Neue Mietobergrenzen in Kiel ab 1. Dezember 2014 – und keiner kennt sie!

Wappen KielMit Beschluss vom 30.10.2014 wurde der Kieler Mietspiegel 2014 von der Kieler Ratsversammlung anerkannt und hat mit seiner Veröffentlichung vom 10.11.2014 Gültigkeit erlangt. Nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (vgl. zuletzt Urteil 19.05.2014, L 6 AS 18/13) sind die Mietobergrenzen nach § 22 SGB II und § 35 SGB XII auf der Grundlage der Daten des jeweils gültigen Mietspiegels zu ermitteln und geltend ab dem auf die Veröffentlichung folgenden Monat. Ab dem 01.12.2014 gelten in Kiel damit neue Mietobergrenzen. Das Problem ist nur: Außer der Stadt kennt sie keiner.

Geheimniskrämerei nicht im Interesse der Stadt

Für die Stadt Kiel und das Jobcenter Kiel hat der Umgang der Verwaltungsspitze mit den neuen Mietobergrenzen durchweg negative Folgen:

Die Bewilligungsbescheide für alle Leistungsbezieher, die zu ihrer Miete hinzuzahlen, sind seit dem 01.12.2014 rechtswidrig. Legen Betroffene Widerspruch ein, wird eine ohnehin belastete Leistungsverwaltung mit zusätzlichen Widerspruchsverfahren beschäftigt, die bei einer rechtzeitigen Information und Umsetzung der neuen Mietobergrenzen hätten vermieden werden können.

Für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB XII, die aufgefordert sind, sich kostenangemessenen Ersatzwohnraum zu suchen, ist derzeit völlig unklar, bis zu welcher Höhe sie in Kiel ab dem 01.12.2014 eine neue Wohnung anmieten dürfen, ohne dass ihnen rechtliche Nachteile drohen. Auch in diesen Fällen ist zu befürchten, dass in sozialgerichtlichen Eilverfahren um die Zusicherung der Kosten für eine neue Unterkunft (vgl. 22 Abs. 4 SGB II) allein deshalb gestritten wird, weil die neuen Mietobergrenzen nicht rechtzeitig bekannt gegeben worden sind.

Erneute Missordnung wäre vermeidbar gewesen

Diese leider neuerlich zu beklagenden Zustände Kieler Regellosigkeit wären vermeidbar gewesen.

So hätte es nahe gelegen, der Ratsversammlung zeitgleich mit der Beschlussfassung über den Kieler Mietspiegel 2014 auch die neuen Mietobergrenzen für die Regelungsbereiche SGB II und SGB XII zur Anerkennung vorzulegen – und nicht erst fast vier Monate später in der Februar-Ratsversammlung 2015.

Eine vorausschauend agierende Verwaltung hätte zudem dafür Sorge getragen, dass die neuen Mietobergrenzen der Leistungsverwaltung schon einige Monate vorher zur Verfügung gestellt werden. Denn in Zusicherungsverfahren nach § 22 Abs. 4 SGB II und § 35 Abs. 2 SGB XII im Rahmen der Anmietung einer neuen Unterkunft sind regelmäßig die Kündigungsfristen für die bisherigen Wohnungen zu beachten, d.h. viele etwa ab dem 01.12.2014 geltenden Mietverträge wurden möglicherweise bereits im August 2014 geschlossen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Stadt Kiel diesen Fehler im Jahre 2016 nicht wiederholen wird.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


5 Kommentare on “Neue Mietobergrenzen in Kiel ab 1. Dezember 2014 – und keiner kennt sie!”

  1. Diese rechtswidrige Umgangsform ist nicht neu. Einen ähnlichen Fall gab es bereits im Dezember 2010. Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) und SGB XII (Grundsicherung) hatten bereits seit dem 01.12.2010 Anspruch auf höhere Leistungen für ihre Unterkunft, wenn sie in Ein- oder Zweipersonenhaushalten leben. Im Wissen um diese rechtliche Tatsache brachten SPD, Grüne und SSW am 24.11.2011 rechtswidrig einen Antrag ein, den sie mit ihrer Stimmenmehrheit verabschieden. (Drucksache 0730/2011). Ratsherr Michael Schmalz (SPD) stellte in seiner Begründung des rechtswidrigen Vorgehen in der Ratsversammlung, dass sei „nicht optimal gelaufen“ und begründete den Antrag damit, dass eine rückwirkende Korrektur der Mietobergrenzen  „die Verwaltung lahmlegen“ würde; und der zu dieser Zeit noch grüne Ratsherr Sharif Rahim sprach sich in der Ratsversammlung dafür aus, „die Möglichkeit der rückwirkenden Leistungserbringung doch bitte „nicht an die große Glocke zu hängen“.  ( Kieler Nachrichten vom 25.11.2011)

    • Während 2011 SPD, Grüne und SSW in der Ratsversammlung tatsächlich versuchten zu tricksen und Leistungsberechtigte um ihre gesetzlichen Ansprüche zu bringen (was der ehemalige „grüne“ und nun fraktionslose Ratsherr Rahim munter ausplauderte, indem er in der Ratsversammlung öffentlich dafür warb, die Möglichkeit der rückwirkenden Leistungserbringung doch bitte “nicht an die große Glocke zu hängen”), mehr hier: https://sozialberatung-kiel.de/2011/12/09/kiel-rechtsanspruche-hilfebedurftiger-nicht-an-die-grose-glocke-hangen/), scheint es sich 2014 „nur“ um (leider gewohnt) unprofessionelles Handeln der nach parteipolitischem Proporz besetzten Kieler Verwaltungsspitze zu handeln. Es ist diesmal nicht damit zu rechnen, dass die neuen MOG nicht rückwirkend ab 01.12.2014 aberkannt werden sollen. Insoweit hat man wohl – und das immerhin gilt es anzuerkennen – dazugelernt.

  2. Wilfried Sperling sagt:

    Guten Morgen, habe diesen Artikel zufällig entdeckt. – Was bedeutet das in der Praxis? Jetzt schon Widerspruch einlegen und / oder einen Antrag auf Neuberechnung stellen? Wenn ich den letzten Satz Ihrer Antwort richtig verstehe, kann man hoffen, dass es rückwirkend anerkannt wird, möchte aber keine Fristen versäumen. – Vielen Dank.

    • Gefahr ist nicht in Verzug. Den Monat Dezember 2014 können Sie notfalls noch bis 31.12.2014 nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, § 44 SGB X überprüfen lassen. Ich gehe davon aus, die Stadt weiß, dass die neune MOG ab 01.12.2014 anzuerkennen ist.

  3. […] Beide Anträge sind zu begrüßen. Der Antrag zu dem Mietobergrenzen für unter 25jährige wurde – was ein neuerliches sozialpolitisches Armutszeugnis für die angeblich “soziale Stadt” Kiel ist – bereits zweimal (in der Ratsversammlung am 22.02.2014 und 10.07.2014) zurückgestellt. Unverständlich ist, dass die Ratsversammlung offenbar in ihrer Sitzung am 22.01.2015 immer noch nicht über die seit dem 01.12.2014 geltenden Mietobergrenzen beschließen wird. Zur Kritik mehr hier. […]


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