Kein grundsätzlich höherer Unterkunftsbedarf des umgangsberechtigten Elternteils

(c) Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Im Regelungsbereich des SGB II (Hartz IV) wird immer wieder darum gestritten, ob Eltern, die ihre Kinder zeitweise bei sich wohnen haben, deswegen einen Anspruch auf eine größere Wohnung haben.

In dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall bewohnte ein Leistungsberechtigter allein eine 70 qm großen Wohnung. Nach einer Kostensenkungsaufforderung bewilligte das beklagte Jobcenter dem Hartz IV Empfänger nur noch die Mietobergrenze für eine 50 qm große Wohnung. Hiergegen wehrte sich der Leistungsberechtigte mit der Begründung, dass er an jedem zweiten Wochenende seine 4 Jahre alte Tochter bei sich wohnen habe, die in seiner Wohnung über einen eigenen Wohnbereich verfügen müsse, damit sie sich bei ihm nicht lediglich als Besuch fühle.

Mit seinem Anliegen bliebt der Hartz IV Empfänger in allen Instanzen erfolglos. Denn bei der Ermittlung des konkreten Unterkunftsbedarfes sind trotz des durch Art. 6 Abs. 1, 2 GG geschützten Umgangsrechts von Eltern und Kindern nicht grundsätzlich höhere Unterkunftskosten oder Flächenbedarfe des umgangsberechtigten Elternteils anzuerkennen. Vielmehr ist stets eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung unter anderem der Häufigkeit und Dauer der Umgangsrechtswahrnehmung, des Alters des Kindes, der Lebenssituation und der Wohnverhältnisse des umgangsberechtigten Elternteils erforderlich. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war die Entscheidung der Vorinstanzen, das Umgangsrecht des alleinstehenden Vaters mit seiner damals vierjährigen Tochter werde auch in einer maximal 50 qm großen Wohnung ermöglicht, nicht zu beanstanden.

BSG, Urteil vom 29.08.2019, B 14 AS 43/18 R

Erstveröffentlichung in HEMPELS 10/2019

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


4 Kommentare on “Kein grundsätzlich höherer Unterkunftsbedarf des umgangsberechtigten Elternteils”

  1. Fragesteller sagt:

    Guten Morgen.

    Also, die Begründung mit der Einzelfallentscheidung im Zusammenhang von KdU und der Wahrnehmung des Umgangsrechts ist eigentlich nichts neues.
    Das ein vierjähriges Kind nicht zwangsläufig ein eigenes Zimmer benötigt, ist nachvollziehbar.
    Neu an der Entscheidung des Bundessozialgerichtes ist nach meiner persönlichen Auffassung nur die Tatsache, daß das BSG festgestellt hat, daß es keinen „grundsätzlichen“ Anspruch auf Wohnraummehrbedarf zur Wahrnehmung des Umgangsrechts gibt.

    In § 22b SGB II Abs. 3, Satz 2 SGB II steht:

    In der Satzung soll für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung eine Sonderregelung getroffen werden. Dies gilt insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf haben wegen

    2 . der Ausübung ihres Umgangsrechts.

    Dazu gehört m. E. auch die Tatsachenfeststellung, ob ein erhöhter Wohnraumbedarf vorliegt. Ein grundsätzlicher Rechtsanspruch auf mehr Wohnraum ergibt sich dadurch m. M. nach nicht.

    • Richtig. Allerdings bedeutet diese Entscheidung eben auch: Eltern im ALG II-Bezug, die ihr Recht auf Umgang mit ihren Kindern in ihrer Wohnung wahrnehmen und mit ihren Wohnkosten über der örtlichen Mietobergrenze liegen, werden bei dem für sie zuständigen Jobcenter einen Antrag auf höhere Leistungen für ihre Unterkunft wegen Wohnraummehrbedarfs stellen, die Jobcenter werden diesen Antrag – was die Erfahrung lehrt – regelmäßig ablehnen, die Angelegenheit wird in Klageverfahren (und gegebenenfalls auch Eilverfahren) laufen und es wird – je nach Vorverständnis des jeweiligen Richters / der jeweiligen Richterin – Einzelfallentscheidungen geben. Die Erfolgsaussichten werden sich naturgemäß nur schwer antizipieren lassen. Bei einer Sozialleistungen wie ALG II, von der immer noch knapp 5,4 Millionen Bundesbürger leben, wäre es wohl schon gut, für klare Maßstäbe zu sorgen – etwa in kommunalen Richtlinien, die von den Gerichten bestätigt werden. Das würde nicht nur die (anwaltliche) Beratung erleichtern, sondern auch unnötige Klage- und Antragsverfahren vermeiden helfen.

      • H. Heitmann sagt:

        Da wird doch wieder dem treiben des entsprechenden Leistungsträgers Tür und Tor geöffnet!
        Dies Bedeutet im Zweifelsfall das wieder nur bis zum Letzten Gerichte bemüht werden müssen und alles von der Laune eines Richters/Richterin abhängt!

      • Fragesteller sagt:

        Sehr geehrter Herr Hildebrandt,

        nun ja, was die Ablehnung angeht, das kann ich bestätigen. Auch für eine Mehrkindfamilie mit einer Verweildauer von ~ 100 Tagen pro Jahr wollte der für uns zuständige SGB II-Träger wenig oder keinen Mehrbedarf für Wohnraum zur Umgangswahrnehmung anerkennen.
        Da kommt man als Antragsteller auch mit der Logik der Kommunen nicht mehr mit. Eine größenangemessene 70qm-Wohnung darf dann teurer sein als eine günstigere 100qm Wohnung. Die größere aber preiswertere Wohnung durfte nicht angemietet werden, weil sie eben zu groß war. Von der Produkttheorie hatte man im Jobcenter scheinbar noch nie gehört bzw. wollte man sich im Widerspruchsverfahren auch nicht überzeugen lassen. Das Gericht hielt dann nichts von schlüssigen Konzepten und hat in diesem Einzelfall die Wohngeldtabelle für 2 Personen zugrundegelegt + 10 % Sicherheitszuschlag. Da lagen wir locker drunter. Wären wir nicht auch ohne Kostenzusage des JC umgezogen, wäre die Wohnung weg gewesen. Danach haben wir natürlich im laufenden Verfahren das Risiko getragen, die Mehrkosten alleine zu stemmen.
        Sie haben natürlich Recht. Im Ergebnis wird die Antragstellung für die Eltern im SGB II-Bezug nicht leichter.


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