Rückforderung von ALG II: 56 % der Leistungen für die Unterkunft dürfen i.d.R. nicht zurückgefordert werden!
Veröffentlicht: 13. Juni 2011 Abgelegt unter: Kosten der Unterkunft, Rückforderung von Sozialleistungen | Tags: 56 %, § 40 Abs. 4 SGB II, Kosten der Unterkunft, Rückforderung von ALG II 21 KommentareDieser Beitrag gibt die Rechtslage bis 31.12.2016 wieder. Zum 01.01.2017 wurde die Vorschrift ersatzlos gestrichen! Eine Synopse findet sich hier.
Weil die Vorschrift auch sechs Jahre nach ihrer Einfügung in das SGB II einigen Mitarbeitern des Jobcenters Kiel noch immer nicht recht vertraut zu sein scheint, weise ich an dieser Stelle noch einmal auf folgende Regelung hin:
§ 40 Abs. 4 SGB II [ab 01.08.2016: Abs. 9; ab 01.01.2017 aufgehoben]„Abweichend von § 50 des Zehnten Buches sind 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft nicht zu erstatten. Satz 1 gilt nicht in den Fällen des § 45 Absatz 2 Satz 3 des Zehnten Buches, des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und 4 des Zehnten Buches sowie in Fällen, in denen die Bewilligung lediglich teilweise aufgehoben wird.“ |
Werden Leistungen nach dem SGB II – etwa aufgrund einer Arbeitsaufnahme – zurückgefordert, dürfen von den Leistungen für die Unterkunft 56 Prozent der erbrachten Leistungen nicht zurückgefordert werden.
Wichtig: Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Leistungen für die Unterkunft, also nicht
• auf die Regelleistungen und • Leistungen für Heizung und Warmwasser! |
Die Vorschrift ist eine Folge des Wegfalls des Wohngeldes für ALG II-Empfänger. Als Kompensation für diesen Wegfall soll der Teil der Unterkunftskosten, der durchschnittlich der Leistung des Wohngeldes für frühere Empfänger der Sozialhilfe entsprach, nicht zurückerstattet werden müssen.
Wichtig: Die Vorschrift gilt gemäß Satz 2 nicht, wenn die Leistungen
• nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X von Anfang an – durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt wurden,- die Bewilligung auf Angeben beruht, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig gemacht wurden oder – die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung dem „Leistungsberechtigten“ bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war oder • nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X im laufenden Leistungsbezug – aufgrund vorsätzlicher oder grob fahrlässiger leistungsrelevanter Änderungen der (wirtschaftlichen) Verhältnisse nicht mitgeteilt wurden oder – der Betroffene wusste oder grob sorgfaltswidrig nicht wusste, dass der Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist. |
Weiter findet die Regelung, wonach Unterkunftskosten in Höhe von 56 Prozent der Unterkunftsleistungen nicht zurückgefordert werden können, in Fällen, in denen die Bewilligung lediglich teilweise aufgehoben wird, keine Anwendung. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht (BSG, Urteil vom 02.12.2014, B 14 AS 56/13 R).
Wichtig:
• Eine „teilweise“ Aufhebung liegt nicht vor, wenn für einzelne Monate des i.d.R. sechsmonatigen Bewilligungsabschnittes Leistungen zurückgefordert werden. • Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift findet die 56 Prozent-Regelung keine Anwendung bei einer teilweisen Aufhebung innerhalb eines Kalendermonates. Diese Regelung ist auf den ersten Blick nicht leicht nachvollziehbar (kritisch etwa Conradis a.a.O., Rn. 25), macht aber durchaus Sinn: Der Zweck der Regelung des § 40 Abs. 4 SGB II besteht darin, bei einer Rückforderung von ALG II (pauschal) einen finanziellen Ausgleich für nicht beantragtes Wohngeld zu schaffen. Werden die Leistungen nach dem SGB II indessen nicht vollständig zurückgefordert, besteht kein Grund für einen solchen Ausgleich, weil ja noch ein Teil ALG II gezahlt worden ist. Eine solche – wiederum pauschale – Reglung zu treffen, liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. |
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
[…] […]
[…] […]
Wenn Einkommen aus Kindergeld, Mutterschaftsgeld, Erwerbseinkommen oder Zinsen zu einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid (begründet mit § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) für einen oder einzelne Monate des sechsmonatigen BWZ führt, verstehe ich Sie so, daß hier garkeine teilweise Aufhebung vorliegt und dem folgend 56% KDU-Kosten nicht zu erstatten sind. Richtig verstanden oder falsch ?
