung irgendwann einfach aus Altersgründen keinen Sinn mehr macht. Traurig, aber offenbar so gewollt. Jedenfalls wird keine Abhilfe geschaffen, obwohl allen Beteiligten das Problem bekannt ist.

      Statistik der DRV gibt es ein wenig hier: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Zahlen-und-Fakten/Statistiken-und-Berichte/statistiken-und-berichte_node.html

      Keine Ahnung, ob ich es richtig lese, aber es klingt für 2019 nach 135.295 Anträgen auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (wozu auch Umschulungen gehören) und 7.780 Leistungen in „Eingangsverfahren / Berufsbildungsbereich“. Das entspräche einer Erfolgsquote bei den Anträgen von 5,75 %.


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