Keine Beratungshilfe für das Widerspruchsverfahren, wenn für das Überprüfungsverfahren Beratungshilfe gewährt wurde?

Logo BVerfGWurde Beratungshilfe für die Stellung eines Überprüfungsantrages gewährt, soll die Ablehnung der Beratungshilfe für ein anschließendes Widerspruchsverfahren den Rechtssuchenden nicht in seinem grundgesetzliche verbürgten Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG verletzen. Denn mit der anwaltlichen Beratung im Überprüfungsverfahren sei auch die anwaltliche Beratung im anschließenden Widerspruchsverfahren als bereit gewährt anzusehen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2016 – 1 BvR 1517/16 – ).

Bewertung

Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überzeugt nicht. Verwaltungsverfahren, Überprüfungsverfahren und Widerspruchsverfahren sind – was gebührenrechtlich vollkommen unstrittig weil gesetzlich eindeutig normiert – verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 1a RVG). Sie werden deswegen vom Rechtsanwalt auch gesondert abgerechnet. Die vom anwaltlichen Vergütungsrecht abweichende Rechtsprechung des BVerfG im Bereich der Beratungshilfe führt damit dazu, dass unbemittelte Bürger ihre Rechte nicht in gleicher Weise wahrnehmen können wie bemittelte Bürger, die ihren Anwalt in beiden Verfahren – Überprüfungs- und Widerspruchsverfahren – bezahlen können.

Zudem vermag die These, mit der Gewährung von Beratungshilfe für das Überprüfungsverfahren sei auch die gewünschte Beratungshilfe für das Widerspruchsverfahren als bereits gewährt anzusehen, nur in Fällen zu überzeugen, in denen im widerspruchsfähigen Ablehnungsbescheid keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen zu beurteilen sind, die im vorangegangenen Überprüfungsverfahren noch nicht aufgeworfen worden sind.

Zuletzt relativiert das BVerfG mit dieser Entscheidung seine bisherige ständige Rechtsprechung, wonach für Widerspruchsverfahren stets Beratungshilfe zu gewähren ist (vgl. Stichwort Beratungshilfe, dort unter 3.3.3). Da die Beschlüsse des Amtsgerichts Bayreuth nicht veröffentlicht sind, lässt sich hier allerdings nicht abschließend beurteilen, inwieweit die Gründe für diese Entscheidung sich in dem konkreten Einzelfall finden lassen.

Dem Rechtsanwalt kann aufgrund von Entscheidungen wie dieser nur geraten werden, Beratungshilfe nur noch gegen Vorlage eines Berechtigungsscheins zu gewähren, da sich die Voraussetzungen der Beratungshilfegewährung zunehmend der rationalen Vorhersehbarkeit entziehen.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt



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