Kiel: Neue Regelungen beim Mietsenkungsverfahren

Die Kieler Ratsversammlung hat am 21.03.2024 neue Regelungen zu den Mietsenkungsverfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 7 SGB II (für Bürgergeldbezieher) bzw. § 35 Abs. 3 SGB XII (für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) beschlossen.

Insgesamt wurden im von der Verwaltung im Regelungsbereich des SGB II und SGB XII circa 1.500 leistungsberechtigte Personen bzw. Bedarfsgemeinschaften identifiziert, die in Wohnungen leben, deren Miete über den in Kiel geltenden Mietobergrenzen (zuzüglich eines Toleranzzuschlages von 10 %) liegen. Aufgrund der allgemeinen Wohnungsmarktlage hält es die Verwaltung für unrealistisch und
unangemessen, in allen Fällen das Mietsenkungsverfahren zu betreiben. Denn viele Menschen
sind oftmals aufgrund ihres Alters oder sonstiger Hemmnisse nur eingeschränkt oder gar
nicht in der Lage, sich auf dem freien Wohnungsmarkt mit innerhalb der Mietobergrenzen liegendem Ersatzwohnraum zu versorgen.

Die Verwaltung schlägt daher folgendes Vorgehen vor:

Der beschriebene Personenkreis wird nicht in einer Maßnahme, sondern sukzessive (in
Wellen) in das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Verfahren einbezogen.

· Die „Wellen“ werden quartalsweise, beginnend mit den höchsten
Überschreitungen, verfolgt.
· Es erfolgt in jedem Fall eine individuelle Prüfung (z.B. Alter, Wohnumfeld,
Einschränkungen etc.).
· Die Reihenfolge bildet die Höhe der Überschreitung der Mietobergrenze.

Als Referenzwert wird vorgeschlagen, nur die leistungsberechtigten Personen
anzuschreiben, die mit den Kosten der Unterkunft über der nächsthöheren als für sie
vorgesehenen Mietobergrenze liegen.

Beispiel: Die Mietobergrenze für einen 1- Personenhaushalt beträgt 439,- €. Liegt die
tatsächliche Brutto-Kaltmiete über der Mietobergrenze für einen 2-Personenhaushalt (519,-
€) ist das Mietsenkungsverfahren nach erfolgter Einzelfallprüfung zu betreiben.

Für alle anderen Fallkonstellationen ist das Verfahren, ausgehend einer erneuten Anpassung
der Mietobergrenze zum 01.01.2025, entbehrlich.

Von einer Aufforderung wird im Einzelfall abgesehen, wenn

a) Kostensenkungsmaßnahmen dem Leistungsberechtigten nicht zuzumuten
sind oder

b) ein Umzug aufgrund der Wirtschaftlichkeitsberechnung (Umzugskosten,
Renovierungskosten, Mobiliar etc.) unwirtschaftlich wäre.

Der Beschluss findet sich u.a. hier:

Beschluss der Kieler Ratsversammlung vom 21.03.2024, Drucksache 0169/2024

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


6 Kommentare on “Kiel: Neue Regelungen beim Mietsenkungsverfahren”

  1. Björn Nickels sagt:

    So richtig verstanden habe ich (ohne Abitur) dies auch nach mehrmaligen Durchlesen nicht.

    Neben vielen weiteren Fragen, die den Umfang dieses Kommentares hier „sprengen“ würden, stellt sich mir die Hauptfrage: Es ist das Datum 01.01.2025 genannt worden. Heißt das, dass dies alles erstmal nur bis zum 31.12.2024 gilt?

    • Ja, weil zum 01.01.2025 neue Mietobergrenzen zu berechnen sind. Die aktuellen Mietobergrenzen gelten seit dem 01.01.2023. Entsprechend § 558d Abs. 1 Satz 1 BGB sind nach der Rechtsprechung des BSG auch die Mietobergrenzen „der Marktentwicklung anzupassen“. Mietsenkungsaufforderungen für den Zeitraum ab 01.01.2025 können erst verschickt werden, wenn die neuen Mietobergrenzen bekannt sind.

  2. bjoernnickels sagt:

    Gibt es die Möglichkeit, falls man nun zu den Betroffenen gehört, die bis zum 31.12.2024 ein Schreiben bzgl. „Mietsenkung“ erhalten, dieses zu „umgehen“; und zwar z. B. durch den Nachweis über zahlreiche erfolglose Bewerbungen für günstigere Wohnungen?

    Falls ja, wieviel zahlt denn das Amt, wenn die Miete plus 10 % immer noch zu hoch ist, und falls ja ggf. wie lange? (Untervermietung kommt z. B. wegen der kleinen Whg. nicht in Frage).

    (Es sei hier noch erwähnt, dass der Vorschlag der Verwaltung Kiel und die Annahme desselben durch die Ratsversammlung Kiel m. E. eher positiv ist, auch wenn ich nur ein Teil davon verstehe).

  3. Lienesch sagt:

    Moin. Da auch ich zu denen gehöre, die ein Schreiben bzgl. Mietsenkung erhalten haben, möchte ich gerne Folgendes zum Verständnis wissen:

    Wie verbindlich ist dieser Beschluss für das Jobcenter? Immerhin ist hier die Rede davon, dass die Ratsversammlung „vorschlägt“.

    Hier wird auch ein explizites Beispiel genannt, wann auf solche Senkung verzichtet werden soll. Dieses Beispiel spiegelt exakt (!) meine Situation wieder.

    Könnte ich also diesen Beschluss für einen Widerspruch heranziehen?

    Herzlichen Dank im voraus für Antwort!

    Lienesch

    • Ja, den Beschluss der Kieler Ratsversammlung würde ich heranziehen. Leistungen für die Unterkunft sind kommunale Leistungen (weswegen die Bundesagnetur zu § 22 SGB II auch keine Durchführungshinweise hat). Deswegen ist bei den Leistungen für die Unterkunft schon wichtig, was die Kommune sagt.


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