Eine teilweise Aufhebung liegt vor, wenn nicht das gesamte ALG II zurückgefordert wird. Bei Ihnen scheitert die Anwendung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II aber wohl bereits daran, dass die Aufhebung – jedenfalls nach Auffassung der Behörde – auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zu stützen ist. In diesem Fall gilt Abs. 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II nach § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II nicht. Es empfiehlt sich stets, das Gesetz gründlich zu lesen.
Muss 44% der Unterkunft erstattet werden, wenn Einkommen aus Elterngeld, Kindergeld und Wohngeld (§ 48 Abs. 1 Satz Nr. 3 SGB X) zu einem ganzen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vorliegt?
Ja.
Vielen Dank für den sehr interessanten Beitrag. Mich würde interessieren, ob der § 40 Abs. 4 SGB II auch auf das SGB XII anzuwenden ist? Grundsicherung bei Erwerbsminderung – Rentennachzahlung für mehrere Jahre.
Nein, ist er nicht. Zudem wird § 40 Abs. 4 SGB II (56-Prozent-Klausel der Nichterstattung der Bedarfe für Unterkunft) mit Wirkung zum am 01.01.2017 aufgehoben, vgl. http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-das-aendert-sich-ab-1-august-2016.php
Guten Tag , ich habe ein Anliegen an Euch und würde mich sehr über Hilfe / Ratschläge freuen. Ich war bis zum 30.11.2016 beim Jobcenter gemeldet und bezog den Regelbedarf + Bedarf für Unterkunft und Heizung. Am 24.11 hatte ich einen Termin beim Jobcenter wo meine aktuelle Situation besprochen werden sollte, da ich depressiv schwer krank bin. Ich habe für weiter 12 Monate eine Bewilligung erhalten, die ich am nächsten Tag jedoch zurückgezogen habe, weil ich zu meinen Eltern ziehen werden würde, und keine Hilfe vom Jobcenter benötige.
Das Jobcenter fordert von mir nun Geld für Dezember 12/2016 zurück. Das ist mir verständlich und logisch. Jedoch verlangen diese auch die Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung zurück, ca. 105 €, die nicht an mich geflossen sondern an die Krankenversicherung.
Ich habe mich, nachdem ich mich beim Jobcenter abgemeldet habe, umgehend bei meiner (AOK Krankenkasse) freiwillig gesetzlich versichern lassen, damit mir keine Nachteile entstehen. Somit bin ich für Dezember 12/2016 versichert und sehe nicht ein, die Krankenbeiträge und Pflegebeiträge an das Jobcenter zurück zu bezahlen.
Ist das rechtens, dass das Jobcenter das Geld von KV und PV zurückfordert, obwohl ich diese nicht in Anspruch genommen habe da ich mich selbst freiwillig gesetzlich versichert habe? Kann das Jobcenter das Geld nicht von der Stelle zurückfordern, an die Sie es auch bezahlt hat? Ich würde mich sehr über Ratschläge freuen. Danke
(4) Für Zeiten ab 01.01.2016 sind ab dem Tag, an dem die leistungsberechtigte Person ihren gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten nachgekommen ist, die Beiträge nicht mehr zu erstatten. Diese werden auch nicht vom BVA bzw. den LKK erstattet.
Bitte weiter lesen (Seite 20 ff.): https://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mjg3/~edisp/l6019022dstbai793273.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI793279
Das bedeutet, dass ich den gesamten Betrag, bestehend aus Regelbedarf + Heizung + Unterkunft + Kranken- und Pflege Versicherung nicht zurück zahlen muss? Aber das Jobcenter hat sein hauseigenes Inkasso Büro informiert und diese fordern das Geld von mir zurück, einerseits verständlich, weil sie es einfach vorher angewiesen haben, und mir das Geld ja nicht zusteht. Nur die Kranken und Pflegeversicherung sehe ich nicht ein zurück zu bezahlen.
Ja. Überprüfungsantrag bzgl. Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hins. der KV + PV stellen.
PS: Übrigens gibt es hier keinen Anspruch aus Auskünfte, ich mach das, wenn ich Zeit und Lust dazu habe.
