1.461 Kieler Hartz IV Familien müssen zu ihrer Miete zuzahlen

Auf eine kleine Anfrage des Ratsherrn Arne Langniß (Ratsfraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN) hat die Stadt Kiel erstmals konkrete Angaben zu der Zahl der Bedarfsgemeinschaften im ALG II Bezug gemacht, die aus ihrem Regelsatz zu ihrer Miete dazuzahlen müssen, weil das Jobcenter Kiel ihre Unterkunftskosten nicht in voller Höhe anerkennt. Im Leistungsbereich des Jobcenters Kiel sind danach bei 1.461 von 18.778 Bedarfsgemeinschaften (= 7,78 %) die tatsächlichen Kosten der Unterkunft höher als die angemessenen Kosten der Unterkunft.

Im Bereich von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Hilfe zum Lebensunterhalt kann nach Angaben des Sozialdezernenten keine belastbare Aussage getroffen werden. Von 6.977 Bedarfsgemeinschaften wohnen 200 bis 400 Bedarfsgemeinschaften in Wohnraum, dessen Kosten über den städtischen Mietobergrenzen liegen. Wegen der besonderen persönlichen Voraussetzungen würden im Einzelfall aber erhöhte Unterkunftskosten anerkannt, so dass weniger Haushalte betroffen seien, die derzeit die Differenz von der Mietobergrenze zur tatsächlichen Miete selbst tragen müssten.

Moratorium bei Mietsenkungsverfahren und 10 % Aufschlag bei Neuanmietungen

Die Landeshauptstadt Kiel als Träger der Sozialhilfe sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung hat mit dem Jobcenter abgestimmt, bis zur Vorlage neuer Mietobergrenzen keine neuen Mietsenkungsverfahren einzuleiten. Da die Stadt Kiel davon ausgeht, dass die angemessenen Kosten der Unterkunft ansteigen, folgt sie der Empfehlung des Sozialgerichts Kiel und erkennt bei Neuanmietungen „weitestgehend“ die Werte der alten Mietobergrenzen zuzüglich 10 % an.

Überprüfungsanträge stellen!

Keine Aussagen trifft die Stadt Kiel hingegen zu ihrem Umgang mit Bestandsmietverhältnissen, in denen Leistungsberechtigte schon jetzt zu ihrer Miete dazuzahlen. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit – die Stadt erkannte hier die angehobenen Mietobergrenzen nicht rückwirkend an – ist Leistungsbeziehern dringend zu raten, rückwirkend ab 01.12.2016 noch in diesem Jahr Überprüfungsanträge nach § 40 Abs. 1 Satz Nr. 2 SGB II i.V.m. § 44 SGB X zu stellen.

Falls es Unterschiede geben sollte …

Ein wenig schmunzeln lässt die Antwort der Stadt auf die Frage, ob bei den anzuerkennenden Unterkunftskosten zwischen Angebotsmieten bei Neuanmietung und Bestandsmieten unterschieden wird. „Falls es Unterschiede geben sollte“, so der Sozialdezernent, „spielt dies bei den angemessenen Kosten der Unterkunft keine Rolle.“ Jeder, der mal einen Blick in eines der großen Wohnungssuchportale wirft, wird sich schnell davon überzeugen können: Ja, da gibt es ganz gewaltige Unterschiede.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


4 Kommentare on “1.461 Kieler Hartz IV Familien müssen zu ihrer Miete zuzahlen”

  1. […] Quelle: Rechtsanwalt Helge Hildebrandt bei Sozialberatung Kiel […]

  2. JRS sagt:

    Da hoffe ich mal, dass von den gleichen ParteivertreterInnen auch in den anderen Landeshauptstädten ähnliche Anfragen jetzt gestellt werden.
    Vor paar Tagen war in der Süddeutschen für München und dem Großraum eine Graphik, die die Kostensteigerungen bis runter zu Stadtteilen aufzeichnete.

    Zu glauben, dass SGB XII Leistungsabhängige nicht betroffen sind, wäre fahrlässig.

    Eine Witwe, die nur noch 60% der Ehemannrentenleistung erhält, wird beim „Wohnungsverkleinerungsversuch“ hoffentlich daran denken, was denn Herr Riester sich damals tolles für sie ausgedacht hatte.

  3. Franzi sagt:

    Also die Erhöhung ist ein echter Witz!
    Lässt sich ja leider nicht ändern.
    Nun hab ich aber eben auf einer Seite des Jobcenters gelesen das die Erhöhung rückwirkend seit dem 01.01.2017 gültig ist.
    Hier einmal der Link
    https://www.jobcenter-ge.de/Jobcenter/Kiel/DE/fuer-arbeitssuchende/foerdern-und-fordern/tabelle-mietobergrenzen.html

    Jetzt bin ich etwas verunsichert.
    Vielleicht könnten Sie das einmal aufklären.

    • Ja, kann ich. Der Text auf der Website des Jobcenters wurde heute aktualisiert. Das Jobcenter Kiel schrieb mir heute:

      „- Der Hinweis auf die rückwirkende Gültigkeit der MOG wird noch auf die Jobcenter – Seite aufgenommen; wurde vergessen.
      – Die genannten MOG sind die von der LHK übermittelten, auf einem Konzept/Erhebung beruhenden Werte.“

      Antwort zwei bezieht sich auf meine Nachfrage zu der unveränderten MOG für Zweipersonen-BG.


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