Quo vadis, Jobcenter Pinneberg?

Ratgeber-Hartz-IV-Empfaenger-sollen-Leitungswasser-trinken_ArtikelQuerLeitungswasser trinken und Möbel verkaufen: Das Jobcenter Pinneberg hat in einer an Geschmacklosigkeit nur schwer zu überbietenden Broschüre Spartipps für Hartz-IV-Empfänger veröffentlicht. Ebenfalls pikant ist, dass sich manche Tipps so lesen, als ob sie für Grundschulkinder verfasst wurden. Einige Passagen wie etwa die folgende klingen zudem schlichtweg bösartig: Als Sylvia ein Sechserpack Selter in den Einkaufswagen hieven will, hält Martina sie zurück. Martina: „Wusstest du eigentlich, dass Leitungswasser oft eine bessere Qualität hat als Mineralwasser?“ Sylvia: „Aber es schmeckt nicht so gut. Martina: „Vielleicht müsst ihr euch nur daran gewöhnen. Bei Getränken könntet ihr eine Menge sparen.“ „Ben trinkt nichts außer Cola“, erwidert Sylvia skeptisch. „Jetzt wohl schon“, erwidert Lara und grinst. Der Vize-Chef der Bundesagentur für Arbeit lobt die Broschüre dennoch als „tollen Ratgeber“. Die Broschüre hat eine kontroverse Diskussion und ein Rauschen im Blätterwald ausgelöst. Hier einige der rauschenden Blätter:

Die Welt: Hartz-IV-Empfänger sollen Vegetarier werden
Hamburger Abendblatt: Broschüre: Hartz-IV-Empfänger sollen Vegetarier werden
Hamburger Abendblatt: Kritik an Pinneberger Jobcenter-Broschüre
SHZ: Bundesagentur verteidigt Tipps für Hartz-IV-Empfänger
SHZ: Hartz-IV-Broschüre – Billige Effekthascherei
SHZ: Streit um Hartz-IV-Comic
SHZ: „Kritiker haben die nicht richtig gelesen“
taz: Passgenauer Paternalismus – Wie viel ist zu viel?
taz: Gastbeitrag: Staatsdoktrin Sanktionsterror
Focus: Broschüre des Jobcenters: „Auf Fleisch verzichten, weniger heizen“
Focus: „Wirklich dämlich, da wird Hartz IV als die Chance des Lebens verkauft“
Rheinische Post Online: Jobcenter sorgt mit Spar-Ratgeber für Aufregung
N24: Zynische Tipps für Hartz-IV-Empfänger
web.de: Hartz IV: bizarre Spartipps vom Jobcenter Pinneberg
junge Welt: Ratgeberschmiede des Tages: Jobcenter Pinneberg
Lübecker Nachrichten Online: Ratgeber: Hartz-IV-Empfänger sollen Leitungswasser trinken
der Freitag: Jobcenter: Bezieher sollen Möbel verkaufen
gegen-hartz.de: Jobcenter: Hartz 4 Bezieher sollen Möbel verkaufen
gegen-hartz.de: Pinneberger Hartz IV Ratgeber voller Rechtsfehler
dpa/Kieler Nachrichten: Arbeitsagentur verteidigt Spar-Tipps für Hartz-IV-Empfänger

Der „Ratgeber“ findet sich hier: jobcenter-kreis-pinneberg.de

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt

weiter lesen: http://web.de/magazine/finanzen/versicherungen/17646546-hartz-iv-pikante-spartipps-jobcenter-pinneberg.html#.A1000145
weiter lesen: http://www.gmx.net/themen/finanzen/versicherungen/46ai85u-hartz-iv-pikante-spartipps-jobcenter-pinneberg#.A1000146

7 Kommentare on “Quo vadis, Jobcenter Pinneberg?”

  1. Hei, das Thema habe ich heute auch schon in meinen Blog gestellt, als ich davon morgens bei RSH in den Nachrichten hörte. Das ist doch die Härte 10. Das zu verbreiten, ist auch wichtig.

