Umzugskosten und Mietkautionsdarlehen auch bei Umzug in zu teure Wohnung

Schleswig-Holsteinisches LSG

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Viele Jobcenter übernehmen bei einem nicht notwendigen oder vom Jobcenter veranlassten Umzug auch keine Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten und gewähren kein Mietkautionsdarlehen für die neue Wohnung. Gleiches gilt, wenn die Miete für die neue Unterkunft über der örtlichen Mietobergrenze liegt. Als Begründung verweisen die Jobcenter regelmäßig darauf, sie dürften unnötige Wohnungswechsel und Umzüge in zu teure Wohnungen nicht dadurch unterstützen, dass sie die Umzugskosten anerkennen und Mietkautionsdarlehen gewähren.

Das Jobcenter Rendsburg-Eckernförde etwa benutzt ein Standardschreiben, in dem mit der Ablehnung der Zusicherung der Kosten der neuen Unterkunft zugleich auch die Umzugskosten sowie das Mietkautionsdarlehen abgelehnt werden. Wörtlich heißt es in den Normschreiben: „Kosten welche im Zusammenhang mit dem Umzug  anfallen (Kaution, Umzugswagen etc.) können nicht übernommen werden, selbst wenn der Umzug aus leistungerechtlicher Sicht erforderlich ist.“

Bundessozialgericht, B 4 AS 37/13 R

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 4 AS 37/13 R) nun darauf hingewiesen, dass lediglich die Verpflichtung des Jobcenters zur Übernahme von Umzugskosten und Mietkaution voraussetzt, dass die Kosten der neuen Wohnung angemessen sind und der Umzug zusätzlich notwendig war oder vom Jobcenter selbst veranlasst wurde. Sind die Kosten für die neue Unterkunft unangemessen hoch oder zwar angemessen, liegt jedoch kein Umzugsgrund vor und hat das Jobcenter den Umzug auch nicht veranlasst, muss das Jobcenter dennoch eine Ermessensentscheidung nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II treffen. Als Ermessenserwägungen sind hierbei die Umstände einzubeziehen, die zum Auszug geführt haben, aber auch absehbare zukünftige Entwicklungen. Bestehen nachvollziehbare Gründe, die zum Auszug geführt haben, hat sich der Leistungsberechtigte nachweislich um eine Senkung seiner Mietkosten bemüht oder liegen die Kosten der neuen Unterkunft nur geringfügig über der maßgeblichen Mietobergrenze, kann eine Ablehnung der Übernahme von Umzugskosten und der Gewährung eines Mietauktionsdarlehens ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sein.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 6 AS 181/14 B ER

In einem aktuellen Beschluss vom 09.10.2014 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (L 6 AS 181/14 B ER) weitere Ermessensgesichtspunkte benannt, die für die Praxis von Bedeutung sind:

„Der Antragsgegner kann die nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu treffende Ermessensentscheidung nicht schon maßgeblich auf den Gesichtspunkt stützen, dass die Wohnung, die die Antragstellerinnen zu beziehen beabsichtigen, unangemessen i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist. Dieser Umstand wird vielmehr bereits tatbestandlich vorausgesetzt, weil anderenfalls – in der vorliegenden Situation eines anerkannten Auszugsgrundes – bereits die Regelung des § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II greifen würde, die der leistungsberechtigten Person für den typischen Fall einen Anspruch auf Zusicherung der Umzugs- bzw. Wohnungsbeschaffungskosten zuerkennt. Ermessensrelevant kann daher nur der Umfang der Überschreitung der Angemessenheitsgrenzen sein. Hier ist tendenziell zugunsten der Antragstellerinnen zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zu 1. aus dem Grundfreibetrag (§ 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II) den Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Aufwendungen und der im Rahmen der Mietobergrenze zu tragenden Kosten der Unterkunft einstweilen wird bestreiten können. Auch im Übrigen überzeugen tendenziell eher die seitens der Antragstellerinnen ins Feld geführten Ermessensgesichtspunkte: Zwar greift das Argument der Antragstellerinnen, dass die Höhe der „Transaktionskosten“ in keinem erkennbaren Zusammenhang zur Angemessenheit der neuen Unterkunft stehe und deshalb unter dem Gesichtspunkt der sparsamen Mittelbewirtschaftung auch kein öffentlicher Belang betroffen sei, weil der Auszug anerkanntermaßen notwendig sei und Umzugskosten daher sowieso anfielen, zu kurz. Denn theoretisch könnten die Antragstellerinnen alsbald nach dem Umzug den Entschluss fassen, ob der Unangemessenheit der Unterkunft und der nicht vollständigen Kostenübernahme durch den Antragsgegner kurzfristig wieder in eine dann kostenangemessene Wohnung umzuziehen. Für einen solchen Umzug mussten die Kosten dann möglicherweise grundsätzlich nach § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II übernommen werden, wobei gleichzeitig eine besondere Atypik im Hinblick auf die Sollensregelung hier besonders zu prüfen wäre. Auch die Gefahr des Entstehens von Mietschulden mit einem dann ggf. korrespondierenden Anspruch nach § 22 Abs. 8 SGB II dürfte beim Bezug einer unangemessenen Wohnung eher steigen. Konkret schätzt der Senat diese Risiken im Falle der Antragstellerinnen derzeit aber nicht als so groß ein, dass sie nicht einstweilen hingenommen werden könnten.

Mit den übrigen Argumenten der Antragstellerinnen hat sich der Antragsgegner bis her auch im Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 kaum auseinandergesetzt. Sie sind, insbesondere was das Bedürfnis der Antragstellerin zu 1. nach Anmietung einer Wohnung nur in bestimmten Stadtvierteln anbelangt, nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Als wesentlichen Ermessensgesichtspunkt sieht es der Senat aber auch an, dass das Amt für Wohnen und Grundsicherung der Landeshauptstadt Kiel, die zugleich als kommunaler Träger i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II fungiert, der Antragstellerin zu 1. einen Wohnberechtigungsschein über eine Wohnung mit einer Größe von bis zu 70 qm ausgestellt und sie nach Angabe der Vermieterin für diese konkrete Wohnung vorgeschlagen hat. Dass die wohnraumförderungsrechtlichen Maßstäbe insbesondere wegen der Flächengrenzen von den grundsicherungsrechtlichen Maßstäben abweichen, wie der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 zutreffend dargestellt hat, bedarf keiner vertiefenden Erörterung. Relevant ist diese Abweichung primär für § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Bei der Anwendung des § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II stellt dieses Verhalten dabei durchaus einen wesentlichen Ermessensgesichtspunkt dar.

Auch die Folgenabwägung streitet vorliegend dafür, den Antragsgegner einstweiligen zur Zusicherung der für den beabsichtigten Umzug anfallenden Aufwendungen zu verpflichten. Dafür ist hier insbesondere der Umstand maßgebend, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache, die im einstweiligen Rechtsschutz möglichst vermieden werden sollte, hier nur im Falle einer Ablehnung, nicht aber im Falle des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung erfolgen würde: Würde die hier streitige Zusicherung nicht erteilt werden, würde die Vermieterin der Wohnung im Hinblick auf die seitens der Antragstellerinnen nicht aufbringbare Mietkaution den Mietvertrag wahrscheinlich nicht abschließen und die Wohnung anderweitig vergeben. Die Antragstellerinnen könnten das Hauptsacheverfahren dann nur noch für erledigt erklären. Wird die Zusicherung erteilt, hat der Antragsgegner aber im Anschluss an das Hauptsacheverfahren immer noch die Möglichkeit, die einstweilen in Geld gewährten Leistungen von den Antragstellerinnen zurückzuverlangen, wobei den Großteil des Anspruchs ohnehin das Mietkautionsdarlehen ausmacht.“

Zusammenfassend sind nach der bisherigen Rechtsprechung mithin folgende Ermessensgesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • Nachvollziehbare Umzugsgründe.
  • Bemühungen zur Senkung der Mietkosten in der bisherigen Wohnung.
  • Höhe der Überschreitung der Mietobergrenze in der neuen Unterkunft.
  • Möglichkeit, die Mietdifferenz aus anrechnungsfreiem Einkommen zu bestreiten.
  • Umzug in eine Wohnung, die nach wohnraumförderungsrechtlichen Maßstäben angemessen ist (insbesondere Alleinerziehende mit Wohnraummehrbedarf gemäß Wohnberechtigungsschein).
  • Folgenabwägung im gerichtlichen Eilverfahren regelmäßig zugunsten eines Mietkautionsdarlehens.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt


17 Kommentare on “Umzugskosten und Mietkautionsdarlehen auch bei Umzug in zu teure Wohnung”

  1. Björn Nickels sagt:

    Es zeigt sich doch immer wieder, wie wichtig diese homepage hier ist.

    Gut so Helge (Hildebrandt), dass Du hier auch die Schriftstücke (LSG Schleswig-Holstein Gerichtsbeschluss und Normschreiben des Jobcenters Rendsburg-Eckernförde) veröffentlichst.

    Hoffentlich wehren sich noch weitere KlägerInnen und ziehen gegen Ungerechtigkeiten, falls es erforderlich ist, vor Gericht.

    Dies manchmal (nicht bei jedem Sachverhalt) notwendig.

  2. […] Umzugskosten und Mietkautionsdarlehen auch bei Umzug in zu teure Wohnung Umzugskosten und Mietkautionsdarlehen auch bei Umzug in zu teure Wohnung | Sozialberatung Kiel […]

  3. Claudia sagt:

    Vielen Dank für Ihr Engagement und die sehr gute Internetseite! Sie helfen uns damit auch im Süden Deutschlands und man kann sich einiges abschauen.

  4. Das SH LSG hat den Beschluss vom 09.10.2014, L 6 AS 181/14 B ER, jetzt auch selbst veröffentlicht: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=175048

  5. Ulla sagt:

    Hallo Herr Hildebrandt, eine toll Seite haben SIe!!! Danke schon mal dafür! Ob der Beschluss wohl auch bei Grundsicherung wegen Erwerbsminderung zutrifft?

  6. Andreas sagt:

    Bei mir ist das gerade so, dass meine Heizkosten extrem hoch waren. Habe eine Kostensenkungsaufforderung bekommen. Nun habe ich eine Wohnung gefunden, die allerdings 49€ über die angemessene Kaltmiete ist, und 100€ über meine bisherige Miete.

    Ich wohen gerade in einem Altbauvon anno frühstens 1950. Die neue Wohnung ist 1985 gebaut worden. Außerdem hat sie 83qm statt bisher 112qm.

    Jetzt meinte das JC es wurde kein zwingender Umzugsgrund vorgetragen. Auch sei lt. Aktenlage keiner gegeben.

    Das aber die Kosten sich für den Steuerzahler auf ca. 150€ im Monat verringern, scheint nicht ausreichend zu sein.

    Das verstehe einer wer will. Ich nicht.

    • Wenn Sie eine Kostensenkungsaufforderung bekommen haben, liegt der Umzugsgrund in der aktuell zu hohen Miete. Der Umzugsgrund wurde dann vom Jobcenter bereits bejaht. Im Übrigen sind Ihre Angeben etwas irritierend. Wenn die Miete für die neue Wohnung 100 € über Ihrer bisherigen Kaltmiete liegt und 49 € über der Mietobergrenze, muss ihre jetzige Wohnung mit 51 € unterhalb der Mietobergrenze liegen. Da müssen die Heizkosten schon sehr hoch sein, wenn sich ein Umzug „lohnen“ soll. Da die Senkungsaufforderung offenbar nur wegen der hohen Heizkosten erfolgt ist, beachten Sie: Eine Absenkung auf die angemessenen Heizkosten darf erst nach rund einem Jahr erfolgen, da sie die Möglichkeit erhalten müssen, ihr Heizverhalten zu ändern.

