BSG: Kein Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende
Veröffentlicht: 22. August 2012 Abgelegt unter: Kosten der Unterkunft, Mietobergrenzen | Tags: B 14 AS 13/12 R, Wohnraum-Mehrbedarf Alleinerziehende, Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende 11 KommentareDer 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. August 2012 auf die Revision einer Klägerin aus Kiel im Verfahren B 14 AS 13/12 R, in der es um die Frage geht, ob bei der Ermittlung der gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessenen Unterkunftskosten die in Kiel geltende Wohnflächengrenze bei Alleinerziehung eines sechsjährigen Kindes zu erhöhen ist, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (SH LSG) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Keine Erhöhung der abstrakten Obergrenzen für Alleinerziehende
Im Termin hat das Gericht ausgeführt, dass kein Grund ersichtlich sei, die abstrakten Angemessenheitsgrenzen für Alleinstehende zu erhöhen. Entsprechend bestünde kein Grund, die fehlende Umsetzung der Bestimmungen des VwV-SozWo 2004 zu beanstanden.
Fehlende Feststellungen zur Zumutbarkeit eines Umzugs
Zu prüfen sei allerdings, ob im konkreten Fall ein Umzug zumutbar gewesen sei, dies insbesondere im Hinblick auf die bestehenden Betreuungsangebote und einen gegebenenfalls notwendigen Schulwechsel des Kindes. Zu einer Beurteilung fehlten indes die erforderlichen Ermittlungen des SH LSG, so dass das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war.
Fehlerhafte Berechnung der kalten Betriebskosten durch das SH LSG
Von erheblicher Bedeutung für die Berechnung der Mietobergrenzen in Kiel sind die Ausführungen des 14. Senates am BSG zu der Berechnung der kalten Betriebskosten durch die Gerichte in Schleswig-Holstein. Deren Berechnungen (unteres Drittel) sei fehlerhaft. Weiteres Ausführungen hat das BSG in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht gemacht. Hier bleibt die Begründung des Urteils abzuwarten. Auch insofern erfolgte eine Zurückweisung.
Beurteilung
Soweit das Gericht einen Wohnraummehrbedarf für Alleinstehende ablehnt, ist diese Entscheidung zu bedauern. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht zu einer Änderung der Verwaltungspraxis in jenen Kommunen führt, welche einen Mehrbedarf für Alleinerziehende derzeit vorsehen. Für den Bericht aus dem heutigen Termin gilt mein Dank meiner Kollegin Frau Rechtsanwältin Claudia Bärtschi aus Kassel, die den Verhandlungstermin für mich in Untervollmacht wahrgenommen hat. Für das Jobcenter Kiel ist zu dem Verhandlungstermin im Übrigen niemand erschienen.
Nachtrag: Terminbericht Nr. 43/12 vom 23.08.2012
„3) Die Revisionen der Kläger waren im Sinne der Aufhebung und Rückverweisung der Sache an das LSG begründet. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG konnte nicht beurteilt werden, ob die Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen können. Das LSG ist in Umsetzung der Rechtsprechung des BSG zutreffend davon ausgegangen, dass als abstrakt angemessene Wohnungsgröße für einen Zweipersonenhaushalt hier eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Wohnraumförderrechtliche Sonderregelungen, die auf persönliche Lebensverhältnisse Bezug nehmen, sind bei der Bestimmung der Wohnungsgröße für die abstrakte Angemessenheitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch im Hinblick auf Regelungen, die in Schleswig-Holstein die Vergabe von Wohnungen an Alleinerziehende bis zu einer Größe von 70 qm zulassen. Die Feststellungen des LSG zum abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis ließen dagegen vor allem in Bezug auf die kalten Betriebskosten kein schlüssiges Konzept erkennen. Auch die Frage, ob es den Klägern möglich und zumutbar war, im örtlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten (konkrete Angemessenheit), konnte aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend beantwortet werden. Es war vor allem nicht zu erkennen, dass die angefochtenen Bescheide den schützenswerten Belangen der Klägerin zu 1 als alleinerziehender Mutter im Hinblick auf die Betreuungsmöglichkeiten ihres Kindes und dem sozialen und schulischen Umfeld des Klägers zu 2 hinreichend Rechnung getragen haben.
