Rückforderung von Betriebskostenguthaben!

Zahlen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II aus ihrem Regelsatz oder Einkommen zu ihrer Miete hinzu, so steht ihnen ein etwaiges Betriebskostenguthaben in Höhe ihrer monatlichen Zuzahlungen zur Miete x 12 Monate zu. Das Jobcenter darf das Betriebskostenguthaben in dieser Höhe weder zurückfordern noch darf dieses auf die Leistungen für die Unterkunft angerechnet werden (vgl. dazu den Beitrag Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu!).

Hat der Grundsicherungsträger im Abrechnungszeitraum unterkunftsbezogene Leistungen in Höhe der tatsächlich geschuldeten Miete erbracht, stehen Betriebskostenguthaben indessen grundsätzlich dem Jobcenter zu. Folgende vier Fallkonstellationen sind zu unterscheiden:

1) Guthaben, die vor dem Leistungsbezug entstanden (angespart) sind aber in der Zeit des Leistungsbezuges zufließen, sind leistungsmindernd zu berücksichtigen.

2) Nachzahlungen, die vor dem Leistungsbezug durch retrospektiv zu geringe Vorauszahlungen entstanden sind und in der Zeit des Leistungsbezuges fällig werden, sind vom Jobcenter zu übernehmen.

3) Guthaben, die im Leistungsbezug entstanden (angespart) sind und nach Beendigung des Leistungsbezuges vom Vermieter ausgezahlt werden, kann der (ehemalige) Leistungsberechtigte behalten.

4) Nachzahlungen, die im Leistungsbezug durch retrospektiv zu geringe Vorauszahlungen entstanden sind und nach Beendigung des Leistungsbezuges fällig werden, sind von dem (ehemaligen) Leistungsberechtigen zu zahlen und müssen nicht etwa vom Jobcenter erstattet werden.

Gesetzliche Grundlage

§ 22 Abs. 3 SGB II normiert, dass Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für die Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen mindern, wobei  Rückzahlungen, die sich auf die Haushaltsenergie beziehen (Haushaltsstrom, Kochgas), außer Betracht zu bleiben haben.

Grund der Regelung

§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. (= § 22 Abs. 3 SGB II n.F.) ist mit dem „Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006“ mit Wirkung vom 01.08.2006 in das SGB II eingefügt worden, um zuvor bestehende Anrechnungsprobleme zu beseitigen. Vor der Einfügung der Vorschrift wurden Rückzahlungen als Einkommen angerechnet. Dies führte zum einen dazu, dass ein Versicherungspauschbetrag von 30 € bzw. Versicherungskosten in der tatsächlichen Höhe von der Rückzahlung abgesetzt werden mussten, zum anderen dazu, dass von den Betriebskostenrückzahlungen im Regelfall der Bund, hier die Bundesagentur für Arbeit, profitierte (Anrechnung der Guthabenbeträge auf die vom Bund finanzierten Regelleistungen), obwohl die Kosten der Unterkunft zu über 70 % von den Kommunen aufgebracht worden waren. Beides sollte mit der Einführung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II vermieden werden (vgl. BT-Drs. 16/1696, Seite 26).

Unterkunftsbezogene Erstattungen

§ 22 Abs. 3 SGB II erfasst Rückzahlungen und Guthaben, die „dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind“. Erfasst werden damit neben Heiz- und Betriebskostenguthaben auch Überzahlungen von Unterkunftsleistungen (etwa die Rücküberweisung einer vom Grundsicherungsträger versehentlich doppelt gezahlten Miete). Die Auskehrung einer im Vermögen des Leistungsberechtigten stehenden Mietkaution bewirkt hingegen lediglich eine Vermögensumwandlung unter Aufhebung einer Verwertungssperre, auf die § 22 Abs. 3 SGB II keine Anwendung findet.

„Rückzahlungen“ und „Guthaben“ bzw. „Gutschriften“

Das Gesetz unterscheidet zwischen Rückzahlungen und Guthaben/Gutschriften. Weder in den Gesetzesmaterialien noch in der einschlägigen Kommentarliteratur findet sich allerdings eine nähere Bestimmung dazu, was unter „Rückzahlungen“ und „Guthaben“ bzw. „Gutschriften“ zu verstehen ist.

