Schimmel in der Wohnung begründet Umzugsgrund

(c) Gerd Altmann / pixelio.de

(c) Gerd Altmann / pixelio.de

Von einer Erforderlichkeit des Umzuges kann nicht erst bei Eintritt eines Gesundheitsschadens ausgegangen werden. Bereits bei einer konkreten Gesundheitsgefährdung durch Schimmel in der Wohnung ist das Jobcenter verpflichtet, die Zustimmung zu einem Umzug zu erteilen.

Vor das Sozialgericht gezogen war eine 1982 geborene Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“). Nachdem sich in ihrer Wohnung nach einer Schimmelentfernung in kurzer Zeit erneut Schimmel gebildet hatte, kündigte sie ihre Wohnung und begehrte vom Jobcenter Kiel die Zustimmung zur Anmietung einer neuen Unterkunft. Diese Zustimmung lehnte das Jobcenter mit der Begründung ab, nach der Stellungnahme des Gesundheitsamts der Stadt Kiel sei bei baulichen Mängeln vorrangig der Vermieter für deren Behebung zuständig. Die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels bei Schimmelbefall könne deshalb grundsätzlich nicht ausgesprochen werden. Die Leistungsempfängerin müsse stattdessen bei ihrem Vermieter eine erneute Schimmelsanierung durchsetzen, da andernfalls auch ein Nachmieter einer Gefährdung durch Schimmel ausgesetzt wäre.

Dieser Argumentation folgte das SG Kiel nicht und verpflichtete das Jobcenter Kiel zur Erteilung der begehrten Zusicherung. Denn das Hinwirken auf weitere Beseitigungsmaßnahmen war der Antragstellerin nicht zumutbar. Von der Antragstellerin, so das Gericht, „kann nicht verlangt werden, ihre Gesundheit im Interesse der Solidargemeinschaft weiter zu gefährden. Etwas anderes kann auch im Hinblick auf die Stellungnahme des Gesundheitsamts nicht gelten. Zwar sei hiernach ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht notwendig. Zur Begründung wird jedoch nicht etwa ausgeführt, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin seien nicht auf den Schimmelbefall in ihrer Wohnung zurückzuführen und ein Umzug könne ihre Gesundheit daher nicht positiv beeinflussen. Vielmehr hat das Gesundheitsamt die nicht in seinen Aufgabenbereich fallende rechtliche Würdigung vorgenommen, dass bei Schimmelbefall nicht von der Notwendigkeit eines Umzugs ausgegangen werden könne, da der Mieter die Mängelbeseitigung durch den Vermieter herbeizuführen habe. Diese Ausführungen stehen in keinem Zusammenhang mit den von der Antragstellerin geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Weshalb es der Antragstellerin zumutbar sein soll, sich im Interesse etwaiger Nachmieter weiterhin den gesundheitsgefährdenden Zuständen in ihrer Wohnung auszusetzen erschließt sich der Kammer im Übrigen nicht.“

(SG Kiel, Beschluss vom 29.7.2009, S 9 AS 399/09 ER)

Erstveröffentlichung in HEMPELS 09/2014

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt