Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu!

Im konkreten Fall  erkannte das Jobcenter Kiel im Jahr 2009 von der tatsächlichen Miete der Leistungsberechtigten in Höhe von rund 405 Euro nur die sog. Mietobergrenze von 327 Euro bruttokalt – also inklusive Betriebskosten – (später 362,80) an. Die Differenz zu ihrer tatsächlichen Miete bezahlte die Leistungsberechtigte aus ihrem Regelsatz von 359 Euro. Im September 2009 erhielt die Leistungsbezieherin von ihrem Vermieter die Betriebskostenabrechnung für das Vorjahr, die mit einem Betriebskostenguthaben in Höhe von 297,40 Euro abschloss. In dieser Höhe minderte der Vermieter die Miete für November 2009. Das Jobcenter Kiel erbrachte daraufhin für November 2010 nur Leistungen für die Unterkunft abzüglich des Guthabens von 297,40 Euro und begründete dies damit, Betriebskostenguthaben minderten nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II die Aufwendungen für die Unterkunft. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 02.12.2010 entschied das Sozialgericht Kiel, dass die mindernde Berücksichtigung von Betriebskostenguthaben rechtswidrig ist, wenn das Guthaben nicht durch Leistungen des Jobcenters für die Unterkunft entstanden ist, sondern auf Zuzahlungen des Leistungsberechtigten zur Miete beruht. Als Faustformel gilt: In Höhe der monatlichen Zuzahlungen zur Miete x 12 Monate steht eine Betriebskostenguthaben den Hilfebedürftigen zu und nicht dem Jobcenter und darf daher weder zurückgefordert werden noch auf die Leistungen für die Unterkunft angerechnet werden. Betroffene sollten sich auf jeden Fall fachkundigen Rat holen, da das Jobcenter Kiel seine rechtswidrige Verwaltungspraxis weiter fortsetzt.

Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 02.12.2010, S 38 AS 588/10 ER

Erstveröffentlichung in Hempels 03/2011

Nachtrag 23.04.2012:

Zwischenzeitlich liegt von der selben Kammer das Urteil vom 07.02.2012, S 38 AS 218/10 (nicht rechtskräftig) vor.

Nachtrag:

Wie hier für Heizkostenguthaben, die auf Zahlungen aus dem Regelsatz beruhen, SG Chemnitz, Urteil vom 31.01.2013, S 40 AS 5401/11; SG Chemnitz, Urteil vom 31.01.2013, S 40 AS 540/11, SG Chemnitz, Urteil vom 11.04.2013, S 14 AS 4157/13 (das SG Chemnitz hat in allen Verfahren die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen).

Nachtrag 16.06.2018: Zu 01.08.2016 wurde § 22 Abs 3 SGB II um den Halbsatz „Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht“ ergänzt. Damit ist die Rechtslage in dem hier dargestellten Sinne vom Gesetzgeber geändert worden. Die Neuregelung ist nicht für Zeiträume vor dem 01.08.2016 anwendbar, vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2018, B 14 AS 22/17 R.

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Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


15 Kommentare on “Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu!”

  1. Anonymous sagt:

    […] Hier auch noch etwas zum Thema (Guthaben, wenn die KdU nicht voll bewilligt wurden, also im Gegensatz zu oben): *klick* Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu! | Sozialberatung Kiel […]

  2. […] Das ist umstritten. Hast du dir die Verlinkungen durchgelesen? Guck mal bitte hier: Link: Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu! | Sozialberatung Kiel […]

  3. […] meiner Zuzahlung aus dem Regelsatz..Und dann melde ich mich wieder! Das hier hatte ich gefunden: Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu! | Sozialberatung Kiel Und dann noch etwas von einem Kieler Anwalt aber das finde ich gerade nicht mehr. Viele […]

  4. Kathrin sagt:

    Ich erhalte EU-Rente, meine Tochter erhält Ausbildungsgeld, nur mein Sohn und Ehemann erhalten Geld von Amt. Jetzt hab ich Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung erhalten. Darf die Arge das komplette Geld einbehalten? LG Kathrin

    • Bitte auf die Rechtschreibung achten!

      Gehören Familienmitglieder nicht zur Bedarfsgemeinschaft (=tauchen nicht im ALG II Bescheid auf), mindert deren Anteil (z.B 1/4) am Nebenkostenguthaben den ALG II-Leistungsanspruch nicht.

  5. Jade sagt:

    Hallo,

    ich wohne in einem Wohnheim für psychisch erkrankte. Die Kosten für die Unterkunft und die Eingliederungshilfe übernimmt die grundsicherung.
    Mein Mann wohnt in „unserer“ gemeinsamen Wohnung zurzeit alleine.
    Er wird ein Guthaben aus der Betriebsabrechnung bekommen.
    Darf die grundsicherung das Geld bei mir anrechnen ?

    • Da Ihnen der Teil des BK-Guthabens zu 1/2 zusteht, der anteilig aus den Monaten resultiert, in denen Sie noch mit in der Wohnung gewohnt haben, würde ich sagen: In dem beschriebenen Umfang ja. Die Frage ist, ob die Eingliederungshilfe Sie auffordert, diesen BK-Guthabenanteil bei Ihrem Mann geltend zu machen.


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