Nach Ansicht etwa des LSG BW (Urt. v. 20.01.2010, L 3 AS 3759/09) oder des LSG NRW (Urt. v. 22.09.2009, L 6 AS 11/09) sind unter Rückzahlungen die tatsächlichen Zahlungen an den Leistungsberechtigten (bar oder durch Kontogutschrift) zu verstehen. Ein Guthaben sei demgegenüber bereits bei einem positiven Saldo im Abrechnungskonto des Vermieters zur Entstehung gelangt. Für die Entstehung eines Guthabens genüge damit eine Forderung, die gegenüber einem anderen (hier dem Vermieter) geltend gemacht werden könne. Auch der semantische Gehalt des Wortes „Gutschrift“ setze keine Zahlung an den Mieter/Leistungsberechtigten voraus, sondern allein die schriftliche Fixierung bzw. Eintragung eines Guthabens als eines bestehenden Anspruchs eines Anderen.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Bereits semantisch bereitet die Definition der LSG BW und NRW Bauchschmerzen. Ein Konto“guthaben“ entsteht durch eine Habenbuchung auf einem Konto, die „Gutschrift“. Im allgemeinen Sprachgebrauch entsteht das Kontoguthaben durch Gutschrift auf dem Konto des Kontoinhabers. Dagegen ist die bloße Erfassung des Rückzahlungsanspruches des Mieters/Leistungsberechtigten als „Haben-Buchung“ im Mieterkonto kein „Gutschrift“, sondern lediglich die Erfassung eines Saldo-Postens in der Buchhaltung des Vermieters. Zudem wird verkannt, dass sich aus dem systematischen Zusammenhang der Tatbestandsmerkmale „Guthaben“ und „Gutschrift“  mit dem Tatbestandsmerkmal „Rückzahlung“ ergibt, dass dem Leistungsberechtigten tatsächlich etwas zugeflossen sein muss. Mit einer Gutschrift in diesem Sinne und damit mit einer Rückzahlung vergleichbar ist daher nur eine entsprechende Buchung auf dem Bankkonto des Mieters/Leistungsberechtigten (so zutreffend SG Neubrandenburg, Urt. v. 27.09.2010, S 11 AS 960/07 Rn. 19 unter Hinweis auf SG Bremen, Beschluss v. 01.12.2009, S 23 AS 2179/09 ER; SG Schleswig, Urt. v. 30.11.2009, S 4 AS 1044/07 = NZS 2010, 458; ähnlich LSG Hamburg, Urt. v. 16.07.2009, L 5 AS 81/08).

Dieses Normverständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II, nach dem nur dann von einem aufwendungsmindernden Guthaben ausgegangen werden kann, wenn dem Leistungsberechtigten dieses Guthaben tatsächlich auch zur Verfügung steht (LSG Hamburg, Urt. v. 16.07.2009, L 5 AS 81/08; SG Schleswig, Urt. v. 30.11.2009, S 4 AS 1044/07 = NZS 2010, 458; SG Bremen, Beschluss v. 01.12.2009, S 23 AS 2179/09 ER; SG Neubrandenburg, Urt. v. 27.09.2010, S 11 AS 960/07; SG Kiel, Beschluss v. 09.11.2010, S 34 AS 564/10 ER sowie v. 20.12.2010, S 36 AS 666/10 ER (beide nicht veröffentlicht).

In folgenden Fällen scheidet nach alledem eine bedarfsmindernde Direktanrechnung nach § 22 Abs. 3 SGB II aus:

1) (Noch) keine Auszahlung des Guthabens.

2) Vermieterseitige Aufrechnung mit eigenen Forderungen (ausstehende Mieten, Mietkaution; SG Neubrandenburg, Urt. v. 27.09.2010, S 11 AS 960/07). Dann aber ggf. Anrechnung als Einkommen (LSG Hamburg, Urt. v. 16.07.2009, L 5 AS 81/08), str.

3) Auskehrung an Dritte/Ziehung zur Insolvenzmasse im Verbraucherinsolvenzverfahren (ggf. Anrechnung als Einkommen).

In folgenden Fällen ist eine bedarfsmindernde Direktanrechnung nach § 22 Abs. 3 SGB II demgegenüber möglich:

1) Barauszahlung an den Mieter/Leistungsberechtigten.

2) Überweisung auf das Bankkonto des Mieters/Leistungsberechtigten.