SG Schleswig – S 8 AS 1388/08 –
Schleswig-Holsteinisches LSG – L 11 AS 97/10 –
Bundessozialgericht – B 14 AS 13/12 R -“
Mehr zu diesem Verfahren und zum Thema auf dieser Seite:
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.12.2011, L 11 AS 97/10: Kein Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende!
SG Schleswig lehnt erneut Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende ab!
Pressemeldungen zu der Entscheidung des BSG im Verfahren B 14 AS 13/12 R:
Kein Wohnflächen-Bonus für Alleinerziehende Hartz-IV-Empfänger, AFP VOM 22.8.2012
ARD-Morgenmagazin – Neue Urteile zu Hartz IV – Wolfgang Büser, Rechtsexperte, 30.08.2012
ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 30.08.2012
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
[…] […]
[…] […]
Da hat das BSG den § 22b Abs. 3 SGB II in Verbindung mit BT-Drs.17/3404 Seite 101/102 nicht berücksichtigt. Der Bundestag hat bei der Gesetzesvorlage auch ein Mehrbedarf an Wohnraum für Alleinerziehende in Erwägung gezogen.
Dieses Argument hatte ich auch ins Felde geführt. Allerdings wird man sagen müssen, dass aus § 22 Abs. 3 SGB II nur folgt, dass die Kommunen bei Alleinerziehenden in kommunalen Unterkunftssatzungen (Voraussetzung: Ermächtigung der Kommune durch Landesgesetz gemäß § 22a Abs. 1 SGB II und Erlass einer solchen Satzung durch die Kommune) einen Wohnraummehrbedarf für Alleinerziehende regeln können. Eine solche Satzung gibt es für Kiel nicht und natürlich auch nicht für den in diesem Verfahren streitigen Zeitraum. Aber ein Argument ist es natürlich trotzdem.
Wobei im VwV-SozWo 2004 unter 8.5.5.1 für Alleinerziehende ein Wohnflächenmehrbedarf von 10 qm oder einem Raum grundsätzlich anzuerkennen ist.
Ansonsten verstehe ich nicht, dass man auf der einen Seite nach den Landesbestimmungen für den sozialen Wohnbau geht, aber bei dem Mehrbedarf das nicht berücksichtigt.
Oder habe ich da was falsch verstanden?
Das war auch meine Argumentation: Wenn im Regelungsbereich SGB II bei den maximal angemessenen Wohnungsgrößen eine Orientierung an der Vorschriften der Sozialen Wohnraumförderung erfolgt, dann sollte dies konsequenterweise auch für die dortigen Regelungen über den Wohnraummehrbedarf gelten.
Allerdings haben die Gerichte den Rückgriff auf die Vorschriften zur Wohnraumförderung immer für eine Notlösung gehalten und das BSG hat schon früh angemahnt, das Bundesministerium für Arbeit möge von der Verordnungsermächtigung im ehemaligen § 27 SGB II (bis März 2011) Gebrauch machen:
§ 27 Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung zu bestimmen,
1. welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind und unter welchen Voraussetzungen die Kosten für Unterkunft und Heizung pauschaliert werden können,
2. bis zu welcher Höhe Umzugskosten übernommen werden,
3. unter welchen Voraussetzungen und wie die Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 pauschaliert werden können.
Natürlich war die Vorstellung einer bundeseinheitlichen Festlegung vollkommen realitätsfern und das Bundesministerium hat zu Recht von der Ermächtigung nie Gebrauch gemacht.
Nun – ab 01.04.2011 – sollen die Kommunen die Möglichkeit erhalten, die Wohnflächengrenzen – eben auch abweichend von den Regelungen zur sozialen Wohnraumförderung – festzulegen, § 22b Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Nach Auffassung vieler Gerichte soll nämlich der Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II ein ganz anderer sein als der Kreis der durch sozialen Wohnraum Begünstigter. Ich habe das nie ganz verstanden und über die Behauptung dieser angeblichen Unterschiede – wo immer die Richter diese sehen mögen – gingen die Urteilsbegründungen auch nie hinaus. Letztlich steht dahinter wohl ein sehr fein abgestuftes Gesellschaftsbild, auf dem ein ALG II-Bezieher eben auf der allerletzten Stufe steht. Dass dieses Bild schief ist – so ist es etwa reiner Zufall, ob ein Geringverdiener mit Hartz IV oder Wohngeld „aufstockt“ – konnte ich bisher keinem Richter nahe bringen.
