FDP Ratsfraktion: Bürgerentscheide nicht erschweren!
Veröffentlicht: 27. März 2014 Abgelegt unter: Stadt Kiel 4 KommentareZu der Presseerklärung der Initiatoren und Vertretungsberechtigten des Bürgerentscheides gegen die geplante Ansiedlung von Möbel Kraft und Sconto auf dem Prüner Schlag in Kiel erklärt der Fraktionsvorsitzende der FDP Ratsfraktion, Hubertus Hencke:
„Zu Recht weisen die Initiatoren darauf hin, dass der erste Bürgerentscheid Kiels ein großer Erfolg für die politische Kultur war und ist. Politische Stimmen, die nun eine gesetzliche Einschränkung des Bürgerentscheides fordern, verkennen Ursache und Wirkung. Natürlich müssen auch Investoren mit dem Risiko eines gegenteiligen Bürgerwillens leben und leben lernen. Sie bewegen sich nicht im rechts- und politikfreien Raum. Eine Einschränkung kann nur der fordern, der die eigene Meinung als unumstößlich richtig und die der anderen als falsch ansieht.
Tatsächlich ging es bei der Frage der Ansiedlung um eine persönliche Abwägung zwischen Naturschutz und Wirtschaftskraft. Diese Frage hat die FDP Ratsfraktion für sich klar zu Gunsten der Wirtschaftskraft beantwortet. Sie hätte es respektiert, wenn sich die Mehrheit der Abstimmenden für den Naturschutz entschieden hätte. Investoren wussten und wissen, dass auch der Bürgerwille ein zu berücksichtigender Faktor bei Ansiedlungen ist.
Als liberale Kraft, die Bürgerrechte als wesentliche Entscheidungsgrundlage ansieht, wird sich die Ratsfraktion der Kieler FDP deshalb mit aller Kraft gegen Versuche einsetzen, auf kommunaler Ebene Bürgerentscheide zu verhindern oder zu erschweren. Der Bürgerentscheid ist ein Korrektiv, der der Politik verdeutlicht, dass auch in einer repräsentativen Demokratie gewonnene Überzeugung vermittelt und die Menschen mitgenommen werden müssen.
Die FDP Ratsfraktion begrüßt die Erwartung der Initiatoren im weiteren Bauleitverfahren auf Augenhöhe mit den Gegnern der Ansiedlung zu verhandeln. Die FDP Ratsfraktion hält es bei der Ansiedlung für wesentlich, dass ein erheblicher Teil der Parkflächen unter dem Gebäude angebracht und dass die Fassade begrünt wird.
Klar muss aber auch sein, dass der Inhalt des Aufstellungsbeschlusses in vollem Umfang – auch mit der Sconto-Ansiedlung – zu akzeptieren ist. Über diesen Inhalt haben die Bürger abgestimmt. Dieses Ergebnis muss akzeptiert werden, auch wenn es knapp war.“
Presseinformation Nr. 26 / 2014 Kiel, 26. März 2014
Kiel Kontovers vom 26.03.2014: Werden Bürgerentscheide abgeschafft?
Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Bürgerentscheid auf eine Frage verkürzt ist. Hier Ansiedlung Möbel-Zentrum oder nicht. Hencke verkürzt die letztlich dahinterstehende Fragestellung auf „eine persönliche Abwägung zwischen Naturschutz und Wirtschaftskraft“.
Das wirft eine bezeichnendes Licht auf die Mehrheit der Parteien in der Kieler Ratsversammlung, die mittlerweile Bestandteil einer „Immobilien-Verwertungs-Koaltion“ sind. Früher einmal hatten die Parteien unterschiedliche Angebote – heute bieten sie nur noch an dafür oder dagegen zu sein.
Unsere städtische Realität braucht heute jedoch ganz andere Lösungen. Solche, die der Komplexität der Realität angemessen sind. Was Kiel braucht sind nicht Super-Koalitionen, die gerade so die Bürger bei Entscheidungen niederringen, sondern eine Politikkultur, die Meinungsvielfalt sucht, der besseren Ergebnisse wegen.
Die 47,5% haben nicht nur zwischen „Naturschutz und Wirtschaftskraft“ abgewogen, sondern zum Ausdruck gebracht, dass sich die Hälfte der Kieler Bürgerschaft gegen die aktuelle Stadtentwicklungspolitik ausspricht.
Diese Hälfte ist nicht einverstanden
– mit dem Umgang mit den nur noch ganz knappen Kieler Flächen
– dass Flächen für den Umsatz- und Arbeitsplatzneutralen und damit letztlich unproduktiven
Verdrängungswettbewerb willfährig zur Verfügung gestellt werden
– dass der Kieler Grund und Boden hergeben endlich ist und für kurzfristige
Unternehmensgewinne hergegebenes Stadtgrün auf ewig für die Bürgerinnen und Bürger
verloren sind.
Wo tauchte zum Beispiel auf beim Abwägungsprozess das Stadtentwicklungsziel „Innovative Stadt“ auf. Das Ringen darum eine zukunftsträchtige Branche nach Kiel zu bekommen (der Vertrag mit Möbel-Kraft läuft 15 Jahre).
