Bundesagentur für Arbeit: Durch unbekannte Telefonnummern für den Bürger besonders gut erreichbar
Veröffentlicht: 23. Mai 2014 Abgelegt unter: Datenschutz beim Bezug von ALG II 8 KommentareIm März 2014 berichtete ich in diesem Blog über einen Antrag in der Kieler Ratsversammlung, mit dem die freiwillige Veröffentlichung der Telefonnummern der Mitarbeiter des Jobcenters Kiel gefordert wurde, sowie die teils emotionalen Reaktionen auf diesen Antrag. Der Antrag wurde – wie zu erwarten war – unter Anstimmung von Lobeshymnen auf das „Service Center“, ein von der Bundesagentur für Arbeit betriebenes Call-Center, welches auch das Jobcenter Kiel nutzt, von einer großen Mehrheit der Ratsfraktionen abgelehnt.
„Behörden offenbaren keine Rufnummern“
Eine neue, gänzlich andere Problematik hat nun die Erfahrung eines Mandanten aufgezeigt, der in einem Schreiben an die Bundesagentur für Arbeit folgenden Sachverhalt schildert:
„Gerade habe ich einen Anruf mit Rufnummernunterdrückung erhalten. Dennoch wurde der Anruf entgegen genommen. Die Anruferin stellte sich als Frau T von der Agentur für Arbeit vor und wollte mit mir über ein aktuelles Schreiben sprechen. Auf meinen Einwand, dass ich mit „Anonymus“ keine relevanten Dinge bespreche, wurde erwidert, dass Behörden keine Rufnummern offenbaren. Das sehr provokativ geäußerte Angebot einer schriftlichen Stellungnahme habe ich angenommen. Sofort wurde aufgelegt. Bitte teilen Sie mir mit, ob die Rufnummernunterdrückung zu der üblichen Praxis gehört.“
Tatsächlich sind die Telefonnummern von Behörden – insbesondere aufgrund ihrer in der Regel gleichlautenden und allgemein bekannten Anfangsziffern wie etwa der 901 bei der Stadt Kiel – eine gute Möglichkeit, um sich von der Identität des Anrufers als Mitarbeiter einer Behörde zu überzeugen. Dies gilt vor allem dann, wenn einem die Mitarbeiter persönlich noch nicht bekannt sind. Zudem sind unterdrückte Rufnummern nicht selten ein Hinweis auf einen (unerlaubten) Werbeanruf oder andersartige Missbrauchsversuche, weswegen bei unterdrücken Rufnummern eine gewisse Vorsicht durchaus geboten ist.
Durch unbekannte Telefonnummern besonders gut erreichbar
Das „Kundenreaktionsmanagements“ der Agentur für Arbeit Kiel scheint in der Rufnummernunterdrückung allerdings keinerlei Probleme zu sehen, im Gegenteil. Darauf getrimmt, in freundlich klingenden Floskeln notfalls auch einen Kreis zu quadrieren, werden dem Kunden die Vorzüge des hauseigenen Call-Centers erläutert. Indem Anrufe nämlich über das Service Center gesteuert würden, werde eine „bessere telefonische Erreichbarkeit für die Kunden erzielt“. Hierzu gehöre auch, „dass keine direkten Durchwahlnummern auf dem Telefon-Display angezeigt werden.“ Behördenmitarbeiter, deren Telefonnummern kein Bürger kennt, sind für den Bürger also besonders gut erreichbar. Man lernt offenbar nie aus.
Rechtsanwalt Helge Hildebrandt
Auf ausdrücklichen Wunsch meines Mandanten habe ich dessen Daten nicht anonymisiert. Anders, so sein Argument, „wäre ich genauso wie die BA.“
Menschen die anderen Schaden zufügen wollen, verstecken sich in der Regel bei solchen Vorgängen. In Behörden arbeiten eben auch nur Menschen und bei Schadwirkung gilt eben auch, verstecken …
Nepper, Schlepper, Bauernfänger, wurde vor nicht allzu langer Zeit das schmutzige Handwerk von der Bundesnetzagentur gelegt.
Derartige, vom Angerufenen nicht ausdrücklich genehmigte Anrufe werden in Deutschland durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb untersagt.
Bei Missbrauch oder Zuwiderhandlung ist seit dem 9. Oktober 2013 ein Bußgeld bis zu 300.000 € möglich, § 20 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die zwischen dem 4. August 2009 und dem 9. Oktober 2013 geltende Bußgeldobergrenze wurde durch Inkrafttreten des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken versechsfacht.
Kann man das nicht gegen derart Praktiken einsetzen?
Helge, wenn ich es richtig verstanden habe, hat dein Mandant einen Anruf einer Frau von der Agentur für Arbeit (nicht Jobcenter Kiel Kundenreaktionsmanagement?) mit unterdrückter Rufnummer erhalten.
In diesem und in anderen Beiträgen geht es ja auch u. a. um die telefonische Erreichbarkeit der BehördenmitarbeiterInnen.
Ich war als Hartz IV-Empfänger am 06.05.2014 in „meinem“ Jobcenter in Kiel. Dort erhielt ich von meinem/r Ansprechpartner(in) folgenden Zettel ausgehändigt, ich zitiere hieraus, natürlich anonymisiert:
Sprechzeiten:
… (Anmerkung Verfasser dieses Statements: Diese könnte ich hier natürlich „abtippen“, dies ist ja kein Geheimnis)
Ihr/e Ansprechpartner/in:
Konkrete Person benannt (Arbeitsvermittlung), Telefondurchwahl: …
ist telefonisch immer erreichbar: Mo, Di und Fr von 08.00 – 09.00 Uhr
(außerhalb der Sprechzeiten: Telefonnummer … ) / Anmerkung Verfasser dieses Statements:
allgemeine Callcenter-Telefonnummer angegeben. Ende des Statements.