    • Ja, es fehlte mir tatsächlich die Muße, zu diesem Thema auch noch meinen Senf abzugeben. Da ist ja schon viel – und überwiegend Zutreffendes – zu geschrieben worden. Aber dieses Machwerk ist schlicht eine solche Instinktlosigkeit, dass sich ein Verschweigen verbat. Interessant wäre allenfalls ein tiefenpsychologische Deutung, welche unbewussten Prozesse so in den Köpfen der Verfasser abgelaufen sein müssen, als sie dieses Elaborat fabrizierten. Da dürften sich Abgründe auftun …

      • Was ich übrigens dabei auch interessant fand, waren die Passagen, in denen dem älteren Familienvater über 50 ohne Probleme ein SAP-Kurs und später noch ein guter Englisch-Kurs finanziert werden. Was ich erlebt habe, sieht ganz anders aus. Wir beide kennen uns ja daher, dass ich anfänglich meine indirekte Erfahrung über den FAW-Kurs 50plus meines Mannes in Kiel hier in der 50plus-Ecke Kiel eingebracht habe. .. Die Eingliederungsvereinbarung dazu hat er in dem Glaube unterschrieben, dass er dort unter anderem SAP lernen könnte. Das wurde dann aber abgelehnt, als er schon da war. Aufhören durfte er aber nicht, obwohl sie wie ich schon berichtet habe, dort ja rein gar nichts gemacht haben.
        Englisch hätte ich selbst gern gelernt, als ich noch jünger als heute (bin jetzt 60) in 1999/2000 das erste Mal über ein Jahr von meinem Ex-Mann getrennt lebte. Damals habe ich an der Grone-Schule einen 1-Jahres-Kurs bekommen, der zwar besser als das war, was man jetzt Menschen über 50 vorsetzt, aber der Englisch-Kurs war wie alles andere so eine Zumutung, dass ich gefragt habe, den bitte nicht in mein Zeugnis aufzunehmen, der ganze Kurs hat das verlangt, weil wir alle besser Englisch konnten als die Lehrerin. Die Frau war ein Jahr lang als vorher gelernte Altenpflegerin zur Inlingua-Schule gegangen und hatte dort in einem Crash-Kurs Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch gelernt.
        Die sprach wesentlich schlechter Englisch als jeder von uns und sollte uns zensieren. Das hätte sie gar nicht gekonnt und unterrichten konnte sie uns auch nicht. Sie hat von uns was gelernt.
        Für mich wäre das als gelernte Industriekauffrau wichtig gewesen, war lange aus dem Beruf raus und vorher im Sekretariat von Dr. Ing. Hell gewesen, falls Ihnen diese Firma was sagt. Englisch ist in dem Job sehr wichtig, aber solche Kurse helfen einem ja nicht weiter.

        Dieses Thema so zu behandeln ist so falsch dargestellt und geht vollkommen an der Realität vorbei.

        Genauso die Ecke, dass sie helfen, älteren Leuten einen Einstieg in die Selbständigkeit zu verschaffen. Das stimmt ja nicht.

        Ich habe mich nach dem Tod meiner Mama, die die Pflegestufe III hatte, ja mit 59 Jahren einfach als freiberufliche Texterin selbständig gemacht und meinen Mann dann mit ins Boot genommen.
        Ich kann ja nichtmal Rücklagen bilden, weil man unsere Selbständigkeit nicht anerkennt. Es wurde mir eiskalt gesagt, ich hätte ja gar nicht gefragt, ob ich das darf .. ja bin ich denn ein Säugling?
        Anders als beim Finanzamt kann ich so viel nicht absetzen und z. B. was ansparen, um mal einen anständigen Computer zu kaufen, der schneller als meine alte Klapperkiste wäre und dergleichen.
        Meine aktuelle Sachbearbeiterin war erstaunt, als ich ihr erklärt habe, gute Frau, was ich da mache, ist durchaus etwas aus meinem gelernten Beruf, ich war nämlich zuletzt Marketing-Assistentin, nur gab es damals noch kein Internet und auch keine Suchmaschinenoptimierung in der Werbung, Werbung aber schon.
        Die Zeiten haben sich nur so gewandelt, dass heute vieles anders ist und Online-Werbung läuft nunmal so, wie ich es jetzt nur durch Eigeninitiative gerade lerne.
        Das Jobcenter weiß nicht, wie unser Beruf, den wir jetzt ausüben, funktioniert. Die kennen das nicht. Warum nicht? Sollten Arbeitsvermittler nicht in der Lage sein zu wissen, wie heute überhaupt gearbeitet wird, und das in jedem Beruf und wie sich auch diese Tätigkeiten im Laufe der Zeit verändern?

        Dort wird es natürlich so dargestellt, als ob sie das wüssten und auch, dass ältere Leute doch alles an nötiger Weiterbildung und Hilfe erhalten.

        Was ist ein Witz.

        Aber gut gemacht, dieser Witz und auch wenn der Mensch, der sich das ausgedacht, es sicher nicht wollte.

        Der hlft, weil die Menschen sich darüber aufregen und es überall in den Medien kommt.