Bei Interesse kann ich hier mal meine Klagebegründung posten. Nur: Was bringt es? Das BSG sieht es offenbar anders.
Also die Klagebegründung würde mich interessieren. Vielleicht verstehe ich dann, warum das BSG auf der einen Seite sagt, man hat nach den landesrechtlichen bestimmungen für den sozialen Wohnbau zu gehen, aber warum es beim Wohnraummehrbedarf nicht ausschlaggebend sein soll.
Okay, suche ich raus.
Ursprüngliche Klagebegründung vom 25.3.2010 zu meinem Az. 188/09 im Verfahren vor dem SG Schleswig.
1.
Die Klägerin zu 1) lebt als allein erziehende Mutter mit ihrem mittlerweile 10jährigen Sohn in einer 79,63 qm großen Wohnung in der XXXstraße XX, 24XXX Kiel, Bezugsfertigkeit 01.01.1992. Die Miete beträgt 471,59 € brutto/kalt zuzüglich 62,00 € Heizkosten. Anerkannt werden hiervon ausweislich des Bescheides vom 13.03.2009 437,00 € brutto/warm.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und deswegen aufzuheben, § 54 Abs. 2 SGG.
Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von der Bruttokaltmiete von 471,59 € sind jedenfalls 457,50 € anzuerkennen und zu erbringen.
a) Die Klägerin zu 1) ist allein erziehende Mutter eines Kindes, welches das 6. Lebensjahr vollendet hat. Gemäß Nr. 8.5.5.1 der Verwaltungsvorschrift zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung nach Wohnungsbindungsgesetz und Wohnraumförderungsgesetz (VwV-SozWo 2004), Amtsblatt Schleswig-Holstein 2004, S. 548, nach welcher auch im Regelungsbereich des SGB II die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen ist (BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16.04.2008 – L 11 B 380/08 AS ER), ist daher von einer noch angemessenen Wohnungsgröße von maximal 75 qm auszugehen.
Es wird hierbei nicht verkannt, dass das Wohnungsbindungsrecht grundsätzlich für zwei Personen eine Wohnfläche von maximal 60 qm vorsieht (Übersicht bei Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, Aufl. 2008, § 22, Rn 43). Entsprechend bestimmt Nr. 8.5.1 der Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsvorschrift zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung nach Wohnungsbindungsgesetz und Wohnraumförderungsgesetz (VwV-SozWo 2004), Amtsblatt Schleswig-Holstein 2004, S. 548, dass für einen Zweipersonenhaushalt in der Regel von einer Wohnungsgröße von 60 qm Wohnfläche auszugehen ist.
Jedoch führt die Ankoppelung des Begriffs der Angemessenheit i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II an die im Wohnungsbindungsrecht für angemessen erachteten Wohnflächen (BSG, Urt. v. 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16.04.2008 – L 11 B 380/08 AS ER; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, Aufl. 2008, § 22, Rn 42c; Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2006, § 22 Rn. 27, beide mit umfangreichem w.N.) dazu, dass der Leistungsträger nicht allein auf die dortigen tabellarischen Werte zurückzugreifen hat, sondern auch die Ausnahmetatbestände dieses Rechtsgebietes zu berücksichtigten sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Wohnungsbindungsrecht solchen besonderen sozialen Situationen Rechnung trägt, die auch das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende als berücksichtigungsfähig anerkennt (so zutreffend SG Aachen v. 16.11.2005, S 11 AS 70/05). Ein solcher Fall ist insbesondere der (in § 21 Abs. 3 SGB II dem Grunde nach als berücksichtigungsfähig anerkannte) Mehrbedarf wegen Alleinerziehung, dem auf dem Gebiet des Wohnungsbindungsrechts Nr. 8.5.5.1 VwV-SozWo 2004 SH Rechnung trägt. Hiernach ist ein zusätzlicher Raum oder eine zusätzliche Wohnfläche von 10 qm bei Alleinerziehenden mit Kindern ab vollendetem 6. Lebensjahr ohne weiteren Nachweis zuzubilligen.
