Datenschutz beim Bezug von ALG II
Veröffentlicht: 17. April 2012 Abgelegt unter: Datenschutz, Datenschutz beim Bezug von ALG II | Tags: B 14 AS 151/10 R, BSG B 14 AS 65/11 R, Hartz IV Datenschutz, Hartz IV Sozialgeheimnis 2 KommentareIn der hiesigen anwaltlichen Praxis ist aufgefallen, dass bisweilen ein sehr reger Informationsaustausch zwischen Jobcentern und Vermietern stattfindet – nicht selten auch an den leistungsberechtigten Mietern vorbei. So ist es jüngst einem Vermieter sogar gelungen, sein (nicht zustimmungsfähiges) Mieterhöhungsverlangen – dem die Mieterin nicht zugestimmt, dieses allerdings beim Jobcenter vorgelegt hatte – durch direkte Forderungsschreiben an das Jobcenter Kiel faktisch durchzusetzen, indem das Jobcenter dazu bewegt werden konnte, die erhöhte Miete (direkt an den Vermieter) zu zahlen.
BSG zum Datenschutz gegenüber Vermietern
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. Januar 2012 im Verfahren B 14 AS 65/11 R festgestellt, dass das beklagte Jobcenter durch sein Schreiben an den Haus- und Grundbesitzerverein E. sowie durch seine Telefongespräche mit diesem und mit dem Ehemann der früheren Vermieterin der Kläger unbefugt Sozialgeheimnisse der Kläger offenbart hat, indem er den Leistungsbezug der Kläger mitgeteilt hat. Nach den auch für das SGB II geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Der Beklagte kann das Offenbaren der Sozialdaten hier nicht damit rechtfertigen, dass dies erforderlich gewesen sei, um die eigenen Aufgaben zu erfüllen. Er musste in jedem Fall die schutzwürdigen Interessen der Kläger beachten und hätte deshalb vor einer Kontaktaufnahme mit Dritten zunächst das Einverständnis der Kläger einholen müssen. (Medieninformationen Nr. 2/12 vom 25.01.2012).
Spagat für die Jobcenter
Es ist sicher ein Spagat für die Jobcenter: Viele Vermieter wissen um den Leistungsbezug ihrer Mieter ohnehin – schon wegen den häufig gewünschten Direktzahlungen, der Vorlage von Wohnberechtigungsscheinen bei der Wohnraumanmietung usw. – und eine direkte „Zusammenarbeit“ zwischen Vermieter und Jobcenter erleichtert sicherlich auch in vielen Fällen die Arbeit. Auf der anderen Seite sind datenschutzrechtliche Belange der Leistungsberechtigten strikt zu beachten. In allen Angelegenheiten, die das Mietvertragsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter betreffen, sollten die Jobcenter ohnehin strikt an die Mieter verweisen – schon, um missliche Folgen wie die Eingangs geschilderte auszuschließen. Grundsätzlich hat das Jobcenter Kiel das Problem auch schon erkannt (vgl. Nachrichten aus dem Jobcenter 02/2011, Jobcenter und Vermieter).
Weiterführende Infos:
https://www.datenschutzzentrum.de/blauereihe/blauereihe-alg2.pdf
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
Der Spagat des Jobcenters wird sich eher in anderer Dimension bewegen, denn:
Das Jobcenter Kiel legt bei Antragstellung eines Leistungsberechtigten diesem eine Vollmacht zur Mietabtretung vor und fordert zur Unterschrift auf. Diese Vollmacht ermächtigt dann das JC, die Miete direkt zu überweisen. Zur Begründung äußert dann die Sachbearbeitung je nach eigenem Intellekt mehr oder weniger phantasievoll:
1. Ohne Unterschrift gibt es keine Leistung
2. Das ist hier so üblich und wir können das nur so handhaben
3. Das müssen Sie unterschreiben
4. Das ist so festgelegt
Hier verbergen sich eindeutig Falschauskünfte, die oft mit der Androhung der Leistungsverweigerung gleich bei Antragstellung rechtswidrig untermauert werden.
Ich habe bei meiner Antragstellung die Sachbearbeiterin auf mein Vertragsrecht hingewiesen und jede Einmischung in mein Mietverhältnis untersagt. Leider neigen die Mehrheiten Betroffener eher dazu, widerspruchlos nachzugeben.
Gleichfalls verschafft sich das JC auch unzulässig Daten, die zur Prüfung der Leistungsberechtigung nicht erhoben werden müssen. Das JC verlangt bei Antragstellung die Kopie des kompletten Mietvertrages. Eine Mietbescheinigung wird nicht akzeptiert. Die Vorlage des Mietvertrages ist lt. Antragsformular FREIWILLIG und nicht wie vom JC behauptet, zwingend erforderlich!
Die unerlaubte Datenerhebung erstreckt sich auch in andere Bereiche. So wollte die Sachbearbeiterin sogar meinen Personalausweis kopieren.
Wie dann mit den persönlichsten Daten von Jobcentern oft genug umgegangen wird, kann man nicht nur im Internet nachlesen und auch hin und wieder in den Medien verfolgen.
Ich rate jedem mündigen Bürger, im Zweifelsfalle beim Landesdatenschutzbeauftragten nachzuhaken – oder direkt beim „Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit“!
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