        LG
        Renate

        • Martina Bedregal Calderón sagt:

          Liebe Frau Renate Hafemann,

          so etwas kann ich mit ähnlichen Erfahrungen bestätigen. Ich hatte mehrere Jahre im Ausland gearbeitet, unter anderem als Dolmetscherin und Übersetzerin, Spanisch und Englisch spreche ich verhandlungssicher, war in Peru auch Englischlehrerin an Grundschulen.

          Hier in Deutschland braucht man dafür natürlich ein Diplom oder Zertifikat. Ich hätte 2006 an der Inlingua-Sprachenschule meine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin machen können, nach einem Einstufungstest dort sagte man mir, dass ich nur noch ein halbes Jahr dort lernen bräuchte, weil ich die Sprachen ja schon kann. Mein Großvater hätte das Ganze finanziert.

          Das Jobcenter aber (ich war damals arbeitsuchend) verbot mir den Kurs mit der Begründung, ich stünde dann ja vormittags dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Man würde mir dann jegliche Unterstützung streichen. – Inzwischen bietet das Jobcenter über Inlingua aber genau diesen Kurs an….haha. Ich habe seinerzeit dann ein Fernstudium Wirtschaftsenglisch und Wirtschaftsspanisch gemacht und beide mit Zertifikat mit Bestnote abgeschlossen (15 Punkte = 1+).

          Wenn Sie weitehin Ihre Englischkenntnisse erweitern möchten, könnten wir uns ja mal zusammentun, vielleicht als eine Art Konversationstreffen auf Englisch oder Austausch. Meine Emailadresse ist : gringa2pe@yahoo.co.uk

          • Hallo Martina,

            das ist nett, aber für mich ist das Thema Englischlernen jetzt überholt. Ich bin inzwischen über 60 und werde ganz sicher anders als damals vielleicht noch denkbar (das ist ja 14 Jahre her) von niemand mehr in meinem Beruf eingestellt werden. Ich schreibe ab und zu auch englische Texte als Texterin. Meistens allerdings lieber auf deutsch, weil ich da besser verdiene. Online-Texten ist ja international und wir Freiberufler sind eine Riesengruppe, die aus der ganzen Welt zusammen kommt. Falls Sie allerdings Arbeit suchen, die vollkommen altersunabhängig ist … meine e-mail Adresse ist Itancana@gmx.com … ich kann Ihnen gern erzählen, für welche Textportale ich arbeite und wie meine Erfahrungen da sind. Texte in Fremdsprachen werden dort genauso gebraucht wie welche in der Muttersprache. Man wird nicht reich dabei, aber man kann sich etwas dazu verdienen und mit der Zeit immer besser werden. Niemand kennt Ihr Alter in so einem Portal, sie haben dort einen Nick, nehmen Aufträge an, geben sie wieder ab und wenn der Kunde es mag, bezahlt er Sie dafür. Also ich helfe gern, wenn jemand sich diese Tätigkeit zutraut. Das Jobcenter wird allerdings sagen, das ist ja nur ein Nebenjob, solange Sie noch ergänzend Hartz IV brauchen, was vermutlich länger der Fall sein wird, denn da muss man sich eben reinfuchsen. Und das ist nicht so einfach.

            LG
            Renate

  2. Martina Bedregal Calderón sagt:

    Der Leitfaden der Kieler Jobcenter ist auch nicht besser. Auch dort präsentiert sich das Jobcenter als Behörde, das ein kleines Kind an die Hand nimmt und hilft und fürsorglich ist. Die Realität ist allerdings eine andere.

    Es zeugt davon, wie die Entwerfer solcher Leitfäden die Leistungsberechtigten sehen und wie sehr in den Köpfen vieler Bürger schon das durch Politik und Medien geschürte Bild des unmündigen (entmündigten?) Erwerbslosen gefestigt ist.

    • Wenn denn Fürsorglichkeit zumindest der ernst gemeinte Anspruch ist, wäre das ja in Ordnung. Den Kieler Leitfaden habe ich mir ehrlich gesagt noch nie durchgelesen.

      In der Tat verwundert die Machart der „Ratgeber“. Offenbar gibt es ein corporate design: Bilder + Dialoge in Kindersprache. Wer da die Zielgruppe sein soll, ist mir schleierhaft. Der Informationsgehalt ist zu gering, als das Erwachsene Lust haben dürften, sich durch ein Hartz-IV-Bilderbuch mit Sprechblasen auf niedrigstem Sprachniveau zu quälen, Kinder wiederum dürften interessantere Jugendliteratur finden und für Erstantragsteller, die sich einen frühen Überblick verschaffen wollen, ist der „Ratgeber“ einfach zu schwatzhaft und langatmig mit seinen 112 Seiten. Da gibt es im Internet knappere, prägnantere und vor allem bessere Ratgeber.


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