Jobcenter muss Brillenreparatur bezahlen

Die Kosten für Reparaturen u.a. von therapeutischen Geräten wie Brillen sind nicht vom Regelbedarf umfasst und deswegen vom Jobcenter zu übernehmen, auch wenn Leistungsberechtigte grundsätzlich einen Anspruch auf Kostenübernahme gegenüber ihrer Krankenversicherung gehabt hätten.

Die im Bürgergeldbezug stehende Klägerin hatte sich eine Gleitsichtbrille gekauft. Kurz darauf wurden beide Gläser bei einem Sturz beschädigt. Den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für zwei neue Brillengläser in Höhe von 780 € lehnte das Beklagte Jobcenter ab. Das Sozialgericht Köln wies ihre Klage ab.

Das Landessozialgericht NRW hat das Urteil auf die Berufung der Klägerin hin geändert und das Jobcenter zur Zahlung von 256 € verurteilt. Denn Bedarfe für die Reparatur von therapeutischen Geräten wie Brillen werden nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB II gesondert erbracht (zum SGB XII siehe § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XII). Der grundsätzlich vorrangige Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung war in diesem Fall ausgeschlossen, weil die Klägerin den Beschaffungsweg nicht eingehalten hatte. In diesem Fall ist das Jobcenter für eine entsprechende Leistungsgewährung verantwortlich.

Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG umfasst auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung. Das Jobcenter ist daher verpflichtet, das medizinische Existenzminimum durch Übernahme der Kosten für die Brillenreparatur für den Fall sicherzustellen, dass diese tatsächlich nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Der Anspruch der Klägerin ist der Höhe nach jedoch auf das medizinisch Notwendige – hier 256 € für Gläser aus Standardmaterial – begrenzt.

Landessozialgericht NRW, Urteil vom 19.02.2025, L 12 AS 116/23

Erstveröffentlichung in HEMPELS 7/2025

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Zu den rechtfertigenden Gründen für einen Umzug innerhalb der Angemessenheitsgrenzen

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Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II werden nach einem nicht erforderlichen Umzug in eine teurere – aber noch angemessene – Wohnung nur die Mietkosten der bisher bewohnten Wohnung anerkannt. In einem aktuellen Urteil hat das SG Rostock die Erforderlichkeit eines Umzuges aus nachfolgenden Gründen bejaht:

  • Für eine 60jährige Leistungsberechtigte nach dem SGB II ist eine Wohnfläche mit nur 29,60 qm, welche die Angemessenheitsgrenze von hier 45 qm um 15 qm unterschreitet, sozial-untypisch klein und beengt und ein Umzug schon deswegen erforderlich.
  • Der Auszug aufgrund der Beengtheit der Wohnverhältnisse war im konkreten Fall auch aus gesundheitlichen Gründen sowie zur Aufrechterhaltung der Erwerbsfähigkeit erforderlich.
  • Der Grundsatz „Keine Deckelung der Unterkunftskosten bei Neueintritt der Hilfebedürftigkeit“ (BSG, Urteil vom 09.04.2014, B 14 AS 23/13 R) durch die Erzielung von bedarfsdeckendem Einkommen in mindestens einem Monat scheitert nicht daran, dass der Arbeitgeber das Monatseinkommen verteilt auf zwei Monate ausgezahlt hat; auch die Entgeltersatzleistung Krankengeld zählt zum Einkommen.
  • Die für die Klägerin nicht vorhersehbare vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses lässt den plausiblen Grund für den Umzug auch nicht nachträglich wieder entfallen.

Die Mietobergrenzen der Hansestadt Rostock (berechnet aufgrund der Werte des qualifizierten Mietspiegels der Stadt) beruhen im Übrigen auf einem „schlüssigen Konzept“ im Sinne der Rechtsprechung des BSG.

SG Rostock, Urteil vom 22.06.2017, S 13 AS 845/14

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt