Rückzahlung von Mietkautionsdarlehen nach neuer Rechtslage!

Bezieher von Arbeitslosengeld II haben nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II einen Anspruch auf darlehensweise Übernahme ihrer Mietkaution, soweit sie diese nicht aus eigenen Mitteln an den Vermieter zahlen können. Bisher gab es keine gesetzliche Grundlage für die Rückforderung derartiger Mietkautionsdarlehen. Die Rückforderung erfolgte regelmäßig, indem das Jobcenter mit den Leistungsberechtigten eine Rückzahlungsvereinbarung traf, nach der monatlich ein Teil der Regelleistungen – in der Regel 10 % – zur Darlehensrückforderung einbehalten wurden. Diese Vereinbarung konnte indessen von den Leistungsberechtigten jederzeit aufgekündigt werden. Eine gesetzliche Grundlage für eine Aufrechnung gab es für diese Fälle bisher nicht (vgl. BT-Drucks. 16/4887 vom 29.3.2007; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 25.11.2009, L 6 AS 24/09, BSG, Urt. v. 22.3.2012, B 4 AS 26/10 R, Terminbericht Nr. 17/12).

Seit April 2011 besteht für die Rückforderung von Mietkautionsdarlehen im laufenden Leistungsbezug nun eine Anspruchsgrundlage in § 42a Abs. 2 SGB II. Danach gilt:

„Solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt. Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. (…)“

Diese Regelung verschweigt sich allerdings darüber, ob bei Bedarfsgemeinschaften 10 % der Regelleistungen jedes einzelnen Leistungsberechtigen in der Bedarfsgemeinschaft einzubehalten sind oder nur von bestimmten Personen der Bedarfsgemeinschaft 10 % der Regelleistungen einbehalten werden dürfen.

Beispiel: In einer Bedarfsgemeinschaft leben zwei Eltern mit ihren zwei Kindern. Die Eltern erhalten jeweils Regelleistungen in Höhe von 328 €, die Kinder (zwischen 14 und 17 Jahre alt) jeweils 291 €. Sind von den Regelleistungen der Eltern jeweils 32,80 € und von den Regelleistungen der Kinder 29,10 €, zusammen also 123,80 € monatlich zur Rückführung der Kaution einzubehalten? Vielfach wird dies derzeit von den Jobcentern so praktiziert.

Die Rechtslage freilich ist eine andere.

(1) Entscheidend ist zunächst, dass die Rückzahlung nur von den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft verlangt werden kann, die auch Darlehnsnehmer sind, d.h. mit dem Jobcenter einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben. Darlehensnehmer kann grundsätzlich ein einzelnes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft oder auch eine Personenmehrheit der Bedarfsgemeinschaft – z.B. die Eltern gemeinsam – sein (§ 42a Abs. 1 S. 2  SGB II).

(2) Für die Frage, wer den Darlehensvertrag mit dem Jobcenter abschließen muss, kommt es m.E. darauf an, wer im Verhältnis zum Vermieter zur Kautionszahlung verpflichtet ist. Dies sind diejenigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die den Mietvertrag unterschrieben haben.

Haben im obigen Beispiel beide Eltern den Mietvertrag unterschrieben und sind diese damit (als Gesamtschuldner) verpflichtet, die Mietkaution zu bezahlen, kann das Jobcenter verlangen, dass auch beide Eltern den Darlehensvertrag mit dem Jobcenter abschließen. In der Folge muss das Jobcenter monatlich jeweils 32,80 € – zusammen also 65,60 € – von den Regelleistungen zur Darlehensrückführung einbehalten. Hat demgegenüber nur der Vater den Mietvertrag abgeschlossen, schuldet auch nur dieser die Mietkaution. Das Jobcenter kann deswegen m.E. auch nur mit diesem den Darlehensvertrag abschließen, denn nur bei dem Vater besteht ein entsprechender „Bedarf“, der durch die Gewährung eines Darlehens zu befriedigen ist. Der monatlich Einbehalt darf daher nur 10 % der Regelleistungen des Vaters – mithin also 32,80 € – betragen.

