ALG II trotz Immatrikulation

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Es entspricht der gängigen Praxis des Jobcenters Kiel, ALG II erst ab dem Zeitpunkt der nachgewiesenen Exmatrikulation zu bewilligen und die Zahlungen von ALG II ab dem Zeitpunkt der Immatrikulation einzustellen. Diese ständige Verwaltungspraxis ist rechtswidrig.

ALG II nach Abschluss der Ausbildung

Nach § 7 Abs. 5 SGB II erhalten Auszubildende, deren Ausbildung u.a. im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig ist, kein ALG II. Auszubildender ist, wer sich in einer Ausbildung befindet. Die Ausbildung – und damit zugleich auch die Förderungsfähigkeit nach BAföG – endet mit dem Bestehen der Abschlussprüfung, § 15 b Abs. 3 Satz 1 BAföG. Ab dem Tag nach der Prüfung besteht mithin – unabhängig von der bestehenden Immatrikulation – ein ALG II-Anspruch (zur Berechnung § 41 SGB II). Denn neben einer organisatorischen Zugehörigkeit zur Universität ist das „tatsächliche Betreiben“ der Ausbildung Voraussetzung der Förderungsfähigkeit nach BAföG (BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 102/11 R, Rz. 16 f. m.w.N.; BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 197/11 R, Rz. 17) und es entspricht auch dem semantischen Gehalt des Wortes „Ausbildung“, dass tatsächlich gelernt wird.

ALG II vor Beginn der Ausbildung

Nichts anders gilt für den Zeitraum nach der Immatrikulation aber vor dem Beginn der Einführungsveranstaltungen. Auch hier kann nicht allein auf die Immatrikulation abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr, wann das Studium tatsächlich aufgenommen wird (BSG, Urteil vom 28.03.2013, B 4 AS 59/12 R, Rn. 19 f. zum Regelungsbereich SGB II/ALG II; a.A. SG Kiel, Urteil vom 15.02.2017, S 37 AS 347/15). Bis zu diesem Zeitpunkt steht auch ein eingeschriebener Student dem Arbeitsmarkt wie ein normaler Arbeitsloser zur Verfügung (vgl. SG Mainz, Pressemitteilung vom 09.08.2012 zum Aktenzeichen S 4 AL 314/10 zum Regelungsbereich SGB III/ALG I; BSG, Urteil vom 08.04.2013, B 11 AL 137/12 B zum ALG I; LSG Hessen, Urteil vom 26.06.2013, L 6 AL 186/10 sowie die Pressemitteilung des Hessischen Landessozialgericht zum Urteil vom 21.09.2012, L 7 AL 3/12 zum ALG I).

Kein ALG II in vorlesungsfreier Zeit

Anders verhält es sich freilich in der vorlesungsfreien Zeit zwischen zwei Semestern eines laufenden Studiums. Hier ist davon auszugehen, dass sich ein eingeschriebener Student auch in dieser Zeit seinem Studium widmet und sich damit in der „Ausbildung“ befindet (SG Mainz a.a.O.).

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Nachtrag 28.09.2014: Die o.g. Urteile des BSG sind jetzt in den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu § 7 SGB II eingearbeitet.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt