Hartz IV: Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende?

Bundessozialgericht in Kassel

Bundessozialgericht in Kassel

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts wird am 22. August 2012 über sechs Revisionen aus dem Bereich Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II) entscheiden, darunter über eine Revision einer Klägerin aus Kiel, in der es um die Frage geht, ob bei der Ermittlung der gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessenen Unterkunftskosten die in Kiel geltende Wohnflächengrenze bei Alleinerziehung eines sechsjährigen Kindes zu erhöhen ist.

Terminvorschau Nr. 43/12

3) 11.45 Uhr – B 14 AS 13/12 R 1. J.L., 2. A.L. ./. Jobcenter Kiel

Die Kläger begehren die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die im Jahre 1967 geborene Klägerin zu 1. und ihr im Jahre 1999 geborener Sohn (Kläger zu 2.), den sie allein erzieht, leben gemeinsam in einer öffentlich geförderten, 79,63 qm großen Wohnung in Kiel. Für die Wohnung war ab dem 1.8.2008 monatlich eine Bruttokaltmiete in Höhe von 471,59 Euro sowie eine Heizkostenpauschale in Höhe von 62 Euro zu zahlen. Der Beklagte wies die Kläger darauf hin, dass die von ihnen geltend gemachten KdU die Angemessenheitsgrenze überstiegen. Für zwei Personen könne nur eine Bruttokaltmiete von 373 Euro zuzüglich Heizkosten anerkannt werden. Ab dem 1.11.2008 berücksichtigte er monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung lediglich noch in Höhe von 437 Euro.

Die hiergegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung angeführt, die angemessene Wohnungsgröße betrage nach den für Schleswig-Holstein maßgebenden Verwaltungsvorschriften bei Haushalten mit zwei Personen 60 qm. Ein Wohnflächenmehrbedarf von 10 qm wegen Alleinerziehung, der im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung anzuerkennen sei, könne bei den KdU nicht berücksichtigt werden. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis sei aus dem Kieler Mietspiegel abzuleiten. Die tatsächlichen Kosten der Kläger überstiegen die sich hieraus ergebende angemessene Referenzmiete.

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügen die Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 22 SGB II. Soweit die Bestimmungen über die soziale Wohnraumförderung Sonderregelungen für bestimmte Personen (etwa Alleinerziehende) enthielten, seien diese auch im Rahmen des SGB II anzuwenden.

SG Schleswig – S 8 AS 1388/08 –
Schleswig-Holsteinisches LSG – L 11 AS 97/10

Vollständige Terminvorschau: Terminvorschau 43/12 vom 15.08.2012

Mehr zu diesem Verfahren auf dieser Seite:

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.12.2011, L 11 AS 97/10: Kein Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende!

SG Schleswig lehnt erneut Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende ab!

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


3 Kommentare on “Hartz IV: Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende?”

  1. Das Landesministeriumin NRW ließ aktuell über einen Schriftsatz zustellen, dass hier nach der BSG Entscheidung nur noch 50 + 15 qm zugestanden werden.

    Mütter mit Kindern die, also zu einem ALG II Partner in zu große Wohnung zur Kostensenkung umziehen und danach wegen des Umzugsstresses die Beziehung zerbricht, werden dann noch einen Rückzug provozieren.

    Wie lange muss so eine Beziehung halten um nicht missbräuchlich zu sein?

    • Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Frage richtig verstanden habe. Schriftsätze werden ja nur in Gerichtsverfahren zugestellt, dass Landesministerium in NRW dürfte allerdings an einem SGB II-Verfahren vor einem Sozialgericht nicht beteiligt sein. Die Broschüre (Stand Oktober 2010) nennt noch andere Werte:

      https://broschueren.nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/mais/sgb-ii-arbeitshilfe-kosten-der-unterkunft-und-heizung-gemaess-22-sgb-ii/837

      Auf Seite 17 finden sich diese Werte:

      1 Person 45 m²
      2 Personen 60 m²
      3 Personen 75 m²
      4 Personen 90 m²

      Zum Thema Alleinerziehende habe ich nur diesen Hinweis gefunden (Seite 19):

      Verteilung der Kinderzimmer
      Es gibt keinen generellen Grundsatz dahingehend, dass jedem Kind unabhängig
      von seinem Alter, insbesondere wenn es sich um Kinder gleichen Geschlechts
      und annähernd gleichen Alters handelt, ein eigenes Zimmer zur Verfügung
      stehen müsste.
      Beispiel: Einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern (darunter zwei Söhnen im Alter
      von 10 und 8 Jahren) ist es zuzumuten, eine Drei-Zimmer-Wohnung zu bewohnen.

      Diese Werte zugrunde gelegt, dürfte eine alleinerziehende Mutter mit einem Kind zu einem Partner ziehen, deren Miete unter Zugrundelegung einer Wohnfläche von 75 m² (und nicht 90 m²) noch angemessen ist. M.E. stellen sich hier folgende Fragen:

      1. Ist die Mutter, die mit einem Kind zu einem Partner zieht, überhaupt noch alleinerziehend?
      2. Der Grund für den Mehrbedarf war nach Auffassung vieler Juristen, dass die Mutter ein eigenes Schlafzimmer braucht. Das ist bei Partnern wohl nicht der Fall (anders bei einer WG).
      3. Wenn die Wohnung nicht innerhalb der Angemessenheitsgrenzen für einen 3-Personen-Haushalt liegt, kann ein Teil der Miete immer zugezahlt werden. Bei einem angespannten Wohnungsmarkt ist immer darauf zu achten, ob sich denn für die Mutter mit Kind eigener Wohnraum überhaupt innerhalb der Angemessenheitsgrenzen finden lässt. Auch sind die Kosten ja nicht der einzige Grund dafür, dass man sich für eine bestimmte Lebensform (z.B. Zusammenzug mit einem Partner) entscheidet. Den Fokus hier allein auf die Kosten zu legen, scheint mit etwas verengt.
      4. Wenn die Kosten unangemessen hoch sind, ist ein Umzug immer erforderlich und § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II greift nicht. Die Frage einer etwaigen Missbräuchlichkeit eines Auszuges stellt sich mithin nicht.


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