Sonderfall: Mieterseitige Verrechnung mit Monatsmiete

Ein Sonderfall stellt m.E. die mieterseitige Verrechnung mit einer Monatsmiete dar. In diesem Fall erfolgt weder eine Rückzahlung noch eine Gutschrift auf das Konto des Mieters/Leistungsberechtigten, sondern der Vermieter mindert die Miete (i.d.R.) für einen Monat um den Guthabenbetrag. Beispiel: Die monatliche Miete beträgt 500,00 € brutto warm. Der Vermieter hat ein Guthaben von 300,00 € errechnet und fordert deswegen im Folgemonat von seinem Mieter nur 200,00 € Miete.

Teilweise wird vertreten, entscheidend sei, ob der tatsächliche Einkommenszufluss zumindest für eine logische Sekunde dem Hilfebedürftigen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung stehe, was beispielsweise der Fall wäre, wenn der Hilfebedürftige und sein Vermieter eine Vereinbarung über die Verrechnung des Guthabens treffen, also nicht nur einseitig vom Vermieter aufgerechnet wird (dargestellt von SG Neubrandenburg, Urt. v. 27.09.2010, S 11 AS 960/07, Rn. 25 unter Hinweis auf SG Reutlingen, Urt. v. 10.06.2009, S 2 AS 1472/08, Rn. 27).

Nach hier vertretene Auffassung bedarf es dieser juristischen Klimmzüge nicht. Mangels „Rückzahlung“ oder „Gutschrift“ des Guthabens scheidet eine Anwendung des § 22 Abs. 3 SGB II nach seinem eindeutigen Wortlaut aus (wie hier SG Neubrandenburg, Urt. v. 19.01.2011, S 11 AS 386/08; dies sieht das Jobcenter Kiel jetzt offenbar auch so und hat deswegen etwa im Verfahren S 34 AS 504/11 ER mit Schriftsatz vom 04.11.2011 der Beschwer abgeholfen).

Allerdings besteht im Verrechnungsmonat ein um den Guthabenbetrag verminderter Unterkunftskostenbedarf. Dies weiß der Mieter/Leistungsberechtigte auch oder hätte es jedenfalls wissen müssen, so dass m.E. einer Rückforderung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X im Verrechnungsmonat nichts im Wege steht.

Zeitpunkt der bedarfsmindernden Direktanrechnung

Die größten Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die zutreffende Bestimmung des Monats der bedarfsmindernden Direktanrechnung des Guthabens auf die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft, die ausschließlich ab Beginn des nächsten Monats nach der Rückzahlung oder der Gutschrift erfolgen darf (systemwidrige Abweichung vom Zuflussprinzip). Dies mögen einige Beispiele verdeutlichen:

1) Der Leistungsberechtigte erhält am 20.10.2011 seine Betriebskostenabrechnung und reicht diese am 24.10.2011 beim Jobcenter ein. Das Guthaben wird am 27.10.2011 auf dem Konto des Leistungsberechtigen gutgeschriebenen. Eine bedarfsmindernde Direktanrechnung im November ist nicht mehr möglich, weil die Leistungen bereits um den 23. eines jeden Monats angewiesen werden.

2) Der Leistungsberechtigte erhält am 10.10.2011 seine Betriebskostenabrechnung und reicht diese am 15.10.2011 beim Jobcenter ein. Das Jobcenter rechnet das Guthaben im November an. Das Guthaben wird erst am 03.11.2011 auf dem Konto des Leistungsberechtigen gutgeschriebenen. Die bedarfsmindernde Direktanrechnung im November ist damit rechtswidrig.

Bereits diese zwei Beispiele verdeutlichen, dass es letztlich reiner Zufall ist, ob dem Leistungsträger eine rechtmäßige Direktanrechnung gelingt. Mit anderen Worten: Bei § 22 Abs. 3 SGB II bzw. der Vorgängerregelung handelt es sich um eine gesetzgeberische Fehlleistung ersten Ranges. Lediglich in den überaus seltenen Fällen, in denen die Vermieter den Zeitpunkt der Guthabenauskehrung in der Nebenkostenabrechnung festlegen und einen großzügig bemessenen Zeitraum zwischen Rechnungserstellung und Auszahlung des Guthabens bestimmen, kann eine Direktanrechnung im Einzelfall vorhersehbar gelingen.