Dieser Ausnahmetatbestand, der nach dem Wohnungsbindungsrecht ein Abweichen von der Tabelle in Nr. 8.5.6 VwV-SozWo 2004 SH rechtfertigt, muss nach hiesiger Auffassung im vorliegenden Fall deswegen zur Anwendung kommen, weil sich die Wohnsituation eines allein erziehenden Erwachsenen im ALG II-Bezug nicht von der Wohnsituation eines allein erziehenden Erwachsenen unterscheidet, der Anspruch auf Wohngeld hat. Soweit vereinzelt eine andere Auffassung vertreten wird, wird verkannt, dass die Zielrichtung der Wohnflächenfestlegung in der VwV-SozWo 2004 SH und eben auch im Bereich der Grundsicherung sich nicht am zur Verfügung stehenden Einkommen orientiert, sondern an den notwendigen Bedürfnissen von Menschen in besonderen Lebenslagen (Behinderung, allein erziehende Eltern usw.), die vollkommen Einkommensunabhängig bestehen oder auch nicht bestehen.
Die von der 9. Kammer des SG Schleswig (S 9 AS 489/08 PKH) aufgestellte These, die Wohnraumförderung habe einen „weitaus größeren Personenkreis“ als Anspruchsberechtigte als das SGB II, kann hier nicht nachvollzogen werden. In Deutschland erhalten gegenwärtig circa 700.000 Bürgern Wohngeld. Dem stehen rund 7 Millionen Empfänger von Leistungen nach dem SGB II gegenüber. Zudem nennt § 1 Abs. 2 Nr. 2 Wohnraumförderungsgesetz Haushalte mit geringem Einkommen. Damit ist aber – entgegen der Auffassung der 9. Kammer – genau der Personenkreis benannt, zu dem die Kläger gehören.
Die Rechtsfrage der Beurteilung der angemessenen Wohnungsgröße bei allein erziehenden Eltern war beim BSG unter dem Az. B 4 AS 17/08 R (alt: B 14 AS 17/08 R) anhängig, wurde aber nicht entschieden. Die Beteiligten haben sich mit Rücksicht auf das Urteil des Senats vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R – (Medieninformation Nr. 7/09) in der Verhandlung am 03.03.2009 verglichen (Terminsbericht 14/09, s.a. Terminsvorschau 14/09). Aus dem Termin wird berichtet, dass der 4. Senat des BSG erneut Alleinerziehenden mehr Quadratmeter Wohnfläche gemäß den Länderbestimmungen zugesprochen hat. Solange der Verordnungsgeber keinen Gebrauch von § 27 SGB II mache und die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft bundeseinheitlich festlegt, bleibe es bei der Anwendung der nach Wohnungsbindungsrecht für angemessen erachteten Wohnflächen (Quellen: http://www.elo-forum.org/diskussionsbereich-urteile-entscheidungen/36410-bsg-terminbericht-nr-14-09-terminvorschau-nr-14-09-09-a.html bzw. http://www.tacheles-sozialhilfe.de/forum/thread.asp?FacId=1129761). Eine andere Quelle als das Elo-Forum ist hier leider nicht bekannt. Das BSG gibt über den Inhalt von Gerichtsvergleichen leider keine Auskunft.
Ein Indiz dafür, dass auch die besonderen Wohnflächengrößen gemäß den Länderbestimmungen zuzusprechen sind, ergibt sich indes (auch) aus der Entscheidung des BSG vom 18.06.2008. B 14/7b AS 44/06 ER. Dort heißt es unter Rz. 12 a.E:
„Gemäß Ziffer B Nr. 11.2 der Wohnraumförderungsbestimmungen – WFB 2003 – gilt bei Mietwohnungen für Alleinstehende eine Wohnfläche bis 50 qm als angemessen. Besondere Fallkonstellationen, die im Einzelfall zu einer Erhöhung der angemessenen Fläche führen könnten (Ziffern B Nr. 11.4 und 11.5 Wohnraumförderungsbestimmungen – WFB 2003 -), liegen bei der Klägerin nicht vor.“
Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass, würde einer dieser besonderen Fallkonstellationen vorliegen, dies zu einer Erhöhung der angemessenen Flächenzahl führen würde.
Nr. 11.4 und 11.5 der Niedersächsischen WFB 2003 regeln (Quelle: http://www.recht-niedersachsen.de/23400/wfb2003.htm):
11.4 Die angemessene Wohnfläche erhöht sich darüber hinaus
– für Alleinerziehende und
– für jeden schwerbehinderten Menschen um jeweils weitere 10 m2.
Sie erhöht sich um weitere 10 m2, soweit ein besonderer persönlicher oder beruflicher Bedarf nachgewiesen wird.
11.5 Die Wohnraumförderungsstelle kann darüber hinaus einer Überschreitung der Wohnflächengrenze von bis zu 10 v.H. zustimmen, wenn bauliche Erfordernisse wie z.B. der Grundstückszuschnitt, die Baugrenzen oder Baulasten die Einhaltung der genannten Grenzen verhindern; in begründeten Einzelfällen kann sie weitere Ausnahmen zulassen.
b) Ist nach alledem von einem Wohnraumbedarf für drei Personen auszugehen, so bestimmt sich die maßgebliche Mietobergrenze wie folgt:
Nach der Berechnungsmethode
[MW(g1) x FB(g1)] + [MW(c2) x FB(c2)] + [MW(c1) x FB(c1)] + [MW(g2) x FB(g2)] = Mittelwert
Σ Feldbesetzung (g1+c2+c1+g2)
[4,59 x 46] + [4,62 x 60] + [4,75 x 34] + [4,92 x 66] = 4,7305
46+60+34+66
ergibt sich auf der Grundlage des Mietspiegels 2006 für den Zeitraum 01.04.2009 bis 30.09.2009 zunächst für einen Dreipersonenhaushalt ein maßgeblicher Wert für den angemessenen Nettoquadratmeterpreis von 4,73 €.
Dem ermittelten Betrag für die Nettokaltmiete pro Quadratmeter sind noch die angemesse¬nen „kalten“ Betriebskosten hinzuzurechnen. Diesbezüglich ergibt sich aus dem Kieler Miet¬spiegel, dass durchschnittlich für jede Wohnung wenigstens 1,00 € pro m2 an Betriebskosten ohne Heizung und Warmwasser anfallen (vgl. Kieler Mietspiegel 2008, S. 6). Maximal kommt danach ein Wert von 1,89 € pro m2 in Betracht, wenn sämtliche denkbaren Nebenkosten im konkreten Einzelfall anfallen (z.B. Hauswart, Aufzug, Gartenpflege, Wartung von Anlagen). Das Sozialgericht Schleswig hält unter konsequenter (aber auch konsequent falscher) Fortsetzung seines Ansatzes der Verweisung auf das untere Drittel hinsichtlich der angemessenen Kosten der am Sozialgericht Schleswig zum Kieler Mietspiegel verbreitet angewandten Berechnungsme¬thode fest (vgl. SG Schleswig, Beschluss vom 21.08.2007, Az: 5 1 AS 581/07 ER; Beschluss vom 21.01.2008, Az: S 20 AS 10/08 ER; Beschluss vom 11.02.2008, Az. S 25 AS 105/08 ER; Beschluss vom 22.01.2009, S 1 AS 21/09 ER; vgl. inzwischen auch Schleswig-Holsteinisches LSG vom 16.04.2008, Az. L 11 B 380/08 AS ER). Danach wird unter der Annahme, dass regelmäßig zwar nicht alle aber zumindest einige der zusätzlichen Nebenkosten anfallen, ein Drittel der Differenz auf den unteren Wert aufgeschlagen, so dass insgesamt von angemessenen Nebenkosten in Höhe von € 1,37 auszugehen ist.
1,09 € + (1,93 – 1,09) € = 1,37 €
3
Im Ergebnis führt diese Berechnungsmethode also zu einem angemessenen Quadratmeterpreis von 6,10 € und somit zu einer rechnerischen Mietobergrenze für einen Dreipersonenhaushalt von 457,50 € inklusive kalter Nebenkosten.
