Alt, arm, arbeitslos!
Veröffentlicht: 25. August 2011 Abgelegt unter: 50PlusKERNig Kiel | Tags: 50Plus, 50Plus KERNig, Jobcenter Kiel 2 KommentareUnter den Titel „Alt, arm, arbeitslos“ hat die ARD am 24.08.2011 über das Programm „50Plus“ der Bundesagentur für Arbeit berichtet. Der – erschreckende – Bericht ist hier nachzusehen.
Nachtrag:
Eine interessante Diskussion zum Thema hat der MDR am 12.09.2011 ausgestrahlt: Fakt ist…! Aus Leipzig 12.09.2011, 22:15 Uhr.
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7
Hallo !
In der Sendung „Alt, arm, arbeitslos“ der ARD am 24.08.11, über das Programm „50Plus“, wurde doch nur Bekanntes gezeigt.
Das es einige Bildungsträger und andere Auftragnehmer der Jobcenter mit Ihrem Auftrag zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht ganz so genau nehmen ist auch nichts Neues. Spiele spielen, Sport machen, Spazieren gehen, ja irgendwie muss man die Zeit mit den vom Jobcenter gut bezahlten Arbeitssuchenden doch nutzen. In diesem Beitrag wurde es uns nur wieder einmal vor Augen geführt.
„Sport-Spiel-Spannung“ ist eine alte Unterhaltungsform der 70iger Jahre, damaliger Moderator im Fernsehen war Klaus Havenstein. Vierzehn Jahre moderierte er die beliebte Kindersendung. Hier haben also alle Teilnehmer noch viel Zeit. LEIDER.
Aber es gibt auch sinnvolle Maßnahmen, das kann ich berichten. Wo ALGII-Empfänger real auf die berufliche Zukunft hin geschult, begleitet und sinnvoll unterstützt wurden. Wo MANN oder FRAU das Gefühl haben etwas für sich zu schaffen, was sie dann auch mental und beruflich voran bringt. In einer Gemeinschaft zu sein, am sozialem Gefüge teilnehmen zu können, jemanden zum Reden haben, sich austauschen, ist auch für manchen eine Hilfe, die er allein vor dem Fernseher nicht hat.
Aber um was geht es eigentlich?
Es geht darum, das Arbeitswillige Ü50 eine Arbeit bekommen von der sie auch Leben können. Nicht mehr und nicht weniger. Ist das denn Zuviel verlangt?
Sie wollen keinen 1 € Job, keine ABM, keine unbezahlten Praktika! Sie wollen ihre Erfahrung und ihr Können in ein Unternehmen einbringen.
Zu sagen, SIE SIND ZU ALT, wenn es denn mal gesagt wird, und nicht nur „durch die Blume“, ist schon eine Frechheit. Wenn es dann so ist, frage ich mich allen Ernstes, warum gibt es so viele Personalentscheider, die auch jenseits der 50 sind? Die sind dann doch auch nicht mehr Leistungsfähig, sind Anfälliger für Krankheiten, haben nur geringe Motivation, sind doch zu Alt. Oder?
Nein, aber nun wieder Ernsthaft. Es muss in die Köpfe vieler Arbeitgeber, dass sie hier ungeahntes Potenzial nicht nutzen. Das es Arbeitnehmer Ü50 gibt, die nicht mehr „Kosten“ wie ein 30jähriger, die auf aktuellem Stand sind oder sich gebracht haben, die hohe Motivation haben, die unbedingt Karriere machen wollen, und eventuell den Betrieb den Rücken kehren, die nicht mehr schwanger werden, die Loyal und Zuverlässig sind. Nein, hier sind Menschen, die wollen und können!
Arbeitgeber traut euch, ihr müsst den Anfang machen. Viele warten auf eine Einladung. Schaut sie euch doch zumindest einmal an.
Sie sollen herausfinden, was sie noch können, rollend auf einem Ball, mit einem Federballschläger in der Hand?
Die Gewinner der Arbeitsmarktentwicklung sind die Älteren? Wer ist der Ältere? Der über 35, der über 40, der über 50 Lebensjahre?