Jetzt möchte Hencke, dass klar sein muss, „dass der Inhalt des Aufstellungsbeschlusses in vollem Umfang – auch mit der Sconto-Ansiedlung – zu akzeptieren ist.“
In seinem recht einfachen Demokratieverständnis jetzt also „Schwamm drüber“. Die vielen kleinen mindestens grenzwertigen Vorkommnisse jetzt mal schnell vergessen und weiter machen wie bisher?
Das entspricht der Haltung der Mehrheit der Parteien im Rat, inklusive der FDP. Das kommt nicht nur hier zum Ausdruck, sondern beispielsweise auch in der jüngsten Vergangenheit in der Steueraffäre Uthoff. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind schnell unter dem Mantel des Schweigens verschwunden. Diese Fragen lassen sich nicht auf die Person Gaschke reduzieren und sind nicht mit ihr verschwunden. Die Affäre hat vieles über die politische „Kultur“, über die Verwaltung usw. usw. deutlich gemacht, dass jetzt weiter folgenlos bleibt.
Hencke Erklärung liest sich leider nur oberflächlich nett, bringt aber letztlich zum Ausdruck, dass er zum Lager derer gehört, die regelmäßig das Vertrauen der Stadtbevölkerung untergraben und missachten.
Joachim Böse
Zum einen muss ein Bürgerentscheid Fragen nicht auf ein JA oder NEIN verkürzen. Es kann z.B. zu einer Frage mehrere Optionen geben. Die Fragestellung in diesem Fall lag an der Verkürzung durch das Vorpreschen der Stadtregierung. Ich bin der Meinung, dass man das Wahlergebnis nur auf den konkreten Fall anwenden darf und nicht verallgemeinern zur Meinung über Stadtentwicklungspolitik. Wir hatten ja gerade erst eine Kommunalwahl, wo alle Themen zur Disposition standen. Wenn man was sagen kann, so dass die Kieler in der Frage Möbel Kraft gespalten sind, aber die politische Entscheidung zum Bau ist nun doppelt gefallen und die Kritik mancher, dass der Bürgerentscheid die schräge Vorgeschichte geheilt hat, trifft auch zu. Die KielerInnen durften entscheiden und es war knapp. Schade, aber damit müssen wir leben. Man muss auch mal akzeptieren, wenn man einen politischen Kampf verloren hat. Ich finds ehrenhaft und bewundernswert, wenn einige noch die Kraft haben, jetzt noch das Schlimmste zu verhindern. Für viele von uns gilt aber: Aus Fehlern lernen und nächstes Mal besser vorbereitet sein. Dies war ja auch der erste Bürgerentscheid in Kiel. Denke auch mehr konkreter Widerstand könnte mehr verhindern. Z.B. entscheiden bei Bürgerentscheiden ja nicht immer nur die Betroffenen. Der Bürgerentscheid hat an sich durchaus das Lagerdenken durcheinander gebracht. Und vor allem deutlich gemacht, dass mehr Leute gegen Möbel Kraft sind, als für Kruber.
Die Kieler FDP – so lesen ich die PM – positioniert sich hier klar gegen von SPD und Grünen bereits laut angedachte Änderungen an § 16 g SH GO, die zu einer Einschränkung und Erschwerung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden führen sollen. Das ist uneingeschränkt zu begrüßen, sollte für eine Bürgerrechtspartei allerdings auch eine Selbstverständlichkeit sein.
Hubertus Hencke verkennt m.E. allerdings, dass ein nicht unerheblicher Teil der Kritiker einer Möbel-Kraft-Ansiedlung auch begründete Zweifel daran haben, dass diese Ansiedlung die Wirtschaftskraft der Stadt stärkt. Die Argumente Arbeitsplatzverlagerung, Verdrängungswettbewerb, Marktsättigung, Billigkonkurrenz für die Innenstadt durch Sconto, reiner Verkauf statt Produktion (die Wertschöpfung findet überwiegend in asiatischen Billiglohnländern statt) und schlechte Arbeitsplätze seien hier nur angerissen. Diese Bürger haben die Möbel-Kraft-Ansiedlung aus Gründen das Naturschutzes und aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus abgelehnt. Und auch, weil sie einfach in einer lebenswerten Stadt wohnen möchten und das Leben für sie eben nicht nur aus Konsum von Billigprodukten besteht.
Kurzum: Eine ehrliche PM, die mir im Kern gefällt, auch wenn ich klar gegen die Ansiedlung von Möbel Kraft war und bin und den stattgehabten „Wahlkampf“ von Seiten der Stadtverwaltung, vieler Ratsleute und den KN nicht für fair halte. Unter der Annahme, dass Werbung etwas bringt, lässt sich mit Fug sagen: Das war (auch) ein erkaufter Sieg. Und das konstatiere ich trocken, denn ich kann gut verlieren.
Was ich wichtig finde zu sehen ist, dass Kiel ja trotz der neoliberalen Sparpolitik nicht die Finanzsorgen losgeworden ist. Da muss man doch auch konstatieren, dass das keine Patentrezepte sein können. Mal eben 30.000 für eine Werbekampagne, hier ein Gutachten, die Immobilienwirtschaft, … Kiel wirft innerhalb dieser Sparlogik auch Millionen aus dem Fenster. Wenn Hencke recht hätte und Plakate den Ausgang nicht entschieden haben, so müsste er diese Ausgabe bei der Stadt ebenso kritisieren.