Hartz IV: Brille als Sonderbedarf
Veröffentlicht: 1. September 2013 Abgelegt unter: Mehrbedarfe | Tags: Brille Sonderbedarf § 21 Abs. 6 SGB II, Hartz IV Brille, Hartz IV Sehschwäche, LSG NRW Urteil vom 12.06.2013 L 7 AS 138/13 B 2 KommentareNach einer Entscheidung des Landessozialgerichts NRW können die Kosten für die Anschaffung einer zum Ausgleich einer Sehschwäche erforderlichen Brille gemäß § 24 Abs. 1 SGB II grundsätzlich nur darlehensweise übernommen werden, da es sich bei den Anschaffungskosten um einen einmaligen Bedarf handelt.
Etwas anders kann jedoch dann gelten, wenn aufgrund der besonderen Sachlage – im Falle des Klägers einer chronischen Augenerkrankung, die zu einer kontinuierlichen Verschlechterung seiner Sehkraft führt – eine wiederkehrende Anpassung der Sehschärfe notwendig ist. In derart gelagerten Fällen kann es sich bei der Anschaffung einer Brille um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf handeln, dessen Kosten vom Grundsicherungsträger nach § 21 Abs. 6 SGB II als Zuschuss zu übernehmen sind.
Ein anspruchsbegründender laufender Bedarf liegt jedenfalls dann vor, wenn der besondere Bedarf – Anpassung der Sehschärfe – im sechsmonatigen Bewilligungsabschnitt nicht nur einmalig, sondern bei prognostischer Betrachtung voraussichtlich mehrfach auftritt.
Unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenart des Bedarfs kann ein laufender Bedarf aber auch angenommen werden, wenn er zwar häufiger auftritt, nicht jedoch zwingend in jedem Bewilligungsabschnitt gegeben ist, aber wegen der Höhe der damit verbundenen Aufwendungen nicht über die Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II erfasst werden kann.
(LSG NRW, Urteil vom 12.06.2013, L 7 AS 138/13 B – rechtskräftig)
Erstveröffentlichung in HEMPELS 08/2013
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
Ich habe seit 24 Jahren die gleiche Brille, obwohl sich natürlich in der genannten Zeit meine Sehschärfe (Kurzsichtigkeit) verschlechtert hat, allerdings nicht aufgrund einer chronischen Erkrankung. Inzwischen kommt auch alterbedingt eine geringe Weitsichtigkeit dazu. Eine Gleitsichtbrille kann ich mir aber nicht leisten, also muss die alte Brille weiter halten.
Gut zu wissen, dass es wenigstens für Menschen mit chronischer Augenerkrankung nun diese Möglichkeit gibt. 🙂
Dazu jetzt BSG, Urteil vom 25.10.2017, B 14 AS 4/17 R:
Die Revision des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Der Kläger hat nach § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 3 Var 2, Satz 2 SGB II einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Reparatur seiner Brille, wie das LSG zu Recht erkannt hat.
Der Sonderbedarf nach § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II ist eingeführt worden, um Bedarfe abzudecken, die nicht in die Ermittlung des Regelbedarfs eingeflossen sind (vgl BT-Drucks 17/3404 S 102 f). Nicht in die Ermittlung des Regelbedarfs im Rahmen des RBEG 2011 eingeflossen sind die im Rahmen der zugrunde liegenden Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008 unter dem Code 0613090 erfassten „Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen“ (BT-Drucks 17/3404 S 58, 140). Nach den Ausfüllhinweisen des Statistischen Bundesamts zur EVS 2008 fielen unter die Wendung „therapeutische Geräte und Ausrüstungen“ auch Brillen.
Demgemäß wurde die Reparatur von Brillen im Rahmen der EVS 2008 in eine Rubrik eingetragen, die nicht in die Regelbedarfsermittlung eingeflossen ist und deren Bedarfe durch den Sonderbedarf nach § 24 Abs 3 SGB II abgedeckt werden sollen.
SG Oldenburg – S 39 AS 1439/14 –
LSG Niedersachsen-Bremen – L 13 AS 92/15 –
Bundessozialgericht – B 14 AS 4/17 R –
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2017&nr=14740