Auskunft in Geldangelegenheiten erhalten Sie:
Anmerkung Verfasser dieses Statements: Allgemeine Callcenter-Telefonnummer angegeben
Mo – Mi : 07.30 – 16.00 Uhr
Do: bis 18:00 Uhr
Fr: 07:30 – 13:00 Uhr
———————————————–
Oben stehen ja bestimmte Zeiten, unter denen der/die Ansprechpartner(in) immer telefonisch erreichbar sind. Dazu kann ich nichts sagen, da ich mit dem Jobcenter meistens per E-Mail kommuniziere. Dies hat den Vorteil, dass das Amt diese dann in „ruhigeren“ Zeiten (wenn es so etwas im Jobcenter überhaupt gibt) „abarbeiten“ kann.
Ob die telefonische Erreichbarkeit zu bestimmten Zeiten immer gegeben ist, das ist so eine Frage. Wieviel Kunden so ein(e) Arbeitsvermittler(in) hat, weiss ich nicht. Bei Urlaub, Krank heit, Fortbildung usw. müssen diese ja auch die Anrufe der anderen MitarbeiterInnen übernehmen. Wenn dann noch sehr wichtige Sachverhalte kurzfristig zu entscheiden sind (z. B. Neuanmietung einer Wohnung, Zahlungsanweisungen, Übernahme von Umzugskosten wegen neuem Arbeitsplatz in einer anderen Stadt usw.) kann es sein, dass bei den MitarbeiterInnen telefonisch dauernd gesetzt ist, wofür diese ja auch nichts können …
Dafür müßten MitarbeiterInnen als „Springer“ eingesetzt werden.
Gruß an alle LeserInnen
Björn Nickels
Ja, Björn, diese Praxis, dass die Mitarbeiter eine Stunde am Tag morgens erreichbar sind, kenne ich auch. Oft geht dann aber bei Anrufen keiner ran dort oder es ist besetzt.
Sehr misslich auch für Rechtsanwälte. Unsere Kanzlei macht erst um 9.00 Uhr auf. Zu dieser Zeit haben die IFK ihr Telefon schon wider abgestellt. Mal abgesehen davon, dass das Zeitfenster aberwitzig kurz ist.
Bei der Callcenter-Nummer 709-1525 erlebt man es dann häufig, dass die den Anruf annehmende Person in Neumünster oder sonstwo sitzt, die Akte nicht vorliegen hat und entweder sagt, dass man zurückgerufen wird (was so gut wie nie passiert) oder eine falsche Auskunft gibt, weil eben die Akte nicht vorliegt.
Sehr viel hilfreicher, kompetenter und problemlösender waren dann immer die Anrufe oder Besuche in der Sozialberatung Kiel bei Herrn Otto oder natürlich beim Autor der obigen Mitteilung, Rechtsanwalt Helge Hildebrandt.
Es gibt aus vielen Erfahrungsberichten grundsätzlich bundesweit in Foren die Empfehlung, bei Bedarf der Rechtssicherheit nicht mündlich oder per Mail mit dem Jobcenter zu kommunizieren. Da es in der Regel bei Kontakten mit dem Jobcenter um ein Existenzminimum geht, sollte genau deswegen die nachweisliche Schriftform gewählt werden. Schon aus den Empfehlungen ergibt sich eine deutliche Reduzierung des Gesprächsbedarf per Telefon. Wer schon mal mit anderen Verwaltungsstrukturen, die ebenfalls mit Bürgern zu tun haben, kommunizieren musste. wird festgestellt haben, dass sich vor Kunden verstecken und abschirmen doch eine Eigenart oder besser bewusste Unart der Jobcenter ist. Eine „Verwaltung“ in der ein gesprochenes Wort oft genug verdreht wird, oft genug auch keine glaubwürdige Rechtssicherheit vermittelt, kann das schlussendlich noch weniger in Telefonaten herüber bringen. Das belegt die Vielzahl an Gerichtsprozessen im gesamten Bundesgebiet, die ja auch nicht telefonisch abgehandelt werden 😀
Wenn im Jobcenter manche Problemlage telefonisch einfach abzuklären ginge und ich erinnere mich, einmal ging das sogar telefonisch als ein Rechtsanwalt mit der Sachbearbeitung telefonierte 🙂 , wäre die Verwaltung tatsächlich in heutiger Zeit bürgernah. Ist wirklich Bürgernähe eines der Anliegen der Hartz IV Verwaltungen?
Ich erinnere an die Intention, die sich auf die Etablierung eines niedrigen Lohnniveau in Deutschland zurückführen lässt, laut Aussage der Ursprungsgestalter und genau daran hat sich bis heute NICHTS geändert!
Leider scheint es in einigen Gemeinden noch nicht durchgedrungen zu sein, dass es technisch auch möglich ist, die Nummer der Telefonzentrale (Callcenter) übertragen zu lassen (geht sogar im Heimanschluss), so dass es dem Angerufenen möglich ist, den Anruf als Behördenanruf zu verifizieren (vertauenswürdiger)❗ Ich reagiere auch nicht auf Anrufe mit „Privater Nummer“, wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch nicht zu verstecken❗ Ist nur eine Ausrede der AfA / JC.