Schleswig-Holsteinsches Landessozialgericht: 25 Quadratmeter für Hartz IV-Empfänger angemessen!
Veröffentlicht: 14. Juni 2011 Abgelegt unter: Kosten der Unterkunft | Tags: angemessene Wohnungsgröße, Hartz IV, Kosten der Unterkunft, Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 2 KommentareIn einer aktuellen Entscheidung hat der für Hartz IV-Verfahren aus Kiel zuständige 11. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht entschieden, dass Beziehern von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II auch die Anmietung von 25 qm kleinen Wohnungen „zumutbar“ sein soll. Für den Senat war nicht ersichtlich, „weshalb eine einzelne Person auf einer Wohnfläche von 25 qm nicht menschenwürdig leben können sollte“. Dem Hilfesuchenden stehe es frei, sich eine entsprechend kleine Wohnung mit einem hohen Quadratmetermietzins und damit einem erheblich höheren Wohnungsstandard zu suchen oder eben eine größer Wohnung zu einem entsprechende niedrigeren Quadratmeterpreis. Insoweit rückt das Gericht ausdrücklich von seiner bisher vertretenen Auffassung ab, Hilfebedürftige könnten nicht darauf verwiesen werden, in Wohnungen mit einer Wohnfläche von unter 35 qm zu ziehen.
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 11.04.2011, L 11 AS 123/09 und L 11 AS 126/09.
Bewertung: • Die Entscheidung ist zu kritisieren: Bei „Wohnungen“ mit einer Wohnfläche von 25 qm handelt es sich regelmäßig um Einzimmer-Appartements mit Nasszelle. Viele Leistungsberechtigte nach dem SGB II haben Jahrzehnte ihres Lebens hart gearbeitet und Steuern gezahlt. Diese in Not geratenen Menschen nun auf Einzimmer-Appartements zu verweisen, ist nicht angemessen.
• Die vom Gericht suggerierte Wahlmöglichkeit besteht zudem nur in der Theorie. Tatsächlich sind etwa 50 qm große Wohnungen in Kiel innerhalb der städtischen Mietobergrenzen ohnehin kaum noch anzumieten. Wo es in Kiel 25 qm-Wohnungen mit hohem Wohnstandard gibt, wird das Geheimnis der Richter am 11. Senat bleiben müssen. • Gedanklich ist der Senat den Zeiten des Bundessozialhilfegesetzes verhaftet. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beziehen heute mehr als 7 Mio. Bundesbürger. Dass die Bezahlung deren Mieten lediglich der Vermeidung von Obdachlosigkeit zu dienen bestimmt sei und deswegen als Auslegungsmaßstab für die Bestimmung der „angemessenen“ Größe von Wohnraum die Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG herangezogen wird, spiegelt ein sonderbares Gesellschaftsverständnis des Gerichts wieder und ist aus rechtlicher Sicht ein nicht geeigneter Entscheidungsmaßstab. • Richtigerweise ist der Einzelfall in den Blick zu nehmen: Für einen jungen Hilfebedürftigen etwa bis zum 25. Lebensjahr mögen 25 qm Wohnfläche angemessen sein, für einen 55 Jährigen Hilfebedürftigen sind sie es nicht. „Unwürdig“ wird es, wenn etwa – so in Kiel geschehen – ein über 60jähriger praktisch seinen gesamten Hausstand entsorgen muss, um in ein Einzimmer-Appartement in einem bekannten Mettenhofer Hochhausturm zu ziehen. Die Richter des 11. Senates scheinen indessen einer anderen Würdekonzeption anzuhängen. |
Weiterführende Links:
Welt Online, 23.07.2010 – 25 Quadratmeter Wohnraum – Warum nicht?
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7