Guten Abend, vielen lieben Dank für Ihre Zeit. Ich schätze sehr, dass Sie mir diesbezüglich helfen konnten. Dafür bedanke ich mich sehr bei Ihnen. Ich habe nur gedacht, dass, wenn ich kein Hartz 4 Empfänger ab 2016 im eigentlichen Sinne mehr bin (da ich den neuen Antrag selbst zurückgenommen habe – 1 Tag nachdem ich ihn unterschrieben habe) die Leistung für Regelbedarf + Heizung + Miete zurückzahlen müsste, da die alte Bewilligung nur bis November 2016 galt. Ich habe nun einen Widerspruch verfasst mit Verweis auf die genannten Paragraphen. Für Ihre Hilfe möchte ich mich sehr bedanken. Gerne würde ich, wenn es möglich ist, sobald ich neue Informationen erhalte, diese hier einfügen. Viele Grüße und nochmals vielen Dank !
Ja, gern mal hier posten, wie es weiter gegangen ist.
Guten Abend, das werde ich machen, sobald ich Rückmeldung erhalte. Widerspruch habe ich zum 16.12.2016 eingereicht, kann allerdings einige Wochen warten. Nochmals vielen Dank für die Informationen. Ihnen und allen Mitlesern wünsche ich einen Guten Rutsch ins Neue Jahr.
Hallo, ich habe eine Frage. Gilt die 56 Prozent-Regelung immer noch? Ich habe den § 40 Abs. 9 SGB II gesucht, dort steht nur weggefallen und unter Abs. 4 finde ich diese auch nicht.
LG
Danke für den Hinweis. Die Regelung ist zum 01.01.2017 ersatzlos gestrichen worden. Beitrag habe ich aktualisiert.
Hallo, gilt das auch für Rückzahlungen aus 2016 die jetzt erst geleistet werden sollen?
Maßgebend dürfte die Rechtslage sein, die in dem Zeitraum galt, für den aufgehoben wird. Denn sonst hätte es der Grundsicherungsträger durch eine verzögerten Erlass der Aufhebungsentscgheidung in der Hand, zu steuern, welches Recht anzuwenden ist. Das ist aber nur meine Aufassung, Rechtsprechung ist mir zu dieser Frage nicht bekannt.
Hallo,
vielen Dank für die Info.
Mein Fall scheint sich dem Ende zu zu neigen.
Jedoch habe ich dem Richter, bei einer früheren Verhandlung (2017) auf diesen Umstand hingewiesen, den er aber abgetan hat, dass es dies nicht mehr gibt.
Es geht um meine Angelegenheit aus dem Jahr 2014. Dort hatte ich 2 Gehälter und eine Abfindung im Dez. 2014 für Nov.(Gehalt) und Dez 2014 (Gehalt), erhalten, bzw. es wurde das Gehalt an das Jobcenter zwangsweise übertragen, was nicht rechtens war, da ich ja nur den Betrag zurücküberweisen muss, in dem ich nicht ALG II berechtigt war. Und das war nur der Dez.
Jedoch geht niemand auf meine Forderung ein, mir auch die 56 % aus § 40 Abs. 4 SGB II anzurechnen, bzw. wieder zurückzu zahlen. Ich hatte ja den ALG II Betrag für Dez. komplett zuückerstatten müssen.
Ich weiß, dass der Paragraph Ende 2016 ersatzlos gestrichen worden ist.
Aber habe ich da nicht, da das ganze 2014 passierte und ich auch da schon dem JC gegenüber die Forderung wegen § 40 Abs. 4 SGB II begründete einen Anspruch auf die 56 % der leistungen für die Unterkunft, Anspruch drauf?
Wenn ja, was beinhaltet diese? Miete, Nebenkosten, Heizung…?
Gruß Tom
Ohne Gewähr und Prüfung: Es dürfte auf das Datum des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides abzustellen sein. Da dieser vor dem 01.01.2017 erlassen worden ist, ist § 40 Abs. 4 SGB a.F. anzuwenden. Was zu den Kosten der Unterkunft gehört, habe ich im Beitrag deutlich geschrieben:
Wichtig: Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Leistungen für die Unterkunft, also nicht
• auf die Regelleistungen und
• Leistungen für Heizung und Warmwasser!