Die Bundesagentur für Arbeit, aus einer Position „oberhalb“ eines „Arbeitsvermittlers“, erklärte mir schon mit knapp über 40 Lebensjahren: „Machen sie sich nichts vor, für diesen Arbeitsmarkt sind sie viel zu alt“. Hätte ich denen Glauben geschenkt, wären mir einige Berufsjahre in der Folge verloren gegangen. Allerdings ist es in der Tat so, dass die gesellschaftliche Ablehnung von Bürgern mit Lebenserfahrung schon ihr System gefunden hat. Oft ist es doch, dass man eher auf jüngere „Ressourcen“ zurückgreifen möchte, die sich mit geringeren Ansprüchen an eine Arbeitsatmosphäre und schon gar nicht zu beidseitigen Nutzen, zufrieden geben. Entsprechend bleiben Bewerbungen dann aussortiert, wenn ein Geburtsdatum sichtbar wird. Da können noch so viele Arbeitsjahre, gepflastert mit positiven Beurteilungen locken. Es locken eventuell noch Subventionsgelder, Subventionen eines Teils des Arbeitslohnes im begrenzten Zeitrahmen und die damit verknüpfte positive Motivation älterer Arbeitnehmer. Danach kommt in der Folge viel zu oft wieder der „freie Fall“. Die Initiative der Bundesarbeitsministerin, mit dem Ziel der Schönrechnung der Statistiken, ältere Arbeitnehmer wieder in Beschäftigung, nicht grundsätzlich in Existenz sichernde Arbeit zu bringen, klingt oberflächlich recht lobenswert. Was aber vor dieser angeblichen Bemühungen steht, verschweigt die Ministerin wohl wissend: Um in den zweifelhaften Genuss der „spätrömischen Dekadenz“, dem Hartz IV, zu gelangen, müssen weitestgehend verfügbare und in einem Arbeitsleben aufgesparte finanzielle Ressourcen verbraucht werden. Das praktische „Aufessen“ der Ressourcen staatlich verordnet. Dann greifen vorzugsweise die vormundschaftlichen Handlungen der Arbeitsvermittler, der Fallmanager, der Sachbearbeitungen, die plötzlich ein Leben und ein dahinter stehendes Lebenswerk in Frage stellen wollen, mit der Androhung der endgültigen Existenzvernichtung, dem Entzug jeder Lebensgrundlage in unserem Land, erfolgt ein Gefügig machen, in Maßnahmen für ein angeblich neues fitt machen in einem sich wundersam entwickelten Arbeitsmarkt: Puzzle zählen, Ballhüpfen, Federball spielen oder auch Papier aufsammeln, in den Straßen der noch an der Gesellschaft partipizierenden Zeitgenossen. Für jeden über 50jährigen gibt es eine passende Zuteilung, wenn man sich nur willfährig und widerstandslos genug zeigt!
Die Verhöhnung Betroffener zeigt sich auch in der gezielten Benennung dieser Neuerfindung einer Arbeitslosenversicherung: „Ämmi“ nennt sich die neue arbeitsmarktpolitische Initiative in dem einen Bundesland, verniedlichend und (groß-)mütterlich daherkommend, 50+kernig dagegen hier in Kiel, vielleicht auch Gefahr transportierend, denn 50jährige können durchaus auch kernig sein, bleiben sie also bitte vorsichtig! 50plus hingegen, stellt hier schon die Absurdität zu dem Beginn des Beitrages bei Spiel, Sport und Spaß der Betroffenen dar und Arbeitsstellenvermittler, so deren beruflicher Ursprung, als Pseudotherapeuten eines kranken Arbeitsmarktes mit einer krankhaft anmutenden Profilierungsneurose einiger Politiker(innen).
Eingliederungsvereinbarungen als rechtliche Handhabe sollen Betroffene unterschreiben, damit sie in derartigen mehr oder gar nicht sinnvollen Beschäftigungen integriert werden können, immer davon ausgehend, dass vor einer Eingliederung auch eine rechtswidrige Ausgliederung erfolgt sein muss.
Einer schreibt hier in einem Kommentar an die Arbeitgeber, sie sollen sich trauen. Das haben die doch längst. Eine ungezählte Anzahl Arbeitsplätze wurden rationalisiert, ins Ausland exportiert oder anderweitig beseitigt. Ein Heer von subventionierten Ein-Euro-Jobbern, neudeutsch jetzt auch gern Bundesfreiwilligendienst genannt, ist wesentlich günstiger zu unterhalten, als ein Arbeitnehmer der vielleicht so gar noch einen Anspruch auf die Ernährung seiner Familie durch seine Arbeitsleistung stellt.
Ich gewinne den Eindruck, dass es nicht mehr die Zeit ist zu bitten, sondern eindeutig die Zeit kommt, mit Nachdruck zu fordern, die uneingeschränkte soziokulturelle Teilhabe aller Bürger, die Achtung und Beachtung der Menschen im Land, eine Umkehr zur Vernunft in einem menschlichen Miteinander. Traut Euch endlich das zu, Arbeitgeber genau so, wie auch die Arbeitnehmer!