Hohes Prozess(kosten)risiko der Jobcenter

Die Jobcenter haben im laufenden Verwaltungsverfahren die Pflicht, den Zuflusszeitpunkt des Guthabens zutreffend zu ermitteln, § 20 SGB X. Hierzu müssen sich die Jobcenter letztlich den Zahlungseingang durch Vorlage von Kontoauszügen der Leistungsberechtigten nachweisen lassen. Tun sie dies nicht und stellt sich erst im Klageverfahren heraus, dass der Zuflussmonat von ihnen unzutreffend bestimmt worden ist, können sich die Behörden nicht mit dem Argument gegen ihre Pflicht zur Tragung der Prozesskosten wehren, der Zuflussnachweis sei ihnen erst im laufenden Klageverfahren bekannt geworden (SG Kiel, rechtliche Hinweise vom 13.10.2011 im Klageverfahren S 33 AS 1273/10). Die Leistungsträger wären daher gut beraten, immer dann, wenn der Zuflusszeitpunkt nicht sicher ermittelt wurde, von der bedarfsmindernden Direktanrechnung im Folgemonat Abstand zu nehmen und Betriebskostenguthaben über (§ 22 Abs. 3 SGB II i.V.m.) § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 oder 4 SGB X zurückzufordern.

Offene Fragen

Soweit die Bewilligungsentscheidung nach § 22 Abs. 3 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X (systemwidrig) im Monat nach dem Guthabenzufluss aufgehoben wird, dürfte allerdings regelmäßig weder ein Wissen noch ein auf besonderer Sorgfaltswidrigkeit beruhendes Nichtwissen des Leistungsberechtigen um die zu hohe Leistungsbewilligung anzunehmen sein, da nach dem (als bekannt vorauszusetzenden) Zuflussprinzip mit einem teilweisen Wegfall des Leistungsanspruches lediglich im Zuflussmonat und nicht dem Folgemonat des Zuflusses zu rechnen sein dürfte.

Möglich ist m.E. aber auch eine Rückforderung über § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X im Monat des Zuflusses des Guthabens. Mit dem LSG Hamburg (Urt. v. 16.07.2009, L 5 AS 81/08) ist davon auszugehen, dass lediglich die bedarfsmindernde Direktanrechnung im Folgemonat zu erfolgen hat. Eine generelle Rückverlegung des Anrechnungsmonats ist der Vorschrift des § 22 Abs. 3 SGB II indessen weder zu entnehmen noch begründet sich eine solche Interpretation aus den Motiven des Gesetzgebers.

In Betracht kommt weiter eine verschuldensunabhängige Rückforderung über  § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X als Einkommen im Zuflussmonat. Dies setzt dann allerdings voraus, dass man mit dem LSG Hamburg (Urt. v. 16.07.2009, L 5 AS 81/08) § 22 Abs. 3 SGB II nicht als „abschließende Sonderregelung der leistungsrechtlichen Wirkungen der erfassten Rückzahlungen und Guthaben“ versteht (so aber Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 22 Rn. 113). In diesem Fall wäre dann allerdings i.d.R. die Versicherungspauschale von 30 € in Abzug zu bringen.

Einzelfälle

BSG, Urt. v. 22.03.2012, B 4 AS 139/11 R (Terminsbericht): Auch wenn eine Person (hier die Tochter des Klägers), die im Abrechnungszeitraum nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war, sich an den Betriebskosten beteiligt hat, ist ein Guthaben leistungsmindernd zu berücksichtigen, selbst wenn dieses mit einer Forderung (hier der Tochter) belastet war.