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7


Schleswig-Holsteinsches Landessozialgericht: 25 Quadratmeter für Hartz IV-Empfänger angemessen!

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In einer aktuellen Entscheidung hat der für Hartz IV-Verfahren aus Kiel zuständige 11. Senat des Schleswig-Holsteinischen  Landessozialgericht entschieden, dass Beziehern von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II auch die Anmietung von 25 qm kleinen Wohnungen „zumutbar“ sein soll. Für den Senat war nicht ersichtlich, „weshalb eine einzelne Person auf einer Wohnfläche von 25 qm nicht menschenwürdig leben können sollte“. Dem Hilfesuchenden stehe es frei, sich eine entsprechend kleine Wohnung mit einem hohen Quadratmetermietzins und damit einem erheblich höheren Wohnungsstandard zu suchen oder eben eine größer Wohnung zu einem entsprechende niedrigeren Quadratmeterpreis. Insoweit rückt das Gericht ausdrücklich von seiner bisher vertretenen Auffassung ab, Hilfebedürftige könnten nicht darauf verwiesen werden, in Wohnungen mit einer Wohnfläche von unter 35 qm zu ziehen.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 11.04.2011, L 11 AS 123/09 und L 11 AS 126/09.

Bewertung: • Die Entscheidung ist zu kritisieren: Bei „Wohnungen“ mit einer Wohnfläche von 25 qm handelt es sich regelmäßig um Einzimmer-Appartements mit Nasszelle. Viele Leistungsberechtigte nach dem SGB II haben Jahrzehnte ihres Lebens hart gearbeitet und Steuern gezahlt. Diese in Not geratenen Menschen nun auf Einzimmer-Appartements zu verweisen, ist nicht angemessen.

• Die vom Gericht suggerierte Wahlmöglichkeit besteht zudem nur in der Theorie. Tatsächlich sind etwa 50 qm große Wohnungen in Kiel innerhalb der städtischen Mietobergrenzen ohnehin kaum noch anzumieten. Wo es in Kiel 25 qm-Wohnungen mit hohem Wohnstandard gibt, wird das Geheimnis der Richter am 11. Senat bleiben müssen.

• Gedanklich ist der Senat den Zeiten des Bundessozialhilfegesetzes verhaftet. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beziehen heute mehr als 7 Mio. Bundesbürger. Dass die Bezahlung deren Mieten lediglich der Vermeidung von Obdachlosigkeit zu dienen bestimmt sei und deswegen als Auslegungsmaßstab für die Bestimmung der „angemessenen“ Größe von Wohnraum  die Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG herangezogen wird, spiegelt ein sonderbares Gesellschaftsverständnis des Gerichts wieder und ist aus rechtlicher Sicht ein nicht geeigneter Entscheidungsmaßstab.

• Richtigerweise ist der Einzelfall in den Blick zu nehmen: Für einen jungen Hilfebedürftigen etwa bis zum 25. Lebensjahr mögen 25 qm Wohnfläche angemessen sein, für einen 55 Jährigen Hilfebedürftigen sind sie es nicht. „Unwürdig“ wird es, wenn etwa – so in Kiel geschehen – ein über 60jähriger praktisch seinen gesamten Hausstand entsorgen muss, um in ein Einzimmer-Appartement in einem bekannten Mettenhofer Hochhausturm zu ziehen. Die Richter des 11. Senates scheinen indessen einer anderen Würdekonzeption anzuhängen.

Weiterführende Links:

Welt Online, 23.07.2010 – 25 Quadratmeter Wohnraum – Warum nicht?

Rechtsanwalt Helge Hildebrandt, Holtenauer Straße 154, 24105 Kiel, Tel. 0431 / 88 88 58 7