Kindergeldrückforderung: Zweifel an der Zuständigkeit der Familienkasse NRW-Nord zur zentralen Entscheidung über Stundungs- und Erlassanträge

(c) Gerd Altmann / pixelio.de

Derzeit sind unter den Aktenzeichen III R 36/19 und III R 21/18 zwei Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) zu der Frage anhängig, ob dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit trotz der Konzentrationsermächtigung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) die Befugnis fehlte, die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen des sog. Regionalen Inkasso Services im Bereich des steuerlichen Kindergeldes bei der Familienkasse NRW-Nord zu zentralisieren.

Das FG Düsseldorf (Urteil vom 14.05.2019, 10 K 3317/18) hatte zuvor entschieden, dass die für den Wohnort zuständige Familienkasse, welche Kindergeld zurückgefordert hat, auch für die Entscheidung über den Antrag auf Stundung der Kindergeldrückforderung zuständig sei. Ein Bescheid, mit dem der Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit Recklinghausen) den Antrag auf Stundung des Rückzahlungsbetrages ablehnt, sei bereits wegen sachlicher Unzuständig rechtswidrig.

Auch das Sächsische Finanzgericht (Urteil vom 07.03.2018, 8 K 1527/17 (Kg)) entschied, dass die isolierte Übertragung von Entscheidungen im Erhebungsverfahren auf eine Familienkasse, die den Kindergelderstattungsanspruch nicht festgesetzt hat, unzulässig sei.

Für Betroffene, welche sich Kindergeldrückforderungen ausgesetzt sehen, bedeutet die aktuelle Rechtsprechungslage:

(1) Für Klagen gegen Widerspruchsentscheidungen des Regionalen Inkasso Services der Familienkasse NRW-Nord, mit denen eine Stundung oder der Erlass einer Kindergeldrückforderung abgewiesen wurde, wird derzeit im Regelfall Prozesskostenhilfe für ein gerichtliches Verfahren bewilligt.

(2) Das FG Kiel regt die Ruhendstellung der Verfahren bis zu einer Entscheidung des BFH in den Verfahren III R 36/19 und III R 21/18 an, was vernünftig ist.

(3) FG, die von einer Unzuständigkeit der Familienkasse NRW-Nord ausgehen, können die Ablehnungsentscheidungen des Inkasso Service der Familienkasse NRW-Nord lediglich aufheben. Denn da der ablehnende Bescheid nach dieser Rechtsauffassung von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde, können diese FG die Familienkasse NRW-Nord weder gemäß § 101 Satz 1 FGO verpflichten, die von den jeweiligen Klägern begehrte Stundung oder den begehrten Erlass vorzunehmen, noch gemäß § 101 Satz 2 FGO die Verpflichtung der Familienkasse NRW-Nord aussprechen, den jeweiligen Stundungs- oder Erlassantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das bedeutet für Kläger, dass über ihr eigentliches Begehren – Stundung oder Erlass einer Kindergeldrückforderung – von diesen Gerichten aktuell nicht entschieden wird.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt



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