Regelung im SGB XII (insbesondere Grundsicherung im Alter)

Gutschriften aus Strom- oder Betriebskostenvorauszahlungen, die infolge zu hoher Vorauszahlungen entstanden sind, wurden bislang als Einkommen auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in der Fassung ab 01.04.2011 regelt nun: „Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, sind kein Einkommen“. Von § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII werden erfasst:

  • Alle Guthabenerstattungen, die aus Vorauszahlungen für Leistungen beruhen beruhen, die ihrer Natur nach aus dem Regelsatz zu bestreiten sind (vor allem Strom).
  • Alle Guthabenerstattungen, die aus Vorauszahlungen für Leistungen beruhen beruhen, die zwar ihrer Natur nach vom Leistungsträger zu erbringen sind, zu denen der Leistungsberechtigte aber hinzu zahlen muss, weil die tatsächlichen Kosten nicht anerkannt werden (etwa Zuzahlung zu den Betriebskosten bei einer Bruttokalt-Mietobergrenze, Zuzahlung zu den Heizkosten wegen (angeblich) unwirtschaftlichem Heizverhalten). Hier gilt wie oben bereits dargelegt:  Guthaben in Höhe der monatlichen Zuzahlungen zur Miete/Heizkosten x 12 Monate stehen dem Leistungsberechtigten und nicht dem Grundsicherungsträger zu.

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Zur Abtretung von Nebenkostenguthaben

Nachtrag 16.06.2018: Zu 01.08.2016 wurde § 22 Abs 3 SGB II um den Halbsatz „Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht“ ergänzt. Damit ist die Rechtslage in dem hier dargestellten Sinne vom Gesetzgeber geändert worden. Die Neuregelung ist nicht für Zeiträume vor dem 01.08.2016 anwendbar, vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2018, B 14 AS 22/17 R.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


Leistungsberechtigten steht bei Mietzuzahlung Betriebskostenguthaben zu!

Im konkreten Fall  erkannte das Jobcenter Kiel im Jahr 2009 von der tatsächlichen Miete der Leistungsberechtigten in Höhe von rund 405 Euro nur die sog. Mietobergrenze von 327 Euro bruttokalt – also inklusive Betriebskosten – (später 362,80) an. Die Differenz zu ihrer tatsächlichen Miete bezahlte die Leistungsberechtigte aus ihrem Regelsatz von 359 Euro. Im September 2009 erhielt die Leistungsbezieherin von ihrem Vermieter die Betriebskostenabrechnung für das Vorjahr, die mit einem Betriebskostenguthaben in Höhe von 297,40 Euro abschloss. In dieser Höhe minderte der Vermieter die Miete für November 2009. Das Jobcenter Kiel erbrachte daraufhin für November 2010 nur Leistungen für die Unterkunft abzüglich des Guthabens von 297,40 Euro und begründete dies damit, Betriebskostenguthaben minderten nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II die Aufwendungen für die Unterkunft. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 02.12.2010 entschied das Sozialgericht Kiel, dass die mindernde Berücksichtigung von Betriebskostenguthaben rechtswidrig ist, wenn das Guthaben nicht durch Leistungen des Jobcenters für die Unterkunft entstanden ist, sondern auf Zuzahlungen des Leistungsberechtigten zur Miete beruht. Als Faustformel gilt: In Höhe der monatlichen Zuzahlungen zur Miete x 12 Monate steht eine Betriebskostenguthaben den Hilfebedürftigen zu und nicht dem Jobcenter und darf daher weder zurückgefordert werden noch auf die Leistungen für die Unterkunft angerechnet werden. Betroffene sollten sich auf jeden Fall fachkundigen Rat holen, da das Jobcenter Kiel seine rechtswidrige Verwaltungspraxis weiter fortsetzt.

Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 02.12.2010, S 38 AS 588/10 ER

Erstveröffentlichung in Hempels 03/2011

Nachtrag 23.04.2012:

Zwischenzeitlich liegt von der selben Kammer das Urteil vom 07.02.2012, S 38 AS 218/10 (nicht rechtskräftig) vor.

Nachtrag:

Wie hier für Heizkostenguthaben, die auf Zahlungen aus dem Regelsatz beruhen, SG Chemnitz, Urteil vom 31.01.2013, S 40 AS 5401/11; SG Chemnitz, Urteil vom 31.01.2013, S 40 AS 540/11, SG Chemnitz, Urteil vom 11.04.2013, S 14 AS 4157/13 (das SG Chemnitz hat in allen Verfahren die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen).

Nachtrag 16.06.2018: Zu 01.08.2016 wurde § 22 Abs 3 SGB II um den Halbsatz „Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht“ ergänzt. Damit ist die Rechtslage in dem hier dargestellten Sinne vom Gesetzgeber geändert worden. Die Neuregelung ist nicht für Zeiträume vor dem 01.08.2016 anwendbar, vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2018, B 14 AS 22/17 R.

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