      • Andreas sagt:

        naja, die Nebenkosten beliefen sich auf ca. 318€. Hinzu kommen Ersparnisse durch den Umgang ( Kindesmutter wohnt im gleichem Ort)

        KWH alte Wohnung 227 bei 112qm = 30509 geteilt durch 10 ergibt 3050,9 Liter mal 0,80€
        KWH neue Wohnung 100 bei 83qm = 9960 geteilt durch 10 ergibt 996,0 Liter mal 0,80€

        Das ergibt eine Ersparnis von 1.643€ beim Heizöl. Hinzu kommt, dass ich in der Wohnküche einen Holzofen hätte und mich ausschliesslich in diesem Raum aufhalten kann, wenn die Kinder nicht da sind.

  7. Maik Steffensen sagt:

    Hallo. Meine Schwiegermutter wohnt im ersten Stock in einem Haus das der Kirche gehört. Sie übernimmt auch kleinere Arbeiten im Haus für die Kirchengemeinde. Sie ist Rentnerin und bezieht zu ihrer Rente auch Grundsicherung. Nun gibt es in ihrem Ort eine Wohnanlage für Senioren mit Barrierefreien Wohnungen. Dort hat sie sich bereits vor 4 Jahren für eine Wohnung beworben. Jetzt kann sie endlich dort eine Wohnung bekommen. Die Unterlagen hat sie beim Amt eingereicht. Sie hat starke Probleme mit dem Treppensteigen und möchte natürlich gerne in die Seniorenwohnung ziehen da ja mit zunehmendem Alter auch das Treppensteigen nicht mehr möglich ist. Jetzt bekam sie eine Ablehnung vom Amt mit der Begründung das die neue Wohnung 12,-€ über der Höchstgrenze für Wohnraum liegt. Was können wir machen? Kann sie trotzdem die Kaution vom Amt als Darlehen bekommen? Die Zeit drängt da ihre bisherige Wohnung noch diesen Monat gekündigt werden müsste. Ich hoffe Sie können mir weiterhelfen.

    Vielen Dank

    Mit freundlichem Gruß

    Maik Steffensen

    • Ja, kann sie. Sie sollten zunächst prüfen, ob die Mietobergrenzen überhaupt rechtmäßig bestimmt worden sind. Ist das der Fall, können Transaktionskosten (Umzugskosten, Mietkaution etc.) übernommen werden. Bitte § 35 Abs. 2 SGB XII lesen:

      (2) Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Absatz 2 zu berücksichtigen sind, anzuerkennen. Satz 1 gilt so lange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft haben Leistungsberechtigte den dort zuständigen Träger der Sozialhilfe über die nach den Sätzen 1 und 2 maßgeblichen Umstände in Kenntnis zu setzen. Sind die Aufwendungen für die neue Unterkunft unangemessen hoch, ist der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme angemessener Aufwendungen verpflichtet, es sei denn, er hat den darüber hinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt. Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten können bei vorheriger Zustimmung übernommen werden; Mietkautionen sollen als Darlehen erbracht werden. Eine Zustimmung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

      Sie sehen: Sie benötigen keine Zustimmung zum Umzug, sondern müssen den Grundsicherungsträger hierüber zuvor nur „in Kenntnis setzen“. Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten können bei vorheriger Zustimmung übernommen werden. Eine Zustimmung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

      Notfalls bitte Anwalt aufsuchen.

  8. Sandra G sagt:

    Hallo.

    Wie sieht das aus, wenn man sich von dem Partner getrennt hat, eine Wohnung haben kann die aber 9€ über der Bruttokaltmiete liegt. Diese 9€ könnten selbst getragen werden. Nun kommt das Problem wegen der Kaution. Bürgschaft kommt nicht in Frage. Durch eine Ablehnung auf ein zinsloses Darlehen seitens des Jobcenter riskieren sie, das man am Ende des Monats mit einem 2 jährigen Kind ohne Wohnung ist. Müsste das Jobcenter nicht das Darlehen geben um die Obdachlosigkeit zu verhindern? Andere Wohnungen sind im Umkreis von 50km zu teuer bzw wäre keine Betreuung des Kindes gesichert (Wartelisten von bis zu 3 Jahren).


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