Die Berechnung der angemessenen Betriebskosten – ein Drittel der Differenz zwischen den durchschnittlichen Nebenkosten unter Berücksichtigung aller denkbaren Nebenkostenarten und den in jedem Mietverhältnis anfallenden Nebenkosten – überzeugt nicht. Denn anders als bei der Bestimmung des Nettokaltmietzinses, der sich an Wohnraum mit einfachem und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad orientieren soll, zeichnet sich einfach ausgestatteter Wohnraum nicht zwangsläufig durch geringere Betriebskosten aus. So ist nicht ersichtlich, warum Kosten für „Straßen-/ Gehwegreinigung (sofern nicht im Posten Hauswart enthalten)“, „Hausreinigung (sofern nicht im Posten Hauswart enthalten)“, „Gartenpflege (sofern nicht im Posten Hauswart enthalten)“, „Schornsteinreinigung (sofern nicht im Posten Hauswart enthalten)“, „Hauswart“, „Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss“, „Wartung der Heizungsanlage“, „Wartung der Warmwassergeräte“ und „Aufzug“ (vgl. Kieler Mietspiegel 2008, Seite 6) nur in Wohnraum des unteren Marktsegmentes entstehen sollen. Vielmehr ist die Entstehung dieser Kosten eher dem Zufall geschuldet. Ob ein Hauswart gewisse Arbeiten übernimmt oder nicht, entscheidet sich regelmäßig nach den Vorlieben des Eigentümers sowie danach, ob sich ein zuverlässiger Mieter finden lässt, der bereit ist, diese Aufgaben zu übernehmen. Eine Gemeinschaftsantenne oder ein Kabelanschluss ist heute nicht mehr Merkmal einer guten Ausstattung einer Wohnung, sondern dürfte eher von der Größe des Wohnkomplexes abhängen. Ob Kosten für die Wartung einer Heizungsanlage anfallen, hängt allein von der Existenz einer Heizungsanlage ab. Nur bei einem Fernwärmeanschluss dürften die Kosten nicht anfallen. Dass die Nichtversorgung einer Immobilie mit Fernwärme zu einem höheren Wohnkomfort führt, kann aber ernstlich nicht behauptet werden. Kosten für die Wartung von Warmwassergeräten dürften sogar eher im unteren Marktssegment bei Wohnraum ohne zentrale Warmwasseraufbereitung (Gas- bzw. Stromboiler) entstehen. Kosten für einen Aufzug entstehen bei hohen Gebäuden. Dass Gebäude – nur weil sie hoch sind – auch im hohen Marktsegment liegen, lässt sich mit Fug ebenfalls nicht sagen. Gerade die Plattenbausiedlungen der 60iger und 70iger Jahre – allesamt (ehemals) kostenangemessene Sozialwohnungen – verfügen über betriebskostenintensive Aufzüge und aufgrund der meist großzügigen Außenanlagen gibt es Firmen, die die Schneereinigung und Pflege der Grünanlagen übernommen haben. Dieser Wohnraum, der gerade für sozial schwache Mieter gedacht war, würde mit einer Anerkennung von Betriebskosten in Höhe von 1,37 €/m2 für Bezieher von Grundsicherungsleistungen nicht mehr anmietbar sein. Das kann nicht wahr sein. Nach hiesiger Auffassung sind daher als Obergrenze zumindest die durchschnittlichen Betriebskosten in Kiel in Höhe von 1,85 €/m2 zugrunde zu legen.
Da die Rechtsprechung indessen derzeit so zur Kenntnis genommen werden muss, wie sie ist, wird lediglich die Übernahme einer Bruttokaltmiete von 457,50 € beantragt.
Es wird darauf hingewiesen, dass im Parallelverfahren vor dem SG Schleswig, S 8 AS 1388/08, mit Beschluss vom 19.02.2010 Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.
2. Zur Begründung des Prozesskostenhilfegesuches wird auf die beigefügte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Einkommensnachweis Bezug genommen. Daraus ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung vorliegen.
Es bringt sehr viel, wenn man die Klagen mit den Urteilssprüchen und richterlichen Umdreh-/Ablenkversuchen ausfindig machen kann.
Danke für die Mühen.
[…] hat. Dass die wohnraumförderungsrechtlichen Maßstäbe insbesondere wegen der Flächengrenzen von den grundsicherungsrechtlichen Maßstäben abweichen, wie der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 zutreffend dargestellt hat, bedarf […]