Bei Untätigkeitsklage keine Anrechnung der Geschäftsgebühr aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
Veröffentlicht: 9. Dezember 2016 Abgelegt unter: RA-Kosten 3 Kommentare
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Immer wieder versuchen es Behörden – hier das Justitiariat des Norddeutschen Rundfunks – weswegen es an dieser Stelle noch einmal klar gesagt werden soll:
Die Geschäftsgebühr aus einem Verwaltungs- oder Vorverfahren ist auf die Gebühren in einem Untätigkeitsklageverfahren auch im Verwaltungsrecht nicht anzurechnen. Zu beachten ist nämlich, dass Voraussetzung für eine Anrechung ist, dass der Streitgegenstand derselbe ist. Im Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren ist der Anwalt in der Hauptsache tätig. Im Verfahren der Untätigkeitsklage geht es bei der verwaltungsgerichtlichen Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ausschließlich um den Anspruch auf Bescheidung, nicht aber um die Sache selbst. Es handelt sich also faktisch um einen eigenen Instanzenzug. Da ein Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren zur isolierten Untätigkeitsklage nicht vorgesehen ist, kann insoweit auch keine Vorbefassung gegeben sein. Daher ist bei einer Untätigkeitsklage keine Anrechnung einer vorangegangen Geschäftsgebühr vorzunehmen.
Dem folgend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 14.09.2016, 4 A 64/16.
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
Habe ich es richtig verstanden, dass:
–
Du (Helge Hildebrandt) im Auftrag deiner Mandantin eine Untätigkeitsklage einreichen
mußtest, weil die Behörde (NDR) im Widerspruchs- und Verwaltungsverfahren nicht
in angemessener Frist tätig wurde?! (Wie gesagt, es ging hier nicht darum, wie entschieden
wird, sondern dass überhaupt mal entschieden wird).
–
Und der NDR wollte 147,56 € von deiner Mandantin haben, weil diese es gewagt hat, die
Behörde nach Ablauf einer angemessenen Frist zum Bearbeiten zu veranlassen!?
In eigener Sache, auch wenn es bei mir als Hartz IV – Empfänger „nur“ um Untätigkeitsklagen
in der Sozialgerichts- und nicht Verwaltungsgerichtsbarkeit ging und auch nicht um obiges
Thema, sondern um Kosten der Unterkunft:
Beim Übergang von ALG I (Versicherungsleistung!) ins ALG II (Hartz IV, steuerfinanziert) kam
es Anfang 2008 bei mir zu 3 Widersprüchen, die alle nicht rechtzeitig entschieden wurden
und ich bei allen 3 Untätigkeitsklagen einreichen mußte. Wie gesagt, es ging auch bei diesen
Untätigkeitsklagen nicht darum wie, sondern dass überhaupt mal entschieden wird!
Die großartigen 147,56 € ist meine RA-Vergütung für das Untätigkeitsklageverfahren, auf die der NDR gern die Beratungshilfegebühren aus dem vorgerichtlichen Verfahren anrechnen wollte.
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – L 19 B 24/08 AS – Beschluss vom 05.05.2008
Die Vorschrift der Nr. 3103 VV RVG, wonach sich der Gebührenrahmen nach Nr. 3102 VV RVG auf 20,00 EUR bis 320,00 EUR mindert, wenn eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren oder in einem weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, greift bei einer Untätigkeitsklage nicht ein. Ein Untätigkeitsklage nach § 88 SGG setzt zwar die Einleitung eines Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren voraus, ist aber nicht auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Inhalt gerichtet. Deshalb ist ein „Synergieeffekt“, der die Minderung des Gebührenrahmens nach den Vorstellungen des Gesetzgebers rechtfertigt, durch die anwaltliche Tätigkeit im behördlichen Verfahren, die auf die Abwehr eines Verwaltungsaktes oder den Erlass eines begehrten Verwaltungsaktes gerichtet ist und damit die Prüfung und Darlegung der materiellen Rechtslage erfordert, und dem gerichtlichen Verfahren, das von einem Rechtsanwalt die Prüfung der Einhaltung von Sperrfristen nach § 88 SGG und des Vorliegens eines zureichenden Grundes erfordert, nicht gegeben.
https://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/L_19_